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Kapital Macht Krieg – die Beherrschung verlieren!
Gegeninformationsbüro 7.
Januar 2006
In Teilen des linksradikalen Spektrums gehört es zum guten Ton, politische
Begriffe wie Kapitalismus, Imperialismus und Internationalismus zu verwischen
oder zu vermeiden und sie unreflektiert durch den neuen Modebegriff „Globalisierung“ zu
ersetzen. Damit geht nicht nur eine inhaltliche Relativierung von realen weltpolitischen
Zusammenhängen einher, sondern auch eine Diffamierung der Linken, die an
diesen Zusammenhängen ihre politische Praxis orientieren.
Wir wollen versuchen einige Argumente/Begriffe, die schon fast standardartig
und nicht mehr hinterfragt innerhalb der Linken kursieren, durch konkrete Sachverhalte
zu definieren. Damit wollen wir die inhaltliche Vorbereitung zum G8-Gipfel schärfen.
Wir beziehen uns dabei auf Papiere, die bereits in der Diskussion sind.
- Ist der Kapitalismus nur ein Teil der Unterdrückungsverhältnisse?
- Imperialismus oder Globalisierung?
- Emanzipation als ideologischer Standort und ideologisches Maß?
- Sind nationale Befreiungsbewegungen reaktionär und nicht mehr solidaritätswürdig?
- Sind die gegenwärtigen Kämpfe in Palästina und Irak reaktionär?
1. Ist der Kapitalismus nur ein Teil der Unterdrückungsverhältnisse?
Der Kapitalismus ist nicht „nur ein Teil der Verhältnisse“ [1],
er schafft diese Unterdrückungsverhältnisse, wie Sexismus, Rassismus
und so weiter immer wieder neu. Es ist nicht entscheidend, ob es auch außerhalb
des Kapitalismus Unterdrückungsmechanismen gibt, wir leben im Kapitalismus
und entscheidend ist, dass er sie ständig neu gebiert, weil er sie für
sein uraltes Konzept „teile und herrsche“ braucht. Wir werden sie
niemals los, wenn wir den Kapitalismus nicht loswerden. Der Kampf in Teilbereichen
hat seinen Sinn – seine politische Perspektive nur dann, wenn in ihm
ein Bewusstsein und eine Praxis stecken, die immer das Gesamte im Blick hat.
Alles andere ist entweder Illusion oder linke Sozio-Kultur. Innerhalb der kapitalistischen
Gesellschaft ist jeder humanistische Fortschritt, jeder kollektive emanzipative
Schritt, der Opportunität des Systems unterworfen und jederzeit rücknehmbar.
Im letzten Jahrhundert ist das allein in der deutschen Geschichte schon ablesbar:
Weimarer Republik, dann Faschismus, der alles erledigte was zuvor an Freiheiten
erkämpft wurde, danach auf der einen Seite die DDR mit ihrem Sozialismusversuch,
auf der anderen Seite die kapitalistische Kontinuität, Postfaschismus, dann
die 68er Rebellion, die wieder Räume erkämpfte, jetzt seit mehr als
zehn Jahren wieder die Verdichtung, das Rollback, die völlige Verwertung,
Besetzung und Kontrolle. So ist trotz der Frauenbewegung der Sexismus immer noch
gesellschaftsfähig und hat sich verbrecherisch etabliert und ausgeweitet – ein
Beispiel dafür ist der Frauenhandel. Der Rassismus ist institutionalisiert
und abrufbar. Noch mal: Der Kapitalismus ist das Treibhaus aller Unmenschlichkeiten.
Nicht die alleinige Geburtsstätte. Es gibt in ihm keine Möglichkeit
für die kollektive/gesellschaftliche Überwindung der archaischen Unmenschlichkeiten.
Und darum geht es. Nicht darum, was das einzelne Individuum oder eine kleine
Schicht für sich zu erreichen in der Lage ist.
2. Imperialismus oder Globalisierung?
Wie ist die kriegerische Zerstörung der ökonomischen und kulturellen
Grundlagen des Trikonts durch die Zentren zum Zwecke der Ausbeutung der natürlichen
Ressourcen und der Arbeitskräfte anders zu nennen als Imperialismus!
Das gesellschaftliche Prinzip des Kapitalismus ist Konkurrenz. Sein Grundgesetz
ist, dass der durch Ausbeutung erpresste Profit in neue Produktion investiert
wird zur Erzeugung höheren Profits. Das verlangt die ständige Eroberung
neuer Märkte, die Konzentration von Kapital und Produktion, Fusionen und
feindliche Übernahmen von Konkurrenten, die Verschmelzung der Banken mit
dem Industriekapital, bis hin zur Schaffung der Multis – der ganze ökonomische
Ausdruck, den wir hier nicht näher beschreiben wollen. In diesem Rahmen
vollzieht sich die Politik: Innenpolitisch in der Ausbalancierung der Widersprüche
und der Unterdrückung des Widerstandes, außenpolitisch als Ausweitung
von Macht durch ökonomische Erpressung und nötigenfalls mit Krieg.
Die Einverleibung ganzer Kontinente durch heutige Industriestaaten hat im sechzehnten
Jahrhundert mit der Kolonisierung begonnen, wurde einige Jahrzehnte lang durch
die Oktoberrevolution und die nachfolgende Blockbildung des Sozialistischen Lagers
gebremst, um nach dessen Zerfall mit entfesselter krimineller Energie nach dem
Rest der Welt zu greifen. Der „Rest“, das sind nicht nur die Territorien
des ehemaligen sozialistischen Lagers, das sind alle Ressourcen der Welt und
das sind die staatlichen Dienstleistungen: Bildung, Gesundheit, Wasserversorgung.
Der Krieg und seine propagandistische Maskierung ist schon immer das erste und
letzte Mittel der imperialistischen Mächte gewesen. Die Einverleibung ist
von jeher mit Heilsbringung legitimiert worden. Zuerst war es das „Christentum“,
dann die „Demokratie“, jetzt die „Menschenrechte“. Der
Widerstand wird immer von „Barbaren“ geführt. Die mächtigsten
imperialistischen Blöcke treiben heute die Ausbeutung der Welt voran. Hier
in Konkurrenz, da gemeinsam. Die Gemeinsamkeiten liegen vor allem in der Bekämpfung
des Widerstands gegen ihre Pläne. Und gemeinsam ist ihnen die Meinung, dass
die Welt ihnen gehört. Die USA geben seit dem ersten Weltkrieg ökonomisch,
seit dem zweiten militärisch und politisch den schmutzigen Ton an. Europa
konsolidierte seine militärische und ökonomische Macht im profitablen
Windschatten der USA und hat mittlerweile das ökonomische Potential der
USA übertroffen.
Die Traditionslinien der imperialistischen Interessen Deutschlands/Europas, und
der USA können wir hunderte Jahre zurückverfolgen, ausgehend von den
heutigen Brennpunkten und Kriegen. Warum soll das plötzlich nicht mehr Imperialismus,
sondern Globalisierung sein. Unser Kampf kann nur ein antiimperialistischer sein. [2]
Die USA sind kein „Synonym für Unterdrückungsmechanismen“ [3],
die funktionieren in allen kapitalistischen Gesellschaften ähnlich umfassend,
hier subtiler, da brutaler. Der US-Imperialismus treibt eine am Ende zerstörerische
Perspektive für die Menschen und ihre Umwelt brutaler vorwärts, als
jede andere imperialistische Macht. Weil sie noch die Stärksten sind.
Die Herrschenden tragen ihre sinnentleerte Lebensphilosophie von der Freiheit
der Ware in jeden Winkel der Welt. Ihre Mittel und Methoden sind Korrumpierung,
Betrug, Raub, Krieg und Folter. Ohne irgendwelche Bemäntelung proklamieren
sie die Vernichtung jeden Widerstandes gegen ihre Pläne der weltweiten Ausbeutung
und reden dabei vom „Kampf gegen den Terrorismus“.
Der G8-Gipfel ist das Treffen der Imperialisten, auf dem das Zusammenspiel der
Rollen – einschließlich der Konkurrenzen – ausbaldowert
wird. Sie besprechen die Reibungslosigkeit ihrer imperialistischen Strategien,
handeln ihre Anteile an der Ausbeutung der Welt und ihre Anteile bei der Unterdrückung
des Widerstands aus. Sie sind keine „Global Player“, keine „Globalisierer“,
sondern die schamlose imperialistische Führungsbagage.
Die neoliberale Ideologie und Praxis bringt keine „Globalisierung“ hervor,
sondern mit konkreten Programmen schafft sie neue Erscheinungsformen von Abhängigkeitsverhältnissen.
Das ist Neokolonialismus. Sie schafft neue Formen der Beherrschung, der Sklaverei
und des Rassismus. Zum Beispiel ist eine Arbeit im Bereich der Migration nur
dann sinnvoll, wenn ihre Ursache, das heißt der Imperialismus, bekämpft
wird.
„Globalisierung“ ist eine Bezeichnung, die mit einem Pokerface daherkommt
und harmlos tut. Sie legt dem kapitalistischen Unterwerfungsprozess einen Mantel über,
unter dem die konkreten Machenschaften verschwinden sollen, damit alles ganz
zwangsläufig und alternativlos aussieht. Ein Begriff aus den neoliberalen
Denkfabriken – in die Linke transportiert durch die NGOs. Die ideologischen
Strategien des Gegners zielen immer erst auf die Neutralisierung und Entschärfung
von Eindeutigkeit. Auf die Umwandlung von Begriffen mit geschichtlicher Erfahrung
in leere Hüllen.
Wieso sollen wir uns diese Hülle aneignen! Dass dieser Begriff auch im „linksradikalen“ Spektrum
verteidigt wird, zeigt das Ausmaß des Verfalls von kritischem Denken. Es
gibt auch keine „Globalisierung von unten“ [4].
Es gibt nur den Widerstand von unten, der sich organisiert, vernetzt und vielleicht
lernt miteinander zu kämpfen. Alles andere ist modernistische Nachquatscherei,
unerkannt geschluckter Herrschaftsschleim.
3. Emanzipation als ideologischer Standort und ideologisches
Maß?
„Selbstbestimmung ist nicht nur ein fernes Ziel, sondern zentrale Voraussetzung
politischer Aktivität“ [5].
Welch fatale Illusion: die privilegierten Räume für die Bewusstseinsbildung
hier in den kapitalistischen reichen Zentren für eine Voraussetzung zur
Emanzipation zu halten. Wer ist hier frei? Unsere Emanzipation (Selbstbestimmung)
ist ein ideologisches Ghetto, eine Pseudofreiheit im Kopf. Unsere Freiheit endet
doch an jedem Arbeitsamt, vor jeder Amtsstube, jeder Fabrik, an jeder öffentlichen
Kamera, an jeder Bullenhundertschaft, an jedem Bankschalter, vor jedem Gericht
und in jedem Supermarkt, der uns Nahrung aufzwingt, von der wir keine Ahnung
haben, was drin ist.
Wie „selbstbestimmt“ und „frei“ sind wohl die Individuen
in Bolivien, Venezuela, Chiapas, Palästina, Irak, Nepal und so weiter. Ist
es nicht eher so, dass die zentrale Voraussetzung für politische Aktivitäten – wir
sagen lieber die Voraussetzung zum kämpfen – das Bewusstsein
von Unterdrückung ist und dass gerade dieses Bewusstsein hier bei uns fehlt
und stattdessen eine elitäre Ideologie Fuß gefasst hat, die in ihrem
Wesen nur auf ihre eigenen Prozesse und Diskurse schaut?
Mit welchem Recht werden diese Prozesse für universal gehalten und hegemonial
in Beziehung gesetzt zu den Realitäten anderer, weit entscheidenderer Prozesse?
Die Vision einer befreiten Gesellschaft, in der dem Individuum alle Möglichkeiten
seiner Emanzipation offen stehen, ist eine Sache. Eine andere Sache ist, anzunehmen,
diese Vision sei nur realisierbar über Ansätze/Konzepte, die sich im
Wesentlichen im europäischen Diskurs entwickelt haben, und die nicht den
tatsächlichen Kämpfen in der Welt entsprechen.
Es gab ja vielfältige Ansätze: das Avantgardekonzept, die zentralistischen
Parteistrukturen und Staatssozialismus, die nationalen Befreiungsbewegungen,
die Guerilla in den kapitalistischen Ländern. Es gab den basisdemokratischen
Ansatz bei den spanischen Anarchisten, bei den Räten, es gab große
militante Massenbewegungen et cetera ... Alles falsch? Und nur noch der
Distanzierung wert? Was ist das für ein Bewusstsein! Die Geschichte der
Befreiung ist keine Wegwerfgeschichte. Das alles sind unsere Wurzeln. Was wir
uns an Bewusstsein angeeignet haben kommt aus diesen Kämpfen. Es werden
nach wie vor in der Welt heftige Kämpfe nach diesen Konzepten ausgefochten
(Baskenland, Kurdistan, Kolumbien, Nepal, Palästina ...). Wir haben
keinen Grund, ihnen die Solidarität aufzukündigen.
4. Sind nationale Befreiungsbewegungen reaktionär und nicht mehr solidaritätswürdig?
Kommen wir noch mal zu der unsäglichen Geschichtslosigkeit, die sich nach
1989 wie ein schleichendes Gift der Linken bemächtigt hat. Mit zwei Sätzen
werden – schwupp – die nationalen Befreiungsbewegungen
aus der Geschichte der Befreiung – in der unsere Geschichte ja nur
ein kleiner Ausschnitt ist – herauskritisiert. Die mehr als dreißig
Jahre lange internationalistische Arbeit und Solidarität sowohl der BRD-Linken,
als auch der DDR, wird mit all ihren Facetten in die Tonne getreten. Weil „wie
der Name [nationale Befreiungsbewegung] schon sagt, sie auf ausschließenden
Prinzipien aufbauen und die gleichen Strukturen reproduzieren“ [6].
Hier ist wieder dieser Blick, der sowohl die historischen, als auch die gegenwärtigen
Prozesse in der Welt mit einem Bewusstsein erfasst, das sich im privilegierten
Ghetto linker Debatten deutsch/europäischer Herkunft herausgebildet hat.
Hier würden wir den bösen Vorwurf „eurozentristisch“ aussprechen.
Dass in der bürgerlichen Herrschaft die eigene Nation stets ein ausschließendes
Projekt ist, ist eine Binsenweisheit. Der Prozess der nationalen Befreiungen
ist in der Geschichte aber eine historische Realität. Für die vom Kolonialismus
ausgebeuteten Menschen war – und ist – der durch die Kolonisatoren
gegründete und dominierte Nationalstaat der nahe liegende und zwangsläufige
Bezugspunkt ihrer Kämpfe um Befreiung. Oder sollen die Bewegungen in Mexiko,
Nepal oder sonst wo in der Welt gemeinsam gegen das nebulöse Empire antreten?
Eine Bevölkerung, die in ihrem eigenen Territorium besetzt und unterdrückt
ist und für die keine anderen Werte als die der Kolonialisten gelten dürfen,
vollbringt einen Akt der Emanzipation, wenn sie sich befreit. Die Befreiungsbewegung
ist das Subjekt, das diesen Akt vorwärts treibt, indem sie organisiert gegen
die Herrschaft kämpft. Das ist objektiv so, und völlig unabhängig
davon, wie diese Befreiungsbewegung strukturiert und organisiert ist. Natürlich
wird der Befreiungsprozess nicht von einem kollektiven Subjekt (einer Klasse)
allein geführt, allerdings ist der geschichtliche Impuls für den Prozess
sehr wohl abhängig von einem konkreten revolutionären Subjekt. Einem
kollektiven revolutionären Subjekt, das im bestimmten Moment beginnt, die
Machtfrage zu stellen.
Wer will widerlegen, dass die Befreiungsbewegungen im Trikont, einen Weg zur
Entkolonisierung geöffnet haben, dass sie die scheinbar gottgegebenen Unterdrückungsverhältnisse
zum Tanzen gebracht und dann zunächst zu ihren Gunsten verändert haben.
Es gibt keine nationale Befreiungsbewegung mit der wir solidarisch waren, die
nicht die universellen Ideale von der Befreiung des Menschen von Ausbeutung als
Perspektive hatte. Nicht umsonst haben sie die Linken in Europa inspiriert. Die
Organisierung von Widerstand im nationalen Rahmen ging im 20. Jahrhundert keineswegs
mit nationalistischen – im Sinne von chauvinistischen, ausschließenden – Ideologien
einher. Weder in Lateinamerika, noch in Afrika. Selbst heute sprechen die Zapatisten
von nationaler Befreiung (EZLN). Will sie jemand als nationalistisch oder ausschließend
verleumden, beziehungsweise ihre emanzipatorische Bedeutung in der Region wegkritisieren?
Die heutigen Deformierungen (Korruption, Rückschritt, Aufgabe alternativer/antikapitalistischer
Konzepte) bei nahezu allen einstmals emanzipatorischen Bewegungen und Organisationen,
kann ihre geschichtliche Rolle als emanzipatorischen Impuls in einer ganz bestimmten
weltpolitischen Kräftekonstellation des 20. Jahrhunderts nicht auslöschen.
Die Geschichte aus der heutigen Deformierung wahrzunehmen ist zwar ein Trend,
aber es ist dumm.
Wer die einfache Erklärung für diesen Niedergang in den politischen
und organisatorischen „Fehlern“ findet, macht sich keinen Begriff
von der komplexen Macht und der komplexen Erfahrung des Systems – in
hunderten von Jahren gesammelt und perfektioniert – mit der Widerstand
zerschlagen, Alternativen verhindert, aufgelöst oder integriert werden.
Und schauen wir doch hier in Europa in den Spiegel: die gesamte Linke, die radikale
ausdrücklich eingeschlossen, ist dem eigenen Deformierungsprozess nicht
entkommen. Und das Problem ist: weil die Deformierung hier über die Enteignung
von Bewusstsein und Geschichte läuft, kann sie es nicht mal reflektieren.
Es ist politisch unverantwortlich, den Widerstand der nationalen Befreiungsbewegungen,
der sich auf linke und demokratische Inhalte bezieht, zu diskreditieren und jede
Solidarität als politisch anrüchig zu verwerfen. Der Begriff „national“ wird
in anderen Ländern von linken und fortschrittlichen Kräften inhaltlich
anders gefüllt, als wir es mit der speziellen chauvinistischen und faschistischen
deutschen, und der europäischen kolonialistischen Geschichte tun. Die sozialen
Massenbewegungen zum Beispiel in Bolivien und Venezuela haben dazu ein ganz anderes
Verhältnis.
Unverantwortlich deshalb, weil erstens damit auch den reaktionären und religiösen
Kräften, die durch den entfesselten Kampf um Profite nach dem Zerfall des
sozialistischen Lagers auf die politische Bühne gespült wurden, die
Räume überlassen werden. Zweitens, weil damit die staatliche Definition „Terrorismus“ und
die imperialistischen Programme für „den Kampf gegen den Terrorismus“ implizit
legitimiert werden.
5. Sind die gegenwärtigen Kämpfe in Palästina und Irak reaktionär?
Und da sind wir jetzt bei dem, worum es heute geht: Die teilweise Unübersichtlichkeit
der heutigen militärischen Kämpfe gegen Besatzung, Unterwerfung, soziale
und kulturelle Auslöschung, Feudalismus, neokoloniale Ausplünderung.
Also konkret: Die Kämpfe in Palästina/Israel, Irak, Kolumbien, Nepal,
Kurdistan, Baskenland.
Dazu zitieren wir einen Auszug aus einer Rede [7] von
Arundhati Roy:
„Der irakische Widerstand kämpft auf der Frontlinie des Kampfes
gegen das Imperium. Und daher ist dieser Kampf unser Kampf.
Wie jede Widerstandsbewegung vereinigt diese bunt zusammen gewürfelte Fraktion
frühere BaathistInnen, Liberale, IslamistInnen, beleidigte Kollaborateure,
KommunistInnen, und andere. Selbstverständlich ist sie voll von Opportunismus,
inneren Streitigkeiten, Demagogie und Kriminalität. Aber wenn wir nur makellose
Bewegungen unterstützen, dann wird keine Widerstandsbewegung unserer moralischen
Reinheit würdig sein.
Das soll nicht heißen, dass wir Widerstandsbewegungen nicht kritisieren
sollen. Viele von ihnen leiden an einem Demokratiemangel, an einer Verherrlichung
ihrer „Führer“, einem Mangel an Transparenz, einem Mangel an
Vision und Zielrichtung. Aber am meisten leiden sie an ihrer Verteufelung, Unterdrückung
und einem Mangel an Ressourcen.
Bevor wir vorgeben wie ein moralisch hochwertiger irakischer Widerstand seinen
weltlichen, feministischen, demokratischen, gewaltfreien Kampf zu führen
hat, sollten wir den Widerstand auf unserer Seite verstärken, und die USA,
sowie die mit ihr verbündeten Staaten, dazu zwingen sich aus dem Irak zurückzuziehen.
In den Vereinigten Staaten fand die erste militante Konfrontation zwischen der
Bewegung für weltweite Gerechtigkeit und der neoliberalen Junta, wie gut
bekannt ist, im September 1999 bei der WTO-Konferenz in Seattle statt. Für
viele Massenbewegungen in Entwicklungsländern, wo sie schon seit langem
einsam und isoliert gekämpft hatten, war Seattle das erste erfreuliche Zeichen,
dass ihr Zorn und ihre Vision für eine andere Art von Welt, von Menschen
in den imperialistischen Ländern geteilt wird.“
Alle gegenwärtigen antiimperialistischen Kämpfe beinhalten sowohl emanzipative
als auch reaktionäre Momente. Das ist ja nichts Neues, die Geschichte kennt
es gar nicht anders. Es hängt doch auch von den unterstützenden Kräften
ab, welche Momente erstarken und eine fortschrittliche Perspektive einleiten
können. Es ist ja kein Zufall, dass die reaktionären und religiösen
Kräfte nach dem Zerfall des sozialistischen Lagers überall die Felder
besetzten, die von den Linken verlassen wurden. Diese reaktionären Kräfte
waren bis dahin immer die heimlichen Verbündeten der imperialistischen Politiker
gewesen. Dass sie jetzt ein Teil des Widerstands gegen die imperialistische Besatzung
sind, ist eine Realität, die uns nicht gefällt, die aber nicht den
Widerstand grundsätzlich delegitimiert.
Ein reaktionäres Regime wie im Irak, das den Interessen der Besatzer dient,
das die Sharia wieder einführt, die Ressourcen des Landes plündern
lässt, jedem US-Soldaten und Heerscharen von Söldnern privater Konzerne
das Recht zu morden, zu foltern, zur Freiheitsberaubung gibt, hat keinerlei Legitimität.
Das Recht zum Widerstand dagegen ist selbst nach dem Völkerrecht verbrieft.
Wir müssen die fortschrittlichen Kräfte des Widerstands moralisch und
politisch unterstützen, damit sie in einem von der Besatzung befreiten Irak
den fundamentalistischen Kräften bei der Gestaltung der gesellschaftlichen
Verhältnisse nicht unterliegen.
Das gleiche gilt für Palästina. Der Widerstand der PalästinenserInnen
gegen die israelische Besatzung wird nicht dadurch illegitim, dass es einen von
den deutschen Faschisten zu verantwortenden Holocaust gab.
Wer sagt: wir sind zwar gegen die Besatzung, aber der Widerstand dagegen ist
reaktionär, der kann sich sein Lippenbekenntnis gegen die Besatzung sparen.
Schluss
Die PGA-Hallmarks bieten ein breites politisches Fundament, das den verschiedenen
Spektren der radikalen Linken, sowohl Handlungseinheit, wie auch Handlungsfreiheit
erlaubt. In ihnen sind die wesentlichen Grundlagen linken Bewusstseins enthalten.
Positionspapier
vom Gegeninformationsbüro als PDF (93 KB)
Fußnoten:
- aus „Unser Nein ist das
Ja zum Nichts des Ganzen“ der Inhalte-AG Mannheim-Heidelberg [back]
- Mit welchen ineinander greifenden
Strategien, welchen Mitteln und Methoden und mit welchen Auswirkungen auf unser
Leben die Eroberung und Zerstörung der Welt gegenwärtig betrieben wird
können wir in dem Papier der Kölner GenossInnen „Kapital Macht
Krieg“ nachlesen [back]
- aus „Unser Nein ist das
Ja zum Nichts des Ganzen“ der Inhalte-AG Mannheim-Heidelberg [back]
- Vorschlag für das Motto
der G8-Gegenaktivitäten der Glocal Group (Hanau) [back]
- aus „Dissent – dem
globalen Kapitalismus entgegentreten“ von der Gruppe Six Hills [back]
- aus „Unser Nein ist das
Ja zum Nichts des Ganzen“ der Inhalte-AG Mannheim-Heidelberg [back]
- gehalten am 16. August 2004
in San Francisco, Kalifornien mit dem Titel „Die Macht der Zivilgesellschaft
in einer imperialen Zeit“ [back]
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