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Erika Baum während ihrer Rede auf dem Rosa-Luxemburg-Platz
Spartakusaufstand: Arbeiter und Soldaten hinter Barrikaden
aus Zeitungspapierrollen vor dem Mossehaus in der Schützenstraße in
Berlin am 11. Januar 1919 gegen die SPD-Regierungstruppen |
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Die Aktualität Rosa Luxemburgs
Broschüre vom Gegeninformationsbüro
6. September 2005
Rede beim Konvoi der Zeitzeugin Erika Baum auf dem Rosa-Luxemburg-Platz.
Wir leben in einer Welt, in der es darauf ankommt, die Erinnerung an Rosa Luxemburg
aufrecht zu erhalten. In diesem Gedenkjahr zum 60. Jahrestag der Befreiung könnte
man fragen, warum ehren wir Rosa Luxemburg? Wir ehren sie zu Recht. Sie ist eine
Vorkämpferin gegen den Faschismus. Sie gehört zu unserer großen
Traditionslinie und wir ebenfalls.
Warum ist sie uns so nah? Warum fühlen wir uns mit ihr so verbunden? Sie
ist eine Genossin, die wir bewundern, mit der wir uns beraten können. Dazu
muss man sie aber lesen – unbedingt lesen! Sie ist lebendiger als mancher,
der uns begegnet. Was kann man von Rosa Luxemburg lernen? Es ist unvorstellbar,
wie diese Frau ein volles, ein viel gestaltiges Leben gelebt hat, wo alles zusammen
passte, alles zusammen gehörte. Ihr wisst, dass sie naturbegeistert war.
Ihr wisst, dass sie kulturinteressiert und Kennerin war. Und ihr wisst, wie sehr
sie Menschen liebte, Freunde hatte. Und sie hatte außerordentlich schöne
Liebesbeziehungen. Das alles ist wunderbar, aber das alles ist verbunden, durchdrungen.
Darin steckt ihre Grundposition, die sie zu den Klassen hat, ihre Grundposition
zum politischen Kampf und das ist bei ihr eine Einheit. Das sind nicht zwei Leben,
das ist ein Leben, das sie führte.
Das ist kein sowohl als auch – hier ein bisschen so und da ein bisschen
so. Sondern das gehört zusammen und das kann man aus ihren Büchern
lesen. Deshalb kann sie so scharf, so lebendig über die Feinde reden und
so freundlich und so liebevoll über die Genossen. Und jetzt kommt ein Gedanke,
der mir besonders wichtig ist: es gibt so eine Dialektik, die heißt sowohl – als
auch. Das gibt es bei Rosa Luxemburg nicht – sowohl – als auch. Das
wird an einer Reihe von Problemen sehr deutlich. Ihr kennt alle ihren Kampf gegen
den Militarismus. Ihr wisst, dass sie dafür verhaftet wurde, dass sie dafür
längere Zeit im Gefängnis war. Und sie hat einen Gedanken zum Militarismus – den
lese ich euch jetzt vor, weil er so aktuell und so wichtig ist für unseren
gegenwärtigen Kampf. Sie sagt folgendes: „Der Militarismus, der für
die Gesellschaft im Ganzen eine ökonomisch völlig absurde Vergeudung
ungeheurer Produktivkräfte darstellt, der für die Arbeiterklasse eine
Herabsetzung ihres wirtschaftlichen Lebensmaßstabes ist zum Zweck ihrer
sozialen Versklavung, bildet für die Kapitalistenklasse ökonomisch
die glänzendste unersetzliche Anlageart, die gesellschaftlich und politisch
die beste Stütze ihrer Klassenherrschaft ist“. Das zum Militarismus.
Wenn ihr euch das überlegt, dann ist das doch eine gute Analyse der Kriegspolitik
des USA-Imperialismus gegen den Irak. Ist das nicht ein unschlagbares Argument,
warum man die EU-Verfassung ablehnen muss? Ist das nicht eine klare Orientierung
für das notwendige Zusammengehen von Friedensbewegung und sozialen Bewegungen?
Also, etwas was wir versuchen durchzusetzen.
Eine weitere Frage, die auch heute ungeheuer interessant ist, ist der Zusammenhang
von Imperialismus, Militarismus und dem Demokratieabbau. Rosa Luxemburg weist
darauf hin, dass mit dem Zunehmen des Militarismus demokratische Rechte abgebaut
werden müssen. Diesen Angriff auf die demokratischen Rechte verurteilt sie.
Sie kämpft gegen jeden Abbau von demokratischen Rechten, aber verherrlicht
nicht den bürgerlichen Parlamentarismus. Und sie wird dann ganz scharf – so
scharf sind wir nicht. Das will ich schon sagen – gerade hier auf dem Rosa-Luxemburg-Platz.
Sie ist dafür, dass wir das Parlament ausnutzen, um den Werktätigen
die Möglichkeit zu bieten, sozialistisches Bewusstsein zu verbreitern, sich
zu organisieren und die Massen zu mobilisieren. Dafür brauchen wir die Parlamente,
die Abgeordnetenhäuser und so weiter. Aber sie geißelt mit aller Schärfe
und wortgewaltig den Opportunisten Bernstein und sagt: „Und es blieb Bernstein
vorbehalten, den Hühnerstall des bürgerlichen Parlamentarismus für
den berufenen Weg zu halten, wodurch die gewaltigsten weltgeschichtlichen Umwälzungen,
die Überführung der kapitalistischen Gesellschaft in die sozialistische
möglich sein soll.“ Schön – Bernstein beschimpft sie, weil
er das bürgerliche Parlament als den Weg, als die Möglichkeit ansieht,
vom Kapitalismus in den Sozialismus zu kommen. Ist doch höchst aktuell,
oder? Es gibt doch eine ganze Menge anderer Leute, die das auch so denken. Viktor
Adler – auch so ein Opportunist – hat völlig zu Recht bereits
1910 den Kautsky gewarnt, er hat ihm nämlich geschrieben: „Stell dir
vor, Clara“ – also die Clara Zetkin – „hätte ihr
Mandat und säße mit Rosa im Reichstag. Da würdet ihr etwas erleben.“ Solche
brauchen wir, wenn wir sie wählen.
Noch ein Gedanke, der nicht gern gehört wird, den ich aber schon sehr eindeutig
sagen möchte: In ihrer Rede auf dem Gründungsparteitag der KPD hat
sie gesagt: „Wenn man uns verleumdet, dass wir die russischen Bolschewisten
unterstützen, dann sagen wir: Ja, das ABC unserer heutigen Revolution haben
wir von den Russen gelernt: die Arbeiter- und Soldatenräte. Gerade darin
haben wir das einigende, internationale Band für die Revolution gefunden“.
In ihrer letzten großen Rede das eindeutige Bekennen zu den Arbeiter- und
Soldatenräten, zur Sowjetmacht.
Ich sag das, weil wir das alles heute schon auf unserem Konvoi eigentlich abgearbeitet
haben, aber die Rosa Luxemburg gehört eben dazu. Und jetzt kommt, meine
ich, dass wir aufpassen müssen, dass wir das richtig lernen. Wir müssen
also in der gegenwärtigen Auseinandersetzung genau aufpassen, dass wir nicht
Rosa Luxemburg auf Schlagworte reduzieren, sondern dass wir ihre Gedanken nicht
in Vergessenheit geraten lassen. Wir dürfen also – wenn wir gegenwärtig
die Auseinandersetzung führen, rund um den Tag der Befreiung, rund um den
Tag des Kampfes der Niederschlagung des Hitler-Faschismus – bei der Darstellung
aller Einzelheiten niemals den Klasseninhalt des Faschismus vergessen. Wir müssen
deutlich machen, welchen Klasseninhalt der Faschismus hat. Das ist dieses Einigende
bei der Rosa Luxemburg.
Wenn man von Auschwitz spricht, wenn man die Barbarei von Auschwitz zeigt und
darstellt, dann darf IG Farben nicht vergessen werden. Guckt euch alle Berichte
an über Auschwitz. Da wird alles Mögliche dargestellt, aber IG Farben
wird nicht benannt. Die Konzerne werden nicht benannt, die es heute noch gibt
und die an diesen barbarischen Methoden interessiert waren, die die Hitler-Faschisten
angewandt haben. Wenn die Gemordeten gezeigt werden, wenn die Leiden in den Gefängnissen
und Lagern beschrieben werden, was notwendig ist, damit man sieht, wozu der Gegner
fähig ist, dann darf aber nicht vergessen werden, dass dort auch gekämpft
wurde, dass dort organisierter Kampf existierte. Dies wurde sehr deutlich beim
Beitrag zur Herbert Baum Gruppe gezeigt.
Aber die Darstellung ist so, als ob wir nur Leidende wären, als ob wir uns
wehrlos treiben ließen. Das ist nicht wahr. Zum Beispiel Buchenwald: was
führen sie alles auf bei der so genannten Rederei über den roten Karpus,
um den organisierten Kampf zu diskriminieren. Also, man muss diesen Kampf eindeutig
zeigen.
Und jetzt bin ich am Schluss. Ich möchte noch auf etwas hinweisen am Tag
der Befreiung. Der Krieg gegen die Sowjetunion wurde von den Hitler-Faschisten
auf solche Weise geführt, dass man daraus ablesen konnte, dass sie nicht
nur gegen ein Land kämpften, sie haben gegen die Revolution gekämpft.
Sie haben das Land treffen wollen, in dem die Revolution stattgefunden hat. Deshalb
diese Art der Kriegsführung in der Sowjetunion. Und deshalb sagen wir am
Schluss – jetzt werde ich gleich gerührt sein –
Dank euch, ihr Sowjetsoldaten! Und im Lied hieß es weiter – ihr Helden
der Revolution und deshalb: 8. Mai!
Erika Baum
Erika Baum ist 1924 in Wien geboren. Leben gelernt in einer kommunistischen Arbeiterfamilie.
Die Eltern sind 1935 gleichzeitig in Österreich in Haft. Nach dem Anschluss Österreichs
zu Großdeutschland ist sie in die illegale Arbeit in Österreich miteinbezogen.
1945 geht sie mit Bruno Baum, der in Brandenburg, Auschwitz und Mauthausen am
organisierten Kampf beteiligt ist, nach Berlin.
Seit 1945 ist sie aktiv am Kampf gegen Faschismus und der Ausrottung seiner Wurzeln
beteiligt.
Heute, 80-jährig, sagt sie selber, dass alles nur einen Sinn ergibt, wenn
man Teil des Kampfes gegen die Barbarei und Unmenschlichkeit ist.
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