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Kundgebung während des Konvois bei Bertelsmann-
Repräsentanz Unter den Linden 1
Bertelsmann: „Hitlers bester Lieferant“
Broschüre vom Gegeninformationsbüro 6. September 2005


Als „Hitlers bester Lieferant“ bezeichnete die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Januar 2000 den Bertelsmann Verlag, nachdem eine historische Untersuchungskommission ihren Zwischenbericht über „Bertelsmann im Dritten Reich“ vorgelegt hatte. Heute ist Bertelsmann Medien-Weltkonzern und reaktionäre Denkfabrik.

An der exklusiven Adresse – Unter den Linden 1 – residiert mit Bertelsmann einer der größten Medienkonzerne der Welt. Anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung vom deutschen Faschismus erinnern wir an dieser Stelle an die braune Vergangenheit des Verlags und den Umgang der hier residierenden Saubermänner und Sauberfrauen mit der Geschichte ihres Unternehmens. Zum anderen wollen wir einige Schlaglichter auf die heutige Machtposition des Medienkonzerns und Think-Tanks Bertelsmann werfen. Die Bezeichnung „Hitlers bester Lieferant“ könnte treffender nicht sein, angesichts der Verlagsgeschichte vor und während der Zeit des deutschen Faschismus. Wie viele andere deutsche Konzerne, so ist auch Bertelsmann emsig bemüht, das Image der weißen Weste nicht durch die Thematisierung ihrer Geschäfte während und mit der nationalsozialistischen Diktatur, beschmutzen zu lassen.


Geschichtsklitterung

1998, anlässlich einer Preisverleihung stilisierte der damalige Vorstandsvorsitzende Thomas Middelhoff den Verlag als Hort des Widerstands gegen den Nationalsozialismus. Als einer der wenigen nicht jüdischen Verlage, so Middelhoff, sei Bertelsmann 1944 wegen der Verbreitung „subversiver“ Bücher von den Nazis geschlossen worden. Eine Darstellung, die infamer kaum erlogen sein könnte!
Die historische Kommission, die die Geschichte von „Bertelsmann im Dritten Reich“ untersuchte, hielt fest, dass „die ungewöhnlich hohe Zahl von 19 Millionen Wehrmachtsexemplaren, die die Gewinne explodieren ließ“ mehreren Gründen verdankte. Dazu gehörten die Leistungsfähigkeit der Druckerei und die geschickte Papierbevorratung, aber vor allem, so der Kommissionsbericht, „verlief die Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen der Wehrmacht und des Propagandaministeriums weitgehend komplikationslos.“

Vor dem Hintergrund der skrupellosen Anpassungsfähigkeit der Bertelsmann-Führung ist dies nicht verwunderlich!
Dienten die gleichgeschaltete Tagespresse und der Rundfunk der unmittelbaren Beeinflussung des „Volkswillens“, so produzierte die Literatur – und zwar schon weit vor 1933 – den antisemitischen, völkisch-chauvinistischen und revisionistischen Grundtenor in Teilen der deutschen Bevölkerung. Die Bücherverbrennungen, die am 10. Mai 1933 im ganzen Deutschen Reich und vor allem in den Universitätsstädten stattfanden – wie hier in Berlin auf dem Bebelplatz –, waren der symbolische Akt des kulturellen Umsturzes in der Wissenschaft, Kultur und in der Literatur.

Als am 10. Mai 1933 so genannte „undeutsche Literatur“ auf Scheiterhaufen verbrannt wurde, dürfte sich nicht ein Titel aus dem Hause Bertelsmann darunter befunden haben. Bertelsmann hatte sein Verlagsprogramm schon frühzeitig auf den sich ausbreitenden völkischen und antisemitischen Geist abgestimmt und entsprechende Autoren unter Vertrag genommen. Einer der bekanntesten antisemitischen Autoren ist Will Vesper, der seit 1932 bei Bertelsmann verlegt wurde. Vesper war als Mitglied der Deutschen Akademie der Dichtung aktiv an der Vorbereitung der Bücherverbrennungen beteiligt und der Hauptredner bei der Verbrennung des „undeutschen Schrifttums“ in Dresden.


Literarische Arsendosen

Wenige Tage nach den Bücherverbrennungen schrieb Kurt Tucholsky an seinen Freund Walter Hasenclever: „Da kommen sie nun aus allen Löchern gekrochen die kleinen Provinznutten der Literatur, nun endlich, endlich ist die jüdische Konkurrenz weg – jetzt aber! Will Vesper in seiner ‚Neuen Literatur‘; immer feste“.

Eine ganze Reihe der von Tucholsky als Provinznutten beschimpften Autoren, verdiente sein Geld beim Bertelsmann-Verlag, der auf diese Weise vom Faschismus zu profitieren wusste und zudem den geistigen Nährboden der nationalsozialistischen Ideologie lieferte. Bertelsmann war zweifellos weit mehr als irgendein mittelständisches Unternehmen: Der Familienbetrieb lieferte zwar keine Waffen, aber dafür „aufbauende Literatur“, um die Moral an der Front und an der Heimatfront aufrecht zu erhalten.

„Worte können sein wie winzige Arsendosen“, schrieb Victor Klemperer in seinem Werk „LTI“ (Lingua Tertii Imperii), zur Sprache des Dritten Reiches: Diese Arsendosen, so Klemperer „werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Wirkung doch da.“

Bertelsmann verfütterte literarische Giftmischungen in Millionen-Auflagen und legte mit den erzielten Profiten den Grundstein für den nach dem Krieg entstehenden Medien-Weltkonzern.

Schaut man auf die Homepage des Random Verlagshauses, einer 100-prozentigen Bertelsmann-Tochtergesellschaft in den USA, so liest man dort, dass „nach dem Druckverbot religiöser Schriften zu Kriegsbeginn“ der Bertelsmann Verlag, „jetzt der Wehrmacht unterstellt“, gewesen sei und „so genannte Feldpostausgaben, teils mit harmlosem Inhalt, teils mit Verklärung der Kriegswirklichkeit“ gedruckt hätte. Und weiter ist zu lesen, dass im Herbst 1944 die Schließung des Verlags erfolgt sei und „ein halbes Jahr später die Zerstörung der Verlagsgebäude während eines britischen Luftangriffs“ zu beklagen war.

Zu dieser verfälschenden Selbstdarstellung, die darin gipfelt, den Verlag auch noch als schuldloses Opfer britischer Luftangriffe darzustellen, ist festzuhalten:

1. Bertelsmann war zu keinem Zeitpunkt der Wehrmacht unterstellt, sondern kooperierte mit den zuständigen Stellen der Wehrmacht und des Propagandaministeriums wie es die Untersuchungskommission ausführlich darlegt,

2. der Verlag kann auch nicht ansatzweise auf irgendeine Art und Weise für sich in Anspruch nehmen, dem Widerstand zugerechnet zu werden und gehört drittens auch in keiner Weise zu den Opfern des Faschismus, sondern stand auf der Seite der faschistischen Täter und hat davon mächtig profitieren können.


Aufstieg zum Weltkonzern

Wie wenig der Bertelsmann-Verlag seit jeher bereit war, die eigene Geschichte und Verantwortung aufzuarbeiten, zeigte sich schon unmittelbar nach Kriegsende.

Der damalige Verlags-Chef, Heinrich Mohn, verschwieg in seinem persönlichen Entnazifizierungsbogen seine finanzielle Unterstützung verschiedener NSDAP-Gliederungen und seine Mitgliedschaft im Förderkreis der SS, und bemühte sich mit seiner Führungsriege im Sommer 1945 die schwer belasteten Nazi-Autoren Hans Grimm und Will Vesper wieder an den Bertelsmann-Verlag zu binden.

Trotz dieses Geschäftsgebarens konnte Mohn unter den wohlwollenden Augen der britischen Besatzungsmacht schon zum Jahreswechsel 1946/47 seiner Belegschaft vermelden, dass die „Produktion wieder auf einen rentablen Stand“ gebracht worden war.

Auf dieser Grundlage konzentrierte sich Bertelsmann in den 50er Jahren auf den Ausbau von Leseringen. Mit den so genannten Buchclubs, die Bertelsmann in ganz Europa aber auch in Südkorea und seit 1997 in Shanghai betreibt, wuchsen die Umsätze des Konzerns Jahr für Jahr, wodurch die Expansion in andere Länder und die Ausweitung auf andere Geschäftsfelder in den 70er und 80er Jahren ermöglicht wurde. Mit seinen weltweit über 76 000 Mitarbeitern erzielt Bertelsmann heute einen Umsatz von rund 17 Milliarden Euro. Zu den Tochtergesellschaften gehören unter anderem das größte Radio- und Fernsehunternehmen Europas die RTL-Gruppe, eine der weltweit größten Buchverlagsgruppe Random House sowie die Bertelsmann Music Group, die im letzten Jahr mit der Sony Music zu einem der weltweiten Marktführer im Musikgeschäft verschmolz.

Mit dem Hamburger Verlag Gruner & Jahr und der Arvato AG verfügt Bertelsmann zudem über strategische Positionen auf dem europäischen Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt sowie bei CallCentern und in der Druckindustrie.

„Europas mächtigstes Medienunternehmen ist so groß, dass es sich am liebsten ganz klein macht“ schrieb der Spiegel 1999 und die Zeitschrift der IG Medien betitelte im Februar 2000 Bertelsmann als „Bewusstseinsriesen“.

Beide Beschreibungen treffen zu, beschreiben jedoch nicht die ungeheure Machtfülle, die sich hinter den Fassaden des Bertelsmann-Sitzes verbirgt. Denn neben dem global agierenden Medienkonzern treffen wir hier auch auf die 1977 gegründete Bertelsmann-Stiftung, die zu allen relevanten Politikfeldern Strategiepapiere verfasst und über engste Verbindungen in Politik und Wirtschaft verfügt. Als Denkfabrik (auch Think-Tank genannt) prägt Bertelsmann sowohl innen- als auch außenpolitische Entscheidungen. Mit dem eigens geschaffenen Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) förderte Bertelsmann unter anderem die Einführung von Studiengebühren. Aber auch die Kapital-freundliche Stoßrichtung der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze wurden von Bertelsmann-Strategen geprägt.

Zur Einweihung des hiesigen Sitzes von Bertelsmann im November 2003 waren 600 Prominente aus Politik, Wirtschaft und Kultur geladen. Nicht zuletzt Kanzler Schröder gab sich die Ehre und erhoffte sich durch die nun gegebene Nähe zum Regierungssitz „eine Bereicherung des politischen und kulturellen Dialogs in Berlin und in Deutschland.“


Vordenker des deutschen Imperialismus

Zur Ausarbeitung außenpolitischer Strategien unterhält die Stiftung die „Forschungsgruppe Politik“ beziehungsweise das Centrum für angewandte Politikforschung – kurz CAP – an der Universität München. Dessen Direktor, Werner Weidenfeld, ist zudem Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung und gilt als wichtigster Regierungsberater in außenpolitischen Fragen. Insbesondere die Destabilisierung der Osteuropäischen Staaten mit dem Ziel der Einbindung in den deutschen und europäischen Macht- und Wirtschaftsbereich bestimmen die Strategiepapiere des CAP. Unumwunden beschreibt Weidenfeld den europäischen Weltmacht-Anspruch und beklagt zugleich die Schwäche der strategischen Fähigkeiten der EU. Eine dieser Schwächen liegt nach Meinung des CAP im militärischen Bereich. Das umstrittene Raketensystem MEADS gilt für Weidenfeld und seinen Stab als „unverzichtbar“, wie es in einem kürzlich veröffentlichten Strategiepapier heißt. Die Aufgabe von MEADS sei „die Bereitstellung von modernen Luftabwehrkapazitäten für Soldaten im Auslandseinsatz“ könne „aber daneben auch zum punktuellen Schutz von Zivilbevölkerung in Krisen sowie wichtiger Objekte im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung eingesetzt werden.“ Und nach Meinung des CAP müsse „über die große Bedeutung eines mobilen regionalen Luftabwehrraketensystems für die Sicherheit im Einsatzgebiet bei knapp 10 000 im Ausland befindlichen Bundeswehrsoldaten an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden.“ Logische Schlussfolgerung der Bertelsmann-Militaristen: „Mehr Gründe denn je sprechen bei den zu erwartenden sicherheitspolitischen Trends der nächsten Jahre, die aller Voraussicht nach für Deutschland von langfristigen Auslandseinsätzen der Bundeswehr in fernen und krisengeschüttelten Gebieten geprägt sein werden, für eine moderne, regional begrenzte Luftabwehrfähigkeit. MEADS ist dafür unverzichtbar.“

Mit der Bertelsmann Stiftung und seinen Ablegern wie dem CAP hat sich die größte private Denkfabrik fest in der politischen Klasse Deutschlands und innerhalb der EU-Administration etabliert. Auf allen Ebenen propagiert Bertelsmann innen- und sozialpolitisch den Klassenkampf von oben und proklamiert außenpolitisch die europäische Weltmacht unter deutscher Führung.

Diese Adresse – Unter den Linden 1 – steht für die reaktionärsten und expansionslüsternsten Vordenker des wiedererwachten deutschen Imperialismus und der Medienkonzern Bertelsmann gehört ohne Zweifel zu den Profiteuren desselben.

Wir protestieren deshalb an dieser Stelle gegen die Machenschaften des Bertelsmann Konzerns und sagen:

Nieder mit Bertelsmann – Nieder mit dem neuen deutschen Imperialismus


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 6. September 2005