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Transparent der ‚Kampagne‘ während der
Zwischen-kundgebung am Bendlerblock |
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„Wir pfeifen auf die Bundeswehr“
Broschüre vom Gegeninformationsbüro
6. September 2005
Rede von Ralf Siemens von der „Kampagne gegen Wehrpflicht,
Zwangsdienste und Militär“ vor dem Bendlerblock, dem Sitz des „Bundesverteidigungsministeriums“.
Liebe AntimilitaristInnen und AntifaschistInnen, wir stehen hier vor dem Bendlerblock.
Wie unter einem Brennglas lässt sich an diesem Gebäude deutsche Militärgeschichte
aufzeigen. Und diese Geschichte des deutschen Militärs ist untrennbar mit
dem Willen der Militärelite verbunden, imperialistische, nationalistische
und verbrecherische Politik zu betreiben.
1914, noch vor dem 1. Weltkrieg, wurde der Bendlerblock fertiggestellt und dem
Reichsmarineamt übergeben. Hausherr wurde Großadmiral von Tirpitz.
Unter seiner Ägide war zuvor die Marine des kaiserlichen Deutschlands zur
zweitgrößten Hochseeflotte der Welt ausgebaut worden. Das Ziel von
Tirpitz war es, einen Platz an der Sonne im imperialistischen Konkurrenzkampf
in Übersee militärisch zu erobern. Tirpitz leitete von hier aus den
Seekrieg. Die Nazis ehrten Tirpitz mit der Benennung der hiesigen Uferstraße
nach ihm, die Bundeswehr, indem sie ihren Marinehafen in Kiel bis heute nach
Tirpitz benennt.
Nach dem 1. Weltkrieg zog das Reichswehrministerium ein. Von diesem Hause aus
organisierte der reaktionäre Sozialdemokrat, Reichswehrminister Noske, die
militärische Niederschlagung des Spartakusaufstandes im Januar 1919. Und
unter dem Chef der Heeresleitung, General von Seekt, wurden hier ab 1924/25 unter
höchster Geheimhaltung Pläne ausgearbeitet, die Reichswehr entgegen
den Bestimmungen des Versailler-Vertrages zu einer großen Kriegs- und Angriffsarmee
auszubauen. Nur dank dieser detaillierten Vorbereitungen konnte Nazi-Deutschland
binnen weniger Jahre die Wehrmacht zur stärksten Armee Europas ausbauen.
Am 3. Februar 1933, wenige Tage nach der Machtübergabe an die Nazis, weihte
Hitler die Generalität hier im Bendlerblock in seine verbrecherischen Planungen
ein: „Vernichtung“ des Marxismus, Todesstrafe für Landesverrat,
Aufrüstung zur „Wiederherstellung der deutschen Macht“. Und
wofür diese Macht eingesetzt werden sollte, daran ließ er keinen Zweifel:
Zur Eroberung neuen „Lebensraumes“ im Osten und dessen rücksichtslose „Germanisierung“.
Kein General erhob sich, niemand dankte ab. Denn die Militärelite teilte
seine außenpolitischen Kriegsziele: Die Wehrmacht ist Säule der NS-Diktatur
gewesen. Sie hat die verbrecherischen Angriffspläne ausgeheckt und umgesetzt.
Ohne die willige Militärelite hätte der NS-Staat nicht funktioniert.
Sie war die treibende Kraft, wenn es darum ging, „deutsche Macht“ zu
erweitern. Im Bendlerblock, seit Mitte der 1930er Jahre Sitz der Spitzenorgane
der Wehrmacht, entstanden die Pläne für den Überfall auf Polen
und für den Angriff auf die Sowjetunion.
Die Befreiung Deutschlands sollte nach dem offiziellen Willen der Siegermächte
auch zur endgültigen und vollständigen Entmilitarisierung und Entnazifizierung
Deutschlands führen. Während führenden Nazis, Militärs und
Kapitalisten der Prozess gemacht wurde, bereiteten bereits andere die Remilitarisierung
und Restauration vor. Vor allem die USA haben inoffiziell bereits ab 1945 reaktionäre
Kreise unterstützt, um aus Deutschland ein „Bollwerk“ gegen
Russland zu machen. Wehrmachtsgeneräle und konservative Politiker spannten
ein Netzwerk mit dem Ziel der Remilitarisierung zum „Schutz des Abendlandes“ gegen
den Osten. Die Organisation Gehlen und die Person Adolf Heusinger seien hier
stellvertretend genannt. In der Person Heusinger wird die Kontinuität des
deutschen Militärs deutlich. Berufssoldat seit 1915, diente er in der kaiserlichen
Armee, in der Reichswehr, in der Wehrmacht und in der Bundeswehr.
Heusinger war in der Wehrmacht stellvertretender Generalstabchef. In dieser Funktion
hatte er genaue Kenntnisse über die deutschen Verbrechen im Osten und über
den Völkermord an den europäischen Juden. Dies hinderte ihn aber nicht
daran, den für ihn als notwendig erachteten „Kreuzzug des Abendlands
gegen die bolschewistische und asiatische Gefahr“ zu verfolgen, und auch
nicht, die brutale Terrorisierung der Zivilbevölkerung im Osten zu organisieren.
Dieser Heusinger machte sich bereits 1947/48 daran, in Denkschriften eine umfassende
Remilitarisierung zu fordern. 1950 wurde er zum militärischen Berater von
Adenauer, 1952 Leiter der militärischen Abteilung im späteren Verteidigungsministerium,
seit 1955 General der Bundeswehr und ihr erster Generalinspekteur.
Aber zurück zum Bendlerblock: Der besondere Status von Berlin bis 1990 verhinderte
die militärische Nutzung. 1992 fiel die Entscheidung, den Bendlerblock wieder
militärisch zu nutzen, ein Jahr später wurden erste Büroräume
durch das Verteidigungsministerium bezogen. Seit 1997 befindet sich hier der
Berliner Sitz des „Verteidigungsministeriums“ mit gegenwärtig
mehreren hundert Militärs und Beamten.
Das deutsche Militär ist an den Ort der Planung deutscher Kriegsverbrechen
zurückgekehrt. Und das deutsche Militär will global wieder mitmischen.
Nicht mehr im Maschinenraum, sondern auf der Brücke, wie es der damalige
Generalinspekteur Naumann Anfang der 90er Jahre formulierte.
Und diese Marschrichtung befahl das Verteidigungsministerium bereits 1987. In
einem internen Papier hieß es: Um den „Handlungsspielraum ...
für Einsätze der Bundeswehr zur Wahrung deutscher Interessen entscheidend
(zu) erweitern“, müsse „längerfristig und schrittweise“ vorgegangen
werden. Die Salamitaktik der Auslandseinsätze der Bundeswehr nimmt hier
ihren Anfang. Dem Ratschlag der Militärs, zuerst mit Nichtkampfeinsätzen
zu beginnen, wurde befolgt: Kambodscha 1992, Somalia 1993, Einsatze auf dem Balkan
noch ohne direkten Tötungsauftrag bis Mitte der 1990er Jahre. Der Durchbruch
war 1999 mit der Beteiligung am Angriffskrieg auf Jugoslawien, flankiert von
einer Mediengleichschaltung und von Kriegstrommeln, die Kritiker auf einer Stufe
mit Völkermördern stellte.
Die Bundeswehr wird vollständig zu einer global agierenden Angriffstruppe
umgebaut. 140 000 Soldaten werden in wenigen Jahren Gewehr bei Fuß stehen,
um weltweit deutsche Interessen durchzusetzen. Und zu diesen Interessen zählen
in erster Linie ökonomische, sprich kapitalistische. Zur Sicherung der Profitgier
will die Bundeswehr, wie in den Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) von
1992 formuliert, den „ungehinderten Zugang zu Märkten und Rohstoffen
in aller Welt“ sichern.
Wenn von „gewachsener internationaler Verantwortung“ gesprochen wird,
und dies wird unermüdlich von der Kanzeln der hohen Politik gepredigt, dann
ist damit gemeint, die wirtschaftliche und politische Vormachtstellung Deutschlands
global zu erweitern. Bundeskanzler Helmut Kohl äußerte in seiner 1991er
Regierungserklärung ganz offen: „Deutschland hat mit seiner Geschichte
abgeschlossen, es kann sich künftig offen zu seiner Weltmachtrolle bekennen
und soll diese ausweiten (...).“
Nein, darauf pfeifen wir. Wir pfeifen auf Deutschland, wir pfeifen auf die Bundeswehr,
wir pfeifen auf den räuberischen und mörderischen Kapitalismus.
Gelegenheit dazu gibt es in diesem Jahr des fünfzigjährigen Bestehens
der Bundeswehr noch zahlreich. In Berlin unter anderem am 26. Oktober gegen den
Zapfenstreich vor dem Reichstag. Auf Wiedersehen
Weitere Informationen unter: www.kampagne.de
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