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Was ist die sogenannte „Sicherheitskonferenz“?
Autonomer Zusammenhang München 16. Januar 2007


Die Münchner Sicherheitskonferenz, veranstaltet von Horst Teltschik, Vorstandsmitglied bei BMW, und finanziert von der Bundesregierung, ist eine bedeutende Schnittstelle zwischen Staaten, Militärs und Privatwirtschaft. Bei der Siko werden Militärstrategien und ökonomische Interessen aufeinander abgestimmt, Kriegspläne diskutiert und öffentlich als Einsatz für „Frieden“ und „Sicherheit“ angepriesen, aber auch teilweise widersprüchliche Interessen einzelner Staaten und Bündnisse verhandelt. Die Allianz zwischen Militär und Kapital zeigt sich in der BMW- eigenen Herbert-Quandt-Stiftung, die als Organisatorin der Konferenz auftritt. Teltschik beschreibt die Siko mit folgenden Worten: „Was das Weltwirtschaftsforum in Davos für die Spitzenvertreter der internationalen Wirtschaft ist, ist die Sicherheitskonferenz in München für die Repräsentanten der strategischen Gemeinschaft.“ Seit 1998 organisiert und leitet der ehemalige deutsche Kanzlerberater für Sicherheitspolitik die Münchner Kriegstagung. Teltschik wurde auf Wunsch von Helmut Kohl Nachfolger von Ewald von Kleist, jenem ehemaligen Wehrmachtsoffizier und späterem Widerstandskämpfer des 20. Juli, der als ideale Integrationsfigur für die westlichen Militärs im Kalten Krieg der Münchner „Wehrkundetagung“ – wie die Siko früher hieß – seit 1962 das internationale Renommee verschaffte. Nach den Worten eines US-SeNators ist die Siko das „beste militärpolitische Seminar der westlichen Welt“.

TeilnehmerInnen sind vor allem ranghohe Militärs und RegierungsvertreterInnen, insbesondere Außen- und KriegsministerInnen der Nato, aber auch anderer Staaten, wie beispielsweise Russland. Seit 1998 sitzt die Rüstungslobby direkt mit am Tisch. So finden sich VertreterInnen von Konzernen wie Daimler Chrysler, EADS, Krauss-Maffei Wegmann, Boeing, Lockhead Martin usw. auf der TeilnehmerInnenliste. Außerdem pilgern unzählige ehemalige Generäle und sogenannte „SicherheitsexpertInnen“ von Organisationen und Instituten wie der „Rand Cooperation“, der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“ (DGAP) oder dem „Institut für Strategische Analysen“ (ISA) nach München. Aus der BRD beteiligen sich neben dem jeweiligen Kriegsminister und anderen Mitgliedern der Bundesregierung insbesondere Stabskader der Bundeswehr, DiplomatInnen sowie Militär- und außenpolitische ExpertInnen der großen Parteien (inklusive der Grünen) an der Konferenz.

Auf der Münchner Konferenz finden neben dem offiziellen Programm auch zahlreiche informelle Gespräche statt, bei denen VertreterInnen von Rüstungsindustrie, militär-strategischen „Think Tanks“ und Regierungen „unter vier Augen“ Klartext reden. Gerade in ihrer Doppelfunktion als Kontakt- und Informationsbörse einerseits sowie Diskussionsforum mit hoher Medienwirksamkeit andererseits liegt laut Teltschik die „große Anziehungskraft“ der Münchner Sicherheitskonferenz begründet.


Was wird bei der Siko besprochen? – Kleine Themenübersicht der letzten Jahre

Die Neutronenbombe wurde hier seinerzeit genauso propagiert wie die Nato-Nachrüstung, der atomare Erstschlag oder die militärstrategischen Konzepte der Zukunft. Bei der Siko werden Einsätze außerhalb des Bündnisgebietes („out of area“) vorbereitet und der Sicherheitsbegriff auf nicht-militärische Bedrohungen ausgedehnt. Es wird sowohl ein Dauer-Kriegs-Zustand legitimiert, der lokal und zeitlich entgrenzt ist, als auch ‚Präventivschläge‘ mit oder ohne UN-Mandat. Hier wurden die Kriege gegen Jugoslawien, Afghanistan und den Irak besprochen, die Weltraumrüstungspläne der USA diskutiert, Pläne für eine eigene EU-Streitmacht präsentiert, der globale „Krieg gegen den Terror“ koordiniert, die Nato-Eingreiftruppe beschlossen und Fragen der Kooperation, aber auch der Konkurrenz, zwischen EU und Nato verhandelt. Jahr für Jahr stehen aktuelle militärische Vorhaben sowie Fragen der Bündniszusammensetzung auf dem offiziellen Programm der Siko: So ging es 2001 unter anderem um die US-Pläne für einen Raketen-Abwehrschirm im Weltraum (National Missile Defense System) und um den mittlerweile weitgehend umgesetzten Plan einer eigenen EU-„Eingreiftruppe“.

2002 stand ganz im Zeichen des im Zuge des 11. September 2001 angelaufenen globalen „Krieg gegen den Terror“. 2003 bot die Siko den USA Gelegenheit, ihre Angriffspläne gegen den Irak anzupreisen und Allianzen für diesen Krieg abzusichern. 2004 ging der Konferenz ein informelles „Mittagessen“ aller Nato-Kriegsminister voraus, bei dem unter anderem über Pläne für den Aufbau von Nato-Truppenkontingenten entlang der Linie Ankara-Kairo diskutiert wurde, mit denen ein „Krisenbogen“ von Marokko bis Pakistan ‚abgesichert‘ werden soll. Solche Absprachen verdienen gerade im Hinblick auf den aktuellen Ausbau militärischer Präsenz der Nato-Staaten im Nahen und Mittleren Osten, zum Beispiel durch Entsendung deutscher Kriegsmarine und anderer Truppenkontingente in den Libanon, genauere Beachtung.

2005 gab es unter dem Motto „Mehr Sicherheit durch Investitionen“ in München erstmals eine eng mit der Siko verknüpfte Nordafrika-Mittelost-Finanzierungskonferenz des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) und des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), bei der über deutsche Wirtschaftsstrategien für besagte Teile der Welt verhandelt wurde. In der thematischen und personellen Überschneidung spiegelte sich der Zusammenhang von kapitalistischer Globalisierung und ihrer militärischen Absicherung wider. In enger Abstimmung mit der Siko ging es um die Frage, wie mit „spezifischen Sicherheitsrisiken“ umzugehen sei, die „teilweise Handel und Investitionen in der Region behindern“. Diskutiert wurde auch darüber, wie die Schaffung einer Freihandelszone in der Region vorangetrieben werden kann. Diese wird von der EU bereits seit 1995 angestrebt und soll sich von Marokko bis Syrien erstrecken. Eine solche Freihandelszone bedeutet Profite für Großkonzerne und reiche Eliten vor Ort, bei gleichzeitiger Verarmung und Zerstörung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung. Nicht allgemeiner Wohlstand, sondern die Schaffung eines wirtschaftlich abhängigen Hinterhofs ist das Ziel.

VertreterInnen der CDU/CSU forderten bereits bei der Siko 2005 den weiteren Ausbau der Bundeswehr für weltweite Kampfeinsätze und den Einsatz der Bundeswehr im Inneren, die spätere Bundeskanzlerin Merkel wollte ganz unverblümt für die „…Interessen und Werte der eigenen Nation (…) alle Mittel (…) von freundlichen Worten bis zu Marschflugkörpern…“ in Betracht ziehen. Diese Positionen von Seiten der Unionsparteien sind heute (Oktober 2006) bereits im neuen Strategiepapier, dem Weißbuch der Bundeswehr, als erweiterter Funktionsrahmen festgeschrieben. 2005 stieß der damalige deutsche Bundeskanzler Schröder die Nato-Verbündeten mit seinem Beitrag vor den Kopf, in dem er die Nato als zentralen Ort militärischer Kooperation offen in Frage stellte.

Darin drückte sich ein schon länger bestehender Interessenskonflikt um weltweiten politischen und wirtschaftlichen Einfluss zwischen den imperialistischen Machtblöcken USA plus Verbündeter auf der einen und der stark deutsch-französisch dominierten EU auf der anderen Seite aus; dieser Konflikt und nicht friedenspolitisches Engagement war auch der Hintergrund dafür, dass die deutsche und die französische Regierung während dem Irakkrieg versuchten, sich trotz faktischer logistischer Unterstützung für den Krieg als friedfertiger Gegenpol zu den USA zu inszenieren.

Bei der Siko 2006 dagegen wurde der erneute Schulterschluss zwischen den EU-Mächten und den USA zelebriert. Was auch der Linie der CDU/CSU- geführten Bundesregierung entspricht, die bei der Siko einen ihrer ersten großen internationalen Konferenz-Auftritte hatte und sich für Nato-Vorrang in Sicherheitsfragen sowie enge Verzahnung von Nato-Response-Force und EU-Truppe stark machte. Im Sinne dieses Schulterschlusses wurde unter anderem über den Umgang der Westmächte mit dem Iran diskutiert: Anders als noch im Falle des Angriffskrieges gegen den Irak waren sie sich einig in der Definition des Iran als globales ‚Sicherheitsrisiko‘, gegen das eine gemeinsame harte Linie nötig sei – wobei, ohne dass das explizit öffentlich benannt wurde, klar war, dass es neben der Diplomatie noch die Option eines militärischen Angriffs gibt. Die französische Kriegsministerin Michèle Alliot-Marie bekräftigte die Drohung von Präsident Chirac, gegen „Schurkenstaaten“ Atomwaffen einzusetzen. In enger Kooperation mit der Siko fand an diesem Wochenende eine „Asian Pacific Finanzierungskonferenz“ deutscher Kapital-Lobbyverbände statt.

Passend dazu war die „außen- und sicherheitspolitische Lage“ in Asien das „Regionalthema“ der diesjährigen Siko und es wurde gefordert, eine engere militärische Kooperation zwischen der Nato und Staaten wie Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland aufzubauen.

Der georgische Präsident Michail Saakaschwili erklärte sein Interesse an baldiger Nato-Mitgliedschaft, wobei er die Bereitschaft Georgiens betonte, mit der EU bei der Ausbeutung von Ölvorkommen im Südkaukasus und in Zentralasien zusammenzuarbeiten. Der Vizepräsident und Verteidigungsminister der russischen Föderation, Sergej Iwanow, nutzte seinerseits die Gelegenheit, unter dem Vorzeichen des „Anti-Terror“-Krieges eine engere militärische Kooperation zwischen den Nato-Staaten und Russland zu forcieren. Insgesamt diente der globale „Krieg gegen den Terror“ auch 2006 als einigende Klammer jenseits sonstiger Interessensgegensätze.
 16. Januar 2007