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Kapital Macht Krieg – die Beherrschung verlieren!
Gegeninformationsbüro 7. Januar 2006


In Teilen des linksradikalen Spektrums gehört es zum guten Ton, politische Begriffe wie Kapitalismus, Imperialismus und Internationalismus zu verwischen oder zu vermeiden und sie unreflektiert durch den neuen Modebegriff „Globalisierung“ zu ersetzen. Damit geht nicht nur eine inhaltliche Relativierung von realen weltpolitischen Zusammenhängen einher, sondern auch eine Diffamierung der Linken, die an diesen Zusammenhängen ihre politische Praxis orientieren.

Wir wollen versuchen einige Argumente/Begriffe, die schon fast standardartig und nicht mehr hinterfragt innerhalb der Linken kursieren, durch konkrete Sachverhalte zu definieren. Damit wollen wir die inhaltliche Vorbereitung zum G8-Gipfel schärfen. Wir beziehen uns dabei auf Papiere, die bereits in der Diskussion sind.
  1. Ist der Kapitalismus nur ein Teil der Unterdrückungsverhältnisse?
  2. Imperialismus oder Globalisierung?
  3. Emanzipation als ideologischer Standort und ideologisches Maß?
  4. Sind nationale Befreiungsbewegungen reaktionär und nicht mehr solidaritätswürdig?
  5. Sind die gegenwärtigen Kämpfe in Palästina und Irak reaktionär?
1. Ist der Kapitalismus nur ein Teil der Unterdrückungsverhältnisse?

Der Kapitalismus ist nicht „nur ein Teil der Verhältnisse“ [1], er schafft diese Unterdrückungsverhältnisse, wie Sexismus, Rassismus und so weiter immer wieder neu. Es ist nicht entscheidend, ob es auch außerhalb des Kapitalismus Unterdrückungsmechanismen gibt, wir leben im Kapitalismus und entscheidend ist, dass er sie ständig neu gebiert, weil er sie für sein uraltes Konzept „teile und herrsche“ braucht. Wir werden sie niemals los, wenn wir den Kapitalismus nicht loswerden. Der Kampf in Teilbereichen hat seinen Sinn – seine politische Perspektive nur dann, wenn in ihm ein Bewusstsein und eine Praxis stecken, die immer das Gesamte im Blick hat. Alles andere ist entweder Illusion oder linke Sozio-Kultur. Innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft ist jeder humanistische Fortschritt, jeder kollektive emanzipative Schritt, der Opportunität des Systems unterworfen und jederzeit rücknehmbar. Im letzten Jahrhundert ist das allein in der deutschen Geschichte schon ablesbar: Weimarer Republik, dann Faschismus, der alles erledigte was zuvor an Freiheiten erkämpft wurde, danach auf der einen Seite die DDR mit ihrem Sozialismusversuch, auf der anderen Seite die kapitalistische Kontinuität, Postfaschismus, dann die 68er Rebellion, die wieder Räume erkämpfte, jetzt seit mehr als zehn Jahren wieder die Verdichtung, das Rollback, die völlige Verwertung, Besetzung und Kontrolle. So ist trotz der Frauenbewegung der Sexismus immer noch gesellschaftsfähig und hat sich verbrecherisch etabliert und ausgeweitet – ein Beispiel dafür ist der Frauenhandel. Der Rassismus ist institutionalisiert und abrufbar. Noch mal: Der Kapitalismus ist das Treibhaus aller Unmenschlichkeiten. Nicht die alleinige Geburtsstätte. Es gibt in ihm keine Möglichkeit für die kollektive/gesellschaftliche Überwindung der archaischen Unmenschlichkeiten. Und darum geht es. Nicht darum, was das einzelne Individuum oder eine kleine Schicht für sich zu erreichen in der Lage ist.


2. Imperialismus oder Globalisierung?

Wie ist die kriegerische Zerstörung der ökonomischen und kulturellen Grundlagen des Trikonts durch die Zentren zum Zwecke der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und der Arbeitskräfte anders zu nennen als Imperialismus!

Das gesellschaftliche Prinzip des Kapitalismus ist Konkurrenz. Sein Grundgesetz ist, dass der durch Ausbeutung erpresste Profit in neue Produktion investiert wird zur Erzeugung höheren Profits. Das verlangt die ständige Eroberung neuer Märkte, die Konzentration von Kapital und Produktion, Fusionen und feindliche Übernahmen von Konkurrenten, die Verschmelzung der Banken mit dem Industriekapital, bis hin zur Schaffung der Multis – der ganze ökonomische Ausdruck, den wir hier nicht näher beschreiben wollen. In diesem Rahmen vollzieht sich die Politik: Innenpolitisch in der Ausbalancierung der Widersprüche und der Unterdrückung des Widerstandes, außenpolitisch als Ausweitung von Macht durch ökonomische Erpressung und nötigenfalls mit Krieg.

Die Einverleibung ganzer Kontinente durch heutige Industriestaaten hat im sechzehnten Jahrhundert mit der Kolonisierung begonnen, wurde einige Jahrzehnte lang durch die Oktoberrevolution und die nachfolgende Blockbildung des Sozialistischen Lagers gebremst, um nach dessen Zerfall mit entfesselter krimineller Energie nach dem Rest der Welt zu greifen. Der „Rest“, das sind nicht nur die Territorien des ehemaligen sozialistischen Lagers, das sind alle Ressourcen der Welt und das sind die staatlichen Dienstleistungen: Bildung, Gesundheit, Wasserversorgung.

Der Krieg und seine propagandistische Maskierung ist schon immer das erste und letzte Mittel der imperialistischen Mächte gewesen. Die Einverleibung ist von jeher mit Heilsbringung legitimiert worden. Zuerst war es das „Christentum“, dann die „Demokratie“, jetzt die „Menschenrechte“. Der Widerstand wird immer von „Barbaren“ geführt. Die mächtigsten imperialistischen Blöcke treiben heute die Ausbeutung der Welt voran. Hier in Konkurrenz, da gemeinsam. Die Gemeinsamkeiten liegen vor allem in der Bekämpfung des Widerstands gegen ihre Pläne. Und gemeinsam ist ihnen die Meinung, dass die Welt ihnen gehört. Die USA geben seit dem ersten Weltkrieg ökonomisch, seit dem zweiten militärisch und politisch den schmutzigen Ton an. Europa konsolidierte seine militärische und ökonomische Macht im profitablen Windschatten der USA und hat mittlerweile das ökonomische Potential der USA übertroffen.

Die Traditionslinien der imperialistischen Interessen Deutschlands/Europas, und der USA können wir hunderte Jahre zurückverfolgen, ausgehend von den heutigen Brennpunkten und Kriegen. Warum soll das plötzlich nicht mehr Imperialismus, sondern Globalisierung sein. Unser Kampf kann nur ein antiimperialistischer sein. [2]

Die USA sind kein „Synonym für Unterdrückungsmechanismen“ [3], die funktionieren in allen kapitalistischen Gesellschaften ähnlich umfassend, hier subtiler, da brutaler. Der US-Imperialismus treibt eine am Ende zerstörerische Perspektive für die Menschen und ihre Umwelt brutaler vorwärts, als jede andere imperialistische Macht. Weil sie noch die Stärksten sind.

Die Herrschenden tragen ihre sinnentleerte Lebensphilosophie von der Freiheit der Ware in jeden Winkel der Welt. Ihre Mittel und Methoden sind Korrumpierung, Betrug, Raub, Krieg und Folter. Ohne irgendwelche Bemäntelung proklamieren sie die Vernichtung jeden Widerstandes gegen ihre Pläne der weltweiten Ausbeutung und reden dabei vom „Kampf gegen den Terrorismus“.

Der G8-Gipfel ist das Treffen der Imperialisten, auf dem das Zusammenspiel der Rollen – einschließlich der Konkurrenzen – ausbaldowert wird. Sie besprechen die Reibungslosigkeit ihrer imperialistischen Strategien, handeln ihre Anteile an der Ausbeutung der Welt und ihre Anteile bei der Unterdrückung des Widerstands aus. Sie sind keine „Global Player“, keine „Globalisierer“, sondern die schamlose imperialistische Führungsbagage.

Die neoliberale Ideologie und Praxis bringt keine „Globalisierung“ hervor, sondern mit konkreten Programmen schafft sie neue Erscheinungsformen von Abhängigkeitsverhältnissen. Das ist Neokolonialismus. Sie schafft neue Formen der Beherrschung, der Sklaverei und des Rassismus. Zum Beispiel ist eine Arbeit im Bereich der Migration nur dann sinnvoll, wenn ihre Ursache, das heißt der Imperialismus, bekämpft wird.

„Globalisierung“ ist eine Bezeichnung, die mit einem Pokerface daherkommt und harmlos tut. Sie legt dem kapitalistischen Unterwerfungsprozess einen Mantel über, unter dem die konkreten Machenschaften verschwinden sollen, damit alles ganz zwangsläufig und alternativlos aussieht. Ein Begriff aus den neoliberalen Denkfabriken – in die Linke transportiert durch die NGOs. Die ideologischen Strategien des Gegners zielen immer erst auf die Neutralisierung und Entschärfung von Eindeutigkeit. Auf die Umwandlung von Begriffen mit geschichtlicher Erfahrung in leere Hüllen.

Wieso sollen wir uns diese Hülle aneignen! Dass dieser Begriff auch im „linksradikalen“ Spektrum verteidigt wird, zeigt das Ausmaß des Verfalls von kritischem Denken. Es gibt auch keine „Globalisierung von unten“ [4]. Es gibt nur den Widerstand von unten, der sich organisiert, vernetzt und vielleicht lernt miteinander zu kämpfen. Alles andere ist modernistische Nachquatscherei, unerkannt geschluckter Herrschaftsschleim.


3. Emanzipation als ideologischer Standort und ideologisches Maß?

„Selbstbestimmung ist nicht nur ein fernes Ziel, sondern zentrale Voraussetzung politischer Aktivität“ [5]. Welch fatale Illusion: die privilegierten Räume für die Bewusstseinsbildung hier in den kapitalistischen reichen Zentren für eine Voraussetzung zur Emanzipation zu halten. Wer ist hier frei? Unsere Emanzipation (Selbstbestimmung) ist ein ideologisches Ghetto, eine Pseudofreiheit im Kopf. Unsere Freiheit endet doch an jedem Arbeitsamt, vor jeder Amtsstube, jeder Fabrik, an jeder öffentlichen Kamera, an jeder Bullenhundertschaft, an jedem Bankschalter, vor jedem Gericht und in jedem Supermarkt, der uns Nahrung aufzwingt, von der wir keine Ahnung haben, was drin ist.

Wie „selbstbestimmt“ und „frei“ sind wohl die Individuen in Bolivien, Venezuela, Chiapas, Palästina, Irak, Nepal und so weiter. Ist es nicht eher so, dass die zentrale Voraussetzung für politische Aktivitäten – wir sagen lieber die Voraussetzung zum kämpfen – das Bewusstsein von Unterdrückung ist und dass gerade dieses Bewusstsein hier bei uns fehlt und stattdessen eine elitäre Ideologie Fuß gefasst hat, die in ihrem Wesen nur auf ihre eigenen Prozesse und Diskurse schaut?

Mit welchem Recht werden diese Prozesse für universal gehalten und hegemonial in Beziehung gesetzt zu den Realitäten anderer, weit entscheidenderer Prozesse?

Die Vision einer befreiten Gesellschaft, in der dem Individuum alle Möglichkeiten seiner Emanzipation offen stehen, ist eine Sache. Eine andere Sache ist, anzunehmen, diese Vision sei nur realisierbar über Ansätze/Konzepte, die sich im Wesentlichen im europäischen Diskurs entwickelt haben, und die nicht den tatsächlichen Kämpfen in der Welt entsprechen.

Es gab ja vielfältige Ansätze: das Avantgardekonzept, die zentralistischen Parteistrukturen und Staatssozialismus, die nationalen Befreiungsbewegungen, die Guerilla in den kapitalistischen Ländern. Es gab den basisdemokratischen Ansatz bei den spanischen Anarchisten, bei den Räten, es gab große militante Massenbewegungen et cetera ... Alles falsch? Und nur noch der Distanzierung wert? Was ist das für ein Bewusstsein! Die Geschichte der Befreiung ist keine Wegwerfgeschichte. Das alles sind unsere Wurzeln. Was wir uns an Bewusstsein angeeignet haben kommt aus diesen Kämpfen. Es werden nach wie vor in der Welt heftige Kämpfe nach diesen Konzepten ausgefochten (Baskenland, Kurdistan, Kolumbien, Nepal, Palästina ...). Wir haben keinen Grund, ihnen die Solidarität aufzukündigen.


4. Sind nationale Befreiungsbewegungen reaktionär und nicht mehr solidaritätswürdig?

Kommen wir noch mal zu der unsäglichen Geschichtslosigkeit, die sich nach 1989 wie ein schleichendes Gift der Linken bemächtigt hat. Mit zwei Sätzen werden – schwupp – die nationalen Befreiungsbewegungen aus der Geschichte der Befreiung – in der unsere Geschichte ja nur ein kleiner Ausschnitt ist – herauskritisiert. Die mehr als dreißig Jahre lange internationalistische Arbeit und Solidarität sowohl der BRD-Linken, als auch der DDR, wird mit all ihren Facetten in die Tonne getreten. Weil „wie der Name [nationale Befreiungsbewegung] schon sagt, sie auf ausschließenden Prinzipien aufbauen und die gleichen Strukturen reproduzieren“ [6]. Hier ist wieder dieser Blick, der sowohl die historischen, als auch die gegenwärtigen Prozesse in der Welt mit einem Bewusstsein erfasst, das sich im privilegierten Ghetto linker Debatten deutsch/europäischer Herkunft herausgebildet hat. Hier würden wir den bösen Vorwurf „eurozentristisch“ aussprechen.

Dass in der bürgerlichen Herrschaft die eigene Nation stets ein ausschließendes Projekt ist, ist eine Binsenweisheit. Der Prozess der nationalen Befreiungen ist in der Geschichte aber eine historische Realität. Für die vom Kolonialismus ausgebeuteten Menschen war – und ist – der durch die Kolonisatoren gegründete und dominierte Nationalstaat der nahe liegende und zwangsläufige Bezugspunkt ihrer Kämpfe um Befreiung. Oder sollen die Bewegungen in Mexiko, Nepal oder sonst wo in der Welt gemeinsam gegen das nebulöse Empire antreten?

Eine Bevölkerung, die in ihrem eigenen Territorium besetzt und unterdrückt ist und für die keine anderen Werte als die der Kolonialisten gelten dürfen, vollbringt einen Akt der Emanzipation, wenn sie sich befreit. Die Befreiungsbewegung ist das Subjekt, das diesen Akt vorwärts treibt, indem sie organisiert gegen die Herrschaft kämpft. Das ist objektiv so, und völlig unabhängig davon, wie diese Befreiungsbewegung strukturiert und organisiert ist. Natürlich wird der Befreiungsprozess nicht von einem kollektiven Subjekt (einer Klasse) allein geführt, allerdings ist der geschichtliche Impuls für den Prozess sehr wohl abhängig von einem konkreten revolutionären Subjekt. Einem kollektiven revolutionären Subjekt, das im bestimmten Moment beginnt, die Machtfrage zu stellen.

Wer will widerlegen, dass die Befreiungsbewegungen im Trikont, einen Weg zur Entkolonisierung geöffnet haben, dass sie die scheinbar gottgegebenen Unterdrückungsverhältnisse zum Tanzen gebracht und dann zunächst zu ihren Gunsten verändert haben. Es gibt keine nationale Befreiungsbewegung mit der wir solidarisch waren, die nicht die universellen Ideale von der Befreiung des Menschen von Ausbeutung als Perspektive hatte. Nicht umsonst haben sie die Linken in Europa inspiriert. Die Organisierung von Widerstand im nationalen Rahmen ging im 20. Jahrhundert keineswegs mit nationalistischen – im Sinne von chauvinistischen, ausschließenden – Ideologien einher. Weder in Lateinamerika, noch in Afrika. Selbst heute sprechen die Zapatisten von nationaler Befreiung (EZLN). Will sie jemand als nationalistisch oder ausschließend verleumden, beziehungsweise ihre emanzipatorische Bedeutung in der Region wegkritisieren?

Die heutigen Deformierungen (Korruption, Rückschritt, Aufgabe alternativer/antikapitalistischer Konzepte) bei nahezu allen einstmals emanzipatorischen Bewegungen und Organisationen, kann ihre geschichtliche Rolle als emanzipatorischen Impuls in einer ganz bestimmten weltpolitischen Kräftekonstellation des 20. Jahrhunderts nicht auslöschen. Die Geschichte aus der heutigen Deformierung wahrzunehmen ist zwar ein Trend, aber es ist dumm.

Wer die einfache Erklärung für diesen Niedergang in den politischen und organisatorischen „Fehlern“ findet, macht sich keinen Begriff von der komplexen Macht und der komplexen Erfahrung des Systems – in hunderten von Jahren gesammelt und perfektioniert – mit der Widerstand zerschlagen, Alternativen verhindert, aufgelöst oder integriert werden.

Und schauen wir doch hier in Europa in den Spiegel: die gesamte Linke, die radikale ausdrücklich eingeschlossen, ist dem eigenen Deformierungsprozess nicht entkommen. Und das Problem ist: weil die Deformierung hier über die Enteignung von Bewusstsein und Geschichte läuft, kann sie es nicht mal reflektieren.

Es ist politisch unverantwortlich, den Widerstand der nationalen Befreiungsbewegungen, der sich auf linke und demokratische Inhalte bezieht, zu diskreditieren und jede Solidarität als politisch anrüchig zu verwerfen. Der Begriff „national“ wird in anderen Ländern von linken und fortschrittlichen Kräften inhaltlich anders gefüllt, als wir es mit der speziellen chauvinistischen und faschistischen deutschen, und der europäischen kolonialistischen Geschichte tun. Die sozialen Massenbewegungen zum Beispiel in Bolivien und Venezuela haben dazu ein ganz anderes Verhältnis.

Unverantwortlich deshalb, weil erstens damit auch den reaktionären und religiösen Kräften, die durch den entfesselten Kampf um Profite nach dem Zerfall des sozialistischen Lagers auf die politische Bühne gespült wurden, die Räume überlassen werden. Zweitens, weil damit die staatliche Definition „Terrorismus“ und die imperialistischen Programme für „den Kampf gegen den Terrorismus“ implizit legitimiert werden.


5. Sind die gegenwärtigen Kämpfe in Palästina und Irak reaktionär?

Und da sind wir jetzt bei dem, worum es heute geht: Die teilweise Unübersichtlichkeit der heutigen militärischen Kämpfe gegen Besatzung, Unterwerfung, soziale und kulturelle Auslöschung, Feudalismus, neokoloniale Ausplünderung. Also konkret: Die Kämpfe in Palästina/Israel, Irak, Kolumbien, Nepal, Kurdistan, Baskenland.

Dazu zitieren wir einen Auszug aus einer Rede [7] von Arundhati Roy:

„Der irakische Widerstand kämpft auf der Frontlinie des Kampfes gegen das Imperium. Und daher ist dieser Kampf unser Kampf.

Wie jede Widerstandsbewegung vereinigt diese bunt zusammen gewürfelte Fraktion frühere BaathistInnen, Liberale, IslamistInnen, beleidigte Kollaborateure, KommunistInnen, und andere. Selbstverständlich ist sie voll von Opportunismus, inneren Streitigkeiten, Demagogie und Kriminalität. Aber wenn wir nur makellose Bewegungen unterstützen, dann wird keine Widerstandsbewegung unserer moralischen Reinheit würdig sein.

Das soll nicht heißen, dass wir Widerstandsbewegungen nicht kritisieren sollen. Viele von ihnen leiden an einem Demokratiemangel, an einer Verherrlichung ihrer „Führer“, einem Mangel an Transparenz, einem Mangel an Vision und Zielrichtung. Aber am meisten leiden sie an ihrer Verteufelung, Unterdrückung und einem Mangel an Ressourcen.

Bevor wir vorgeben wie ein moralisch hochwertiger irakischer Widerstand seinen weltlichen, feministischen, demokratischen, gewaltfreien Kampf zu führen hat, sollten wir den Widerstand auf unserer Seite verstärken, und die USA, sowie die mit ihr verbündeten Staaten, dazu zwingen sich aus dem Irak zurückzuziehen.

In den Vereinigten Staaten fand die erste militante Konfrontation zwischen der Bewegung für weltweite Gerechtigkeit und der neoliberalen Junta, wie gut bekannt ist, im September 1999 bei der WTO-Konferenz in Seattle statt. Für viele Massenbewegungen in Entwicklungsländern, wo sie schon seit langem einsam und isoliert gekämpft hatten, war Seattle das erste erfreuliche Zeichen, dass ihr Zorn und ihre Vision für eine andere Art von Welt, von Menschen in den imperialistischen Ländern geteilt wird.“

Alle gegenwärtigen antiimperialistischen Kämpfe beinhalten sowohl emanzipative als auch reaktionäre Momente. Das ist ja nichts Neues, die Geschichte kennt es gar nicht anders. Es hängt doch auch von den unterstützenden Kräften ab, welche Momente erstarken und eine fortschrittliche Perspektive einleiten können. Es ist ja kein Zufall, dass die reaktionären und religiösen Kräfte nach dem Zerfall des sozialistischen Lagers überall die Felder besetzten, die von den Linken verlassen wurden. Diese reaktionären Kräfte waren bis dahin immer die heimlichen Verbündeten der imperialistischen Politiker gewesen. Dass sie jetzt ein Teil des Widerstands gegen die imperialistische Besatzung sind, ist eine Realität, die uns nicht gefällt, die aber nicht den Widerstand grundsätzlich delegitimiert.

Ein reaktionäres Regime wie im Irak, das den Interessen der Besatzer dient, das die Sharia wieder einführt, die Ressourcen des Landes plündern lässt, jedem US-Soldaten und Heerscharen von Söldnern privater Konzerne das Recht zu morden, zu foltern, zur Freiheitsberaubung gibt, hat keinerlei Legitimität. Das Recht zum Widerstand dagegen ist selbst nach dem Völkerrecht verbrieft. Wir müssen die fortschrittlichen Kräfte des Widerstands moralisch und politisch unterstützen, damit sie in einem von der Besatzung befreiten Irak den fundamentalistischen Kräften bei der Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse nicht unterliegen.

Das gleiche gilt für Palästina. Der Widerstand der PalästinenserInnen gegen die israelische Besatzung wird nicht dadurch illegitim, dass es einen von den deutschen Faschisten zu verantwortenden Holocaust gab.

Wer sagt: wir sind zwar gegen die Besatzung, aber der Widerstand dagegen ist reaktionär, der kann sich sein Lippenbekenntnis gegen die Besatzung sparen.


Schluss

Die PGA-Hallmarks bieten ein breites politisches Fundament, das den verschiedenen Spektren der radikalen Linken, sowohl Handlungseinheit, wie auch Handlungsfreiheit erlaubt. In ihnen sind die wesentlichen Grundlagen linken Bewusstseins enthalten.


Positionspapier vom Gegeninformationsbüro als PDF (93 KB)


Fußnoten:
  1. aus „Unser Nein ist das Ja zum Nichts des Ganzen“ der Inhalte-AG Mannheim-Heidelberg [back]
  2. Mit welchen ineinander greifenden Strategien, welchen Mitteln und Methoden und mit welchen Auswirkungen auf unser Leben die Eroberung und Zerstörung der Welt gegenwärtig betrieben wird können wir in dem Papier der Kölner GenossInnen „Kapital Macht Krieg“ nachlesen [back]
  3. aus „Unser Nein ist das Ja zum Nichts des Ganzen“ der Inhalte-AG Mannheim-Heidelberg [back]
  4. Vorschlag für das Motto der G8-Gegenaktivitäten der Glocal Group (Hanau) [back]
  5. aus „Dissent – dem globalen Kapitalismus entgegentreten“ von der Gruppe Six Hills [back]
  6. aus „Unser Nein ist das Ja zum Nichts des Ganzen“ der Inhalte-AG Mannheim-Heidelberg [back]
  7. gehalten am 16. August 2004 in San Francisco, Kalifornien mit dem Titel „Die Macht der Zivilgesellschaft in einer imperialen Zeit“ [back]
 7. Januar 2006