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Informationskrieger:
PR-Agenturen im Dienst von multinationalen Konzernen und Lobbyverbänden,
von Regierungen, Militär und Geheimdiensten
hybrid video tracks 1.
Mai 2002
I) Was ist Public Relations?
Public Relations, oder zu deutsch schlicht „Öffentlichkeitsarbeit“,
ist auch hierzulande ein wachsender Dienstleistungsbereich. Immer mehr Unternehmen,
Verbände, Kulturträger und staatliche Organisationen bedienen sich professioneller
Public Relations Agenturen, um ihre Anliegen in die Öffentlichkeit zu transportieren.
Public Relations ist dabei mehr als einfache Werbung für ein Unternehmen,
ein Produkt oder eine Idee. PR beinhaltet vielmehr den Entwurf von umfassenden
Kommunikationsstrategien. Ein beliebig herausgegriffenes Lehrbuch zur Einführung
in Public Relations definiert den Begriff von daher wie folgt:
„PR ist Kommunikationsmanagement, das den Prozess der Meinungsbildung durch den strategisch
geplanten, effizienten und gezielten Einsatz von Kommunikationsmitteln gestaltet.“ [1]
Das hört sich einigermaßen harmlos an. Und in
der Tat stellen sich die verschiedenen Protagonisten dieser Branche am liebsten
als einfache Mittler dar, die nur zu einer demokratischen Informationsvielfalt
beitragen und allein mit nüchternen Sachinformationen eine vernünftige
öffentliche Debatte zu bereichern suchen. Nun, ja ... Auf Seite zwei des
gleichen Lehrbuchs wird man jedenfalls schon etwas deutlicher und schreibt: „Funktionen
von Public Relations sind Imagegestaltung, kontinuierlicher Vertrauenserwerb,
Konfliktmanagement und das Herstellen von gesellschaftlichem Konsens“ [2]
Zentrale Aufgabenfelder von Public Relations sind „Marketing Communications“,
in dem es um die Entwicklung von Produktmarken und deren Image geht (Branding),
sowie „Corporate Communications“, wo Strategien zur Positionierung
und Imagebildung von ganzen Unternehmen entwickelt werden (corporate design).
Zu letzterem gehören Teilbereiche, wie zum Beispiel das „Reputation Management“,
ein Aufgabengebiet, das sich um die öffentliche Wahrnehmung von Unternehmen
dreht und dem es wohl zu verdanken ist, dass sich heute auch noch das letzte Unternehmen
in seiner Außenrepräsentation des Ökologiegedankens bedient.
Zu einem weiteren zentralen Feld von PR, den „Public Affairs“, zählt
sowohl eine klassische Lobbyarbeit in Bezug auf politische Entscheidungsträger
als auch ein generelles „Issue Management“, also die Platzierung und
Gestaltung von bestimmten Themen in den Medien und in der öffentlichen Diskussion,
insbesondere im Vorfeld von regulatorischen bzw. gesetzgeberischen Eingriffen
durch die Politik.
Aufgabe einer PR-Agentur ist es in der Regel, ein für das jeweilige Ziel
geeignetes Kommunikationskonzept zu entwickeln und für dessen Umsetzung zu
sorgen. Ein solches Kommunikationskonzept basiert zumeist auf einer genauen Analyse
der Ausgangslage: den Interessen der verschiedenen Akteure, den vorherrschenden
gesellschaftlichen Einstellungen sowie der zu erwartenden wirtschaftlichen Entwicklung.
Die Kommunikationsstrategie benennt die Marschrichtung der Öffentlichkeitsarbeit
in Bezug auf die verschiedenen Akteure oder Teilöffentlichkeiten. Sie geht
von dem generellen Identitätskonzept oder Image des Auftraggebers aus, legt
die inhaltliche Ausrichtung, die Basisbotschaften, fest und sucht nach geeigneten
Strukturen und Bündnispartnern, die eine erfolgreiche Umsetzung des Auftrags
gewährleisten. Die taktische Umsetzung legt die Mittel fest mit denen auf
die einzelnen Akteure eingewirkt werden soll (zum Beispiel Presseerklärungen, Events
wie Konferenzen- und Kulturveranstaltungen, u.v.m.). Der gesamte Prozess von der
Planung bis zum Abschluss der Kampagne wird schließlich durch Untersuchungen
(durch Meinungsumfragen, Medienanalyse u.ä.) begleitet, die eine Überprüfung
des Erreichten gewährleisten sollen. Natürlich unterscheiden sich die
jeweiligen Kommunikationskonzepte vehement voneinander, je nachdem ob beispielsweise
eine neue Produktmarke auf dem Markt eingeführt oder ob zum Beispiel Einfluss auf
ein bestimmtes Gesetzesvorhaben genommen werden soll.
Ein besonderes Angebot halten zahlreiche PR-Agenturen unter dem Stichwort „Krisenkommunikation“
für ihre Kunden bereit. Ereignisse, wie Unfälle, Streiks oder Boykotterklärungen
können relativ unvermittelt ein Unternehmen nachhaltig schädigen. Häufig
ist dabei der eigentliche Anlass, zum Beispiel der konkrete Störfall, für das
Unternehmen weniger bedrohlich, als sich eine daran anschließende gesellschaftliche
Diskussion.
Aus diesem Grund, so Thomas Buckmaster, Vorsitzender von Hill & Knowlton,
eine der weltweit größten PR-Agenturen, in Bezug auf die Ölkatastrophe
von Exxon-Valdez in Alaska., sei „der Umgang mit der gesellschaftlichen
Empörung wichtiger als die Eindämmung der eigentlichen Umweltkatastrophe“ [3].
In solchen und anderen Krisensituation ist also professionelles
Kommunikationsmanagement gefragt, um gesellschaftliche Konflikte zu entschärfen,
deren Ausgang die Interessen des jeweiligen Auftraggebers gefährden könnte.
Der Bereich der Krisenkommunikation ist dabei kein
randständiges Aufgabenfeld der Public Relations. Im Gegenteil bereits die
Entstehung des Begriffs und die Einrichtung des ersten „Publicity“-Büros
1905 durch die amerikanischen Eisenbahngesellschaften ist eng verknüpft mit
einer Ausrichtung gegen soziale Bewegungen und gegen eine kritische öffentliche
Debatte, in der Schriftsteller und Journalisten jene Eisenbahngesellschaften für
eine Reihe von sozialen Missständen verantwortlich machten. [4]
Kein Wunder also, dass auch heute bereits auf den ersten Seiten eines Lehrheftes
zur Krisenkommunikation der eigentliche Gegner der PR-Profis und ihrer Auftraggeber
unter dem Stichwort „Aktivistengruppen“ ausgemacht wird: „Aktivistengruppen
können in Anlehnung an das Verhalten von Meerestieren nach vier Kategorien
differenziert werden: Haie – führen Kampagnen durch, in denen sie die
Unternehmen willkürlich angreifen und oft die Gesellschaft als ganzes kritisieren.
Ihre Kampagnen sind nicht sehr zielgerichtet und sie ängstigen einzelne Firmen
nur wenig. Seelöwen – sind noch weniger gefährlich für Unternehmen,
weil sie den Hang haben sich nur in „schwache“ Diskussion über
generelle gesellschaftliche Werte einzumischen. Delphine – konzentrieren
sich auf einzelne Themen, kooperieren aktiv, um mit Unternehmen gemeinsame Lösungen
zu finden. Nehmen unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse, die natürlicherweise
zwischen Unternehmen und der Gesellschaft existieren, wahr und verstehen diese;
versuchen, die Unternehmen dabei zu unterstützen, einige Differenzen zu überbrücken.
Orcas – sie isolieren ihre Beute und versuchen, sie öffentlich für
ihre Sünden zu demütigen. Sie wählen symbolische Themen aus und
verwenden in ihren Kampagnen starken Symbolismus.“ [5]
Damit es erst gar nicht zu einer wirklichen Krise kommt,
empfehlen die PR-Agents ihren Kunden eine präventive, regelmäßig
durchzuarbeitende Checkliste mit Fragen wie: „Woher kommt der Druck und
wie kann er dem Unternehmen schaden? Wie gelangen relativ kleine Gruppen an die
Achillesferse von mächtigen Unternehmen? ... Welchen Aktivistenforderungen
gilt es, strategisch Rechnung zu tragen, und welchen kann man sich widersetzen?“ [6]
Um tatsächlich frühzeitig drohende Krisen und Konflikte
zu erkennen wird eine permanente Medienanalyse in Bezug auf das jeweilige Unternehmen
empfohlen. Hierbei ist insbesondere ein regelmäßiger Internet-Check
hilfreich, wo bereits weit im Vorfeld von großen, medienwirksamen Kampagnen
die Diskussionen von gesellschaftlichen Kleinst-Akteuren und Aktivistengruppen
verfolgt werden können.
II) Burson-Marsteller –
Krisenkommunikator und Kommunikationsstrategien für die Bio-Industrien
Burson-Marsteller gilt als das weltweit größte Public Relations Unternehmen.
Unter anderem arbeitete die US-amerikanische PR-Agentur mit über 100
Filialen in allen Kontinenten für die wichtigsten zivilen und militärischen
Atomfirmen in den USA wie AT&T oder McDonnell Douglas. 1979, nach dem Beinahe
GAU des AKW Three Miles Island, entwickelte das PR-Unternehmen die Krisenkommunikationsstrategien
für Babcock-Wilson, dem Betreiber des AKWs. Ebenso wurden die PR-Krisenspezialisten
auch von Union Carbide 1984 nach der Bhopal Katastrophe in Indien sowie von
Exxon 1989 nach der Exxon-Valdez-Ölkatastrophe in Alaska angeheuert. [7]
Einen Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit von Burson-Marsteller
bieten die neuen Bio-Industrien. Als global agierendes PR-Unternehmen hat Burson-Marsteller
jenseits der verschiedenen nationalen Büros ein eigenes internationales Team
von Spezialisten, ein firmeninternes ‚Netzwerk für Biofragen‘ gebildet. Insbesondere
in seiner Tätigkeit innerhalb der Europäischen Union bietet dieses Netzwerk
den Vorteil, über die Einbindung der einzelnen Spezialisten in die jeweiligen
nationalen Filialen länderspezifische Besonderheiten berücksichtigen
und gleichzeitig koordinierte Kampagnen auf gesamteuropäischer Ebene durchführen
zu können.
Einen Einblick in eine solche de/zentrale Kampagne bietet ein vertrauliches Konzeptpapier
von Burson-Marsteller, das 1997 an die Öffentlichkeit gelangte. [8]
Das Papier entwirft eine detaillierte Kommunikationsstrategie für EuropaBio,
einen Zusammenschluss der größten Pharma- und Bioindustrien.
1997 war ein kritisches Jahr für die europäischen Bioindustrien. Auf
EU-Ebene standen neue Gesetze in Bezug auf die Zulassung gentechnisch manipulierter
Lebensmittel auf dem Programm. Die ersten genmanipulierten Saatgüter sollten
den europäischen Landwirten zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig
gab es europaweit zahllose Initiativen und Organisationen, die sich kritisch mit
den neuen Biotechnologien auseinandersetzten. Insgesamt herrschte, wie Burson-Marsteller
feststellen, ein „Klima öffentlichen Misstrauens und Ressentiments
in Verbindung mit der europäischen Markteinführung von genetisch verändertem
Mais und Soja“ und große Teile der Bevölkerung ahnten: „hier
würden der traditionellen europäischen Nahrungskette ... gefährliche
und unnatürliche Bestandteile aufgezwungen, und zwar aus reinen Profitgründen,
gegen den Willen der europäischen Verbraucher.“ Vor diesem Hintergrund
entwirft Burson-Marsteller auf Grundlage von aktuellen Meinungsumfragen eine Kommunikationstrategie
mit dem Ziel in der allgemeinen Öffentlichkeit „die förderliche,
unterstützende Umgebung zu gewährleisten, die Europas Bioindustrien
zur Erzielung globaler Wettbewerbsfähigkeit ... benötigen.“
In einem ersten Schritt analysiert Burson-Marsteller die bisherige Öffentlichkeitsarbeit
von EuropaBio und seinen Vorläuferorganisationen. Die grundsätzliche
Kritik an der bisherigen Kommunikationsstrategie ist relativ einfach: „Um
die gewünschten Wirkungen hinsichtlich der öffentlichen Wahrnehmungen
und Meinungen zu erzeugen, müssen die Bioindustrien aufhören, als ihre
eigenen Fürsprecher aufzutreten.“ EuropaBio sollte sich stattdessen
als eine Art Mediendienstleister begreifen: „EuropaBio muss sich in die
beste und zuverlässigste Quelle von Inspiration und Information über
Biotechnologien/Bioindustrien für Journalisten verwandeln. Mit anderen Worten,
der erste, hilfreichste, prompteste Ansprechpartner für die praktische Hinführung
zu interessanten Geschichten und Persönlichkeiten – ruhig mit kontroversen
Elementen vermischt – ein Lieferant von Material, das Redakteure und die
Leserschaft gleichermaßen zufriedenstellt und keinesfalls als Industriepropaganda
angesehen wird.“
Ausgehend davon, dass die „meisten Reporter und Redakteure ... keine persönliche
Agenda“ haben, ihnen also relativ egal ist, zu welchem Ende hin sie über
Biotechnologien berichten – denn „wie in allen anderen Bereichen,
sind sie vornehmlich damit beschäftigt, verkaufbares Material unter einem
extremen Termindruck zu produzieren“ – gilt es dennoch, einige einfache
Grundregeln zu beachten: „Es ... muss eine Verlagerung von einer sachfragenorientierten
Kommunikation hin zu einer ‚Geschichten‚ gestützten Kommunikation stattfinden. ... Geschichten
über die Produkte (...) müssen sich um Nutzen und Vorteil
drehen, jedoch müssen diese Nutzen personifiziert werden. Geschichten über
Personen üben die größte Anziehung aus.“
Diese Hinwendung zu „positiven“ Geschichten kann allerdings nur gelingen,
wenn die „killing fields“ (die Schlachtfelder) der öffentlichen
Debatte gemieden werden: „Öffentliche Fragen der Risiken für die
Umwelt und Gesundheit des Menschen sind Kommunikations-Schlachtfelder für
die Biotechnologie- Industrien in Europa. Als allgemeine Regel kann nicht erwartet
werden, dass es der Industrie gelingt, in diesen Fragen eine erfolgreiche öffentliche
Verteidigungsstellung den Kritikerstimmen gegenüber zu beziehen. ... Daher
muss das Fernbleiben von diesen Schlachtfeldern eine grundsätzliche Leitlinie
der Kommunikationsstrategie von EuropaBio sein.“ Um die Bevölkerung
von der Unbedenklichkeit der Biotechnologie-Produkte zu überzeugen, schlägt
Burson-Marsteller stattdessen die Einrichtung einer öffentlichen Aufsichtsbehörde
vor. Aber auch das ist nicht ganz unproblematisch, denn „die vorliegenden
Untersuchungen zeigen deutlich, dass Europäer ihren Behörden auf den
Bio-Produkt- Sektoren kein Vertrauen schenken.“ Strategische Zielsetzung
der Kampagne von Burson-Marsteller muss es also sein, die Glaubwürdigkeit
solcher Behörden mit aufzubauen. Logischerweise „sollten positive Aussagen
über die Integrität, Kompetenz und Zuverlässigkeit der Aufsichtsbehörde
nur ... von Akteuren stammen, die nicht von den Entscheidungen dieser Aufsichtsbehörde
abhängig sind.“
In einem zweiten Schritt analysiert Burson-Marsteller, welchen Akteuren aus dem
Agrar-Nahrungsmittel-Sektor (Technologie-Inhaber, Saatgutfirmen, Landwirte, Nahrungsmittelfirmen,
Einzelhandel usw.) überhaupt Vertrauen entgegengebracht wird. „Innerhalb
der Kette verknüpft sich das Vertrauen der Verbraucher ... mit den Produktmarken
und Einzelhandelsmarken; daher sind die beiden Sektoren der Kette die wirkungsvollsten
direkten Kanäle für die Kommunikation mit dem Verbraucher. Im Gegensatz
hierzu zeigt die Forschung, dass die Unternehmen am unteren Ende der Kette (Monsanto,
Ciba, Sandoz, PGS usw.) der Öffentlichkeit so gut wie unbekannt sind –
mit Ausnahme dessen, was die Gegner der Öffentlichkeit in den letzten Monaten
eingeimpft haben, was ausnahmslos angetan ist, um Furcht und Misstrauen zu erzeugen.“
Aus diesem Grund muss sich also die Kampagne vor allen Dingen auf den Einzelhandel
und die Nahrungsmittelfirmen stützen. Burson-Marsteller plädiert aus
strategischen Überlegungen dafür, die in der Politik debattierte Kennzeichnungspflicht
für gentechnisch veränderte Nahrungsmittel zu akzeptieren. Diese Transparenz
ist notwendig, denn „die Öffentlichkeit muss sehen, dass sie eine Wahl
hat. ... Ein solcher Aspekt in sich kann viel dazu beitragen, die Gefühle
von Machtlosigkeit zu entschärfen, die in einem erheblichen Ausmaß
für das gegenwärtige Klima von Ressentiment und Ablehnung verantwortlich
sind.“ Erst wenn die europäischen Bioindustrien die ihren Interessen
scheinbar zuwiderlaufende Kennzeichnungspflicht akzeptieren, kann überhaupt
mit dem Aufbau einer „positiven“ Argumentation begonnen werden. Nur
worauf soll sich eine anschließende positive Imagekampagne beziehen? Taugt
vielleicht die Behauptung, gentechnologisch veränderte Nahrungsmittel verringern
den Hunger in der so genannten 3. Welt, zu einer positiven Werbekampagne? Nein,
eine weitere wissenschaftliche Meinungsforschungsstudie bietet auch hier verlässliche
Hilfe, denn schließlich „weisen jüngste Erhebungen darauf hin,
dass Europäer weniger auf das Argument ansprechen, diese neuen Agrartechnologien
würden den Unterernährten und noch ungeborenen Generationen in anderen
Teilen der Welt helfen. In unseren entwickelten Gesellschaften, die durch Überfluss
und Übersättigung gekennzeichnet sind, wird dieser Nutzen nicht so hoch
geschätzt wie die Vorteile hinsichtlich der Umweltverträglichkeit und
sollte daher nicht als Schwerpunkt einer entsprechenden Medienkampagne rangieren.“
Stattdessen, so eine weitere Untersuchung, „zeigen sich viele Europäer
im allgemeinen aufgeschlossen, wenn sie darüber informiert werden, dass die
neuen Sorten den Einsatz von chemischen Spritzmitteln in der Landwirtschaft verringern
können.“
Das ist es! Die Einführung der neuen gentechnologisch veränderten Nahrungsmittel
ist „eine von ethischen Überlegungen geleitete Reaktion auf ein echtes
Umweltproblem, dass den Verbrauchern auch wirklich am Herzen liegt.“ Die
Autoren des Strategiepapiers sind auf einmal wirklich begeistert: „Wir würden
sogar soweit gehen und die Überlegung anstellen, ob Einzelhändler und
Nahrungsmittelfirmen nicht sofort ankündigen sollten, dass ihre Politik durch
diese grundlegenden umweltrelevanten Kriterien größtenteils geleitet
wird und sie zur Verwendung der Produkte dieser Klasse bewogen hat (sobald das
Zertifikat der Unbedenklichkeit von kompetenten Zulassungsbehörden erteilt
wird). ... Ab diesem Punkt würde die Verwendung der entsprechenden Bestandteile
und Inhaltstoffe das Vertrauen der Verbraucher in Markenprodukte nicht mehr erschüttern
und die Kennzeichnung würde zu einer rein akademischen Frage geraten.“
Natürlich muss eine solche Kampagne die regionalen Besonderheiten berücksichtigen.
„Diese ‚Lokalisierung‘ der Geschichten und Berichterstattung ist unerlässlich. ...
In Spanien sind zum Beispiel Fragen der Wasserverschmutzung eine der sehr wenigen
Umweltprobleme, für die sich die Mehrheit der Spanier interessiert. Die hohe
Empfänglichkeit für diese Fragen ist im besonderen auf die historische
Wasserknappheit zurückzuführen. ... Eine solche spezifische Position
wäre aber weniger relevant in einem Land wie Irland, in dem Wasser beinah
unbegrenzt zur Verfügung steht.“
Elementare Voraussetzung einer solchen Kampagne ist desweiteren „die Identifizierung ...
von Drittparteien, die bereit sind als Fürsprecher aufzutreten und zu
der jeweiligen Geschichte ... beizutragen.“ Erst wenn solche, scheinbar
unabhängigen Fürsprecher gefunden sind, kann mit der Medienplatzierung
begonnen werden. „Der typische Medienmix wird eine Auswahl aus der Fachpresse
sowie aus lokalen, regionalen und nationalen Medien sein, einschließlich
Printmedien, Rundfunk und Fernsehen.“ Dabei wird ausführlich beschrieben,
wie die lokal platzierten Geschichten als Bündel zusammengefasst werden,
um so „frische nationale Berichterstattung zu generieren“. Höhepunkt
der Kampagne bildet schließlich ein europäischer Bioindustrie-Kongress
„mit allen Journalisten, die eine positive Berichterstattung ... geliefert
haben.“ Natürlich ist ein solcher Kongress ein überwältigender
Erfolg, wie dem Abschnitt „Nachfolgeaktivitäten zum Kongress“
bereits zu entnehmen ist: „Pressemitteilung herausgeben mit Tenor ‚gewaltige
Resonanz auf Kongress‘, ... ‚Kongress verweist auf gigantisches
Wachstumspotential der Biotechnologien in unserer Region‘ sagt Bürgermeister
Sound- So, etc. ...“
Insgesamt belegt dieses Strategie-Papier eindrücklich, die charakteristische
Vorgehensweise der PR-Branche, in der auf Grundlage einer umfassenden Meinungsforschung
detailliert analysiert wird, mit welchen Argumenten und Strategien die öffentliche
Meinung im Sinne der Auftraggeber verändert werden kann. Dabei steht natürlich
nicht die Stichhaltigkeit des einzelnen Arguments im Vordergrund, sondern allein
seine Wirksamkeit.
Wie zahlreiche andere PR-Agenturen
arbeitet Burson-Marsteller nicht nur für private Unternehmen oder Lobbyverbände,
sondern auch für öffentliche Auftraggeber. 1980 versuchte die PR-Firma
so zum Beispiel im Auftrag der argentinischen Militärdiktatur Investoren in das Land
zu locken. „Wir arbeiten für glasklare geschäftliche und wirtschaftliche
Ziele allein im Wirtschaftssektor“, so Harald Burson, Direktor von Burson-Marsteller,
zu diesem damals umstrittenen Engagement: „Wir haben nichts mit all diesen
Dingen zu tun, die man in der Zeitung über Argentinien in Bezug auf die Menschenrechte
und andere Aktivitäten liest.“ [9]
Natürlich hat eine PR-Firma mit der Frage nach Menschenrechten doch nur dann
etwas zu tun, wenn sie auch dafür bezahlt wird: zum Beispiel von Süd-Korea,
das 1988 Burson-Marsteller engagierte, um während der dortigen Olympiade
der Weltöffentlichkeit ein auch in Bezug auf die Menschenrechte sauberes
Image präsentieren zu können. Oder das rumänische Ceaucesco-Regime,
das Burson-Marsteller noch kurz vor der rumänischen Revolution als Kunde
akquirieren konnte. Selbst vor der Zusammenarbeit mit Geheimdiensten und der Unterstützung
eines verdeckten Krieges schreckte Burson-Marsteller nicht zurück. Über
die Tochterfirma The Brook Group arbeiteten die PR-Profis Mitte der achtziger
Jahre eng mit dem CIA zusammen, um eine Propaganda-Strategie für den Contra-Krieg
in Nicaragua zu entwerfen. [10]
III) The Rendon Group und das Office of Strategic Influence
„Ich bin ein Informationskrieger“ [11], mit diesen Worten beschrieb
sich 1998 John W. Rendon, dessen Public Relations-Agentur „The Rendon Group“
im Oktober 2001 vom US-amerikanischen Verteidigungsministerium engagiert wurde,
um das Image der USA in der muslimischen Welt zu verbessern. Das Engagement der
Rendon Group entsprang der Befürchtung des Pentagons, den sog. „war
on terrorism“ an der PR-Front zu verlieren: Bilder ziviler Bombenopfer in
Afghanistan könnten das ohnehin negative Image der USA in der islamischen
Welt weiter verschlechtern. [12]
Zu den konkreten Aufgaben der Rendon Group gehört es, u.a. die Nachrichten
aus 79 Ländern bezüglich des „war on terrorismus“ und des
USA-Bildes auszuwerten sowie Strategien zu entwickeln, wie das US-Militär
Desinformationskampagnen begegnen und sein Image verbessern kann. Darüber
hinaus soll Rendon gezielt öffentliche Meinungsmacher und Multiplikatoren
im Interesse des Pentagon bearbeiten und eine eigene Internetseite aufbauen, die
den Krieg gegen den Terrorismus erläutert. [13]
Für seine Tätigkeit in den ersten vier Monaten erhielt
die Rendon Group 397 000 Dollar. [14] Der Vertrag enthielt einen
vertraulichen Anhang, der bislang weder von Rendon selbst, noch vom Pentagon kommentiert
wurde. [15] Zu vermuten ist allerdings, dass hier Details über
eine Kooperation zwischen der Rendon-Group und dem Office of Strategic Influence
(OSI) festgeschrieben wurden. Die Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Institutionen
gelang im Rahmen der Debatte um die Tätigkeit des OSI an die Öffentlichkeit.
Ausgangspunkt des Skandals um die Tätigkeit des im Herbst 2001 eingerichteten
„Büros für strategische Beeinflussung“ bildete ein Artikel
der New York Times vom 19. Februar 2002. [16] Zentrales Aufgabengebiet
des OSI sei es demnach gewesen, gezielt Falschmeldungen auch in verbündeten
Staaten zu lancieren. Da das Pentagon, dem das OSI angegliedert war, nicht als
Urheber der Nachrichten in Erscheinung treten durfte, sei die konkrete Arbeit
an das private PR-Unternehmen Rendon ausgegliedert worden. Laut Brigadegeneral
Worden, Leiter des OSI, ging es darum „inaccurate or misleading information“ [17]
beispielsweise über die Verbreitung von Presseerklärungen
mit gefälschten Absendern per e-mail an ausländische Presseagenturen
zu streuen.
„Inaccurate or misleading information“
meint dabei Nachrichten, in denen Wahrheit und Lüge so vermengt werden, das
letztere nicht mehr auffällt. Darüber hinaus zirkulierten im Pentagon
geheimgehaltene Anweisungen, wonach es Aufgabe des OSI sei, Wege zu finden, ausländische
Journalisten, dazu zu „zwingen“, die richtigen Meldungen zu lancieren,
sowie diejenigen zu „bestrafen“, die gegen die Interessen der USA
Nachrichten verbreiteten. [18]
Die öffentliche Debatte um die Tätigkeit des OSI führte innerhalb
von wenigen Tagen zur Schließung des Büros. Der Grund hierfür
lag weniger darin, dass sich das Pentagon von den Taktiken eines „information
wars“ verabschiedet hätte, sondern „das Büro ist so beschädigt
worden“, wie Verteidigungsminister Rumsfeld feststellte, „dass es
nicht mehr effektiv funktionieren kann.“ [19] Nicht nur
Rumsfelds Ankündigung, das Pentagon werde auch weiterhin alles daran setzen,
in Übersee seine „Message rüber zu bringen“, lässt
darauf schließen, dass die Tätigkeit des OSI durch andere Pentagon-Abteilungen
übernommen wurde, auch die Tatsache, dass die Rendon Group seine Tätigkeit
im Auftrag des Verteidigungsministerium für monatlich rund 100 000 Dollar
fortsetzt, spricht für diese Annahme. [20]
Die Rendon Group kann dabei bereits auf einige Erfahrung in der Zusammenarbeit
mit dem Pentagon und CIA verweisen. Die nach seiner Tätigkeit für die
Wiederwahlkampagne von Jimmy Carter 1980 von John Rendon gegründete PR-Agentur
wurde laut CIA 1989 engagiert, um die Wahlkampagne von Guillermo Endara in Panama
zu unterstützen, der gegen den in Misskredit gefallenen General Noriega antrat.
Rendon baute das Image Endaras als legitimen Volksvertreter auf, der gegen einen
skrupellosen Diktator antritt und bereitete so – nach der Niederlage Endaras
– die US-amerikanische Invasion Panamas im selben Jahr vor.
Den größten Coup landete die Rendon Group jedoch
zwei Jahre später. Im Mai 1991, wenige Wochen nach dem die USA und ihre Alliierten
die militärischen Kampfhandlungen gegen den Irak vorläufig eingestellt
hatten, wurde Rendon erneut vom CIA angeheuert, um eine PR-Kampagne gegen Saddam
Hussein durchzuführen. Ziel der Kampagne war es, die irakische Opposition
zu stärken, um so den Sturz Husseins voranzutreiben. Für diese Aufgabe
stand Rendon allein im ersten Jahr ein Budget von über 23 Millionen Dollar
zur Verfügung. Neben der Erstellung einer Fotowanderausstellung über
die Greueltaten der irakischen Armee, zahlreicher Video- und Radiospots und einem
Anti-Hussein-Comicbuch nutzte die Rendon Group dieses Geld insbesondere für
die Unterstützung einer nordirakische Koalition von Oppositionsgruppen, deren
Namen „Irakischer National Congress“ von Rendon selbst erfunden wurde.
Der offensichtliche Misserfolg der irakischen Opposition, den Sturz Saddam Husseins
herbeizuführen, führte schließlich zum Ende der Kampagne und zu
einer Untersuchung über den Verbleib des Geldes, das Rendon für seine
Tätigkeit zur Verfügung gestellt wurde. [21]
IV) PR-Agenturen im Golf- und Jugoslawienkrieg – Hill & Knowlton und Ruder Finn
Das Engagement von privaten PR-Agenturen durch staatliche oder quasi-staatliche
Institutionen im Rahmen von militärischen Konflikten ist allerdings nichts
Außergewöhnliches mehr. Im Zusammenhang mit dem Golfkrieg löste
so beispielsweise die Tätigkeit der international agierenden PR-Agentur Hill
& Knowlton weltweite Empörung aus.
Hill & Knowlton wurde bereits zwei Tage nach der Invasion Kuwaits durch den
Irak von der Organisation „Citizen For A Free Kuwait“ (später
umbenannt in „Kuwait-America Foundation“) für eine der größten
und effektivsten PR-Kampagnen der Geschichte engagiert. Die 10,8 Millionen Dollar,
die Hill & Knowlton für den Auftrag erhielt, kamen direkt von der kuwaitischen
Regierung, die nahezu den gesamten Haushalt der „Citizen For A Free Kuwait“
finanzierte.
Aufgabe des Hill & Knowlton-Teams unter Leitung des ehemaligen US-Information-Agency
Officers Fitz-Pegado, der später wieder ins Weiße Haus wechselte,
war es, die öffentliche Meinung in den USA für einen Krieg gegen den
Irak zu formieren. Das PR-Team organisierte unter anderem Info- Tage zu Kuwait
an zahlreichen Universitäten sowie einen „National Day of Prayer
for a Free Kuwait“
in den Kirchen. Ebenso riefen in dreizehn Bundesstaaten die jeweiligen Gouverneure
einen Gedenktag für Kuwait aus. Zehntausende von Aufklebern und T-Shirts
wurden gedruckt und Hill & Knowlton erstellte eine tausendfach verteilte
Pressemappe, in der u.a. die vermeintlichen Vorzüge der in der Realität
zutiefst undemokratischen kuwaitischen Gesellschaft herausgestellt wurden. Man
organisierte Treffen mit Zeitungs- und Rundfunkorganisationen, hielt Pressekonferenzen
ab, auf denen kuwaitische Widerstandskämpfer von ihren heroischen Taten
berichten durften, und ein ehemaliger CBS/NBC-Nachrichtenproduzent erstellte
im Auftrag der PR-Profis 24 Nachrichtenvideos. Dem Hill & Knowlton-Team
gelang es schließlich,
sogar während der entscheidenden Tagung des UN-Sicherheitsrates einen Infostand
mit Videos und großformatigen Fotos über die kuwaitischen Opfer der
irakischen Invasion im UN-Gebäude selbst durchzusetzen. Parallel zu dieser
PR-Offensive veranlasste Hill & Knowlton eine genaue Untersuchung der Reaktionen
des TV-Publikums auf die Gulf-Crisis-Berichterstattung.
Höhepunkt der PR-Kampagne von Hill & Knowlton bildete jedoch eine zusammen mit dem Weißen
Haus koordinierte Anhörung vor dem kriegskritischen US-Congress. In dieser
Anhörung berichtete eine 15-jährige kuwaitische Krankenschwester unter
dem Namen Nayirah unter Tränen davon, wie die irakische Armee in kuwaitischen
Krankenhäusern Babys aus den Brutkästen gerissen und auf den Boden geworfen
hätte, um das medizinische Gerät in den Irak abtransportieren zu können.
[22]
Hill & Knowlton sorgten mit einem eigenen Kamerateam dafür, dass die
erschütternden Aussagen von Nayirah von 700 TV-Stationen des Landes gesendet
wurden. Allein auf ABC‘s „Nightline“ am 10. Oktober 1990 sahen 53
Millionen US-Bürger diese Aufnahmen. Der auch von Präsident Bush in
seinen Reden mehrfach zitierte Auftritt Nayirahs bildete einen wesentlichen Faktor
in der öffentlichen Unterstützung des Krieges. [23]
Nach dem Krieg ergaben jedoch Untersuchungen in Kuwait,
dass in den dortigen Krankenhäusern keine Brutkästen fehlten. Amnesty
International – die Organisation hatte zwischenzeitlich von 312 in diesem
Zusammenhang getöteten Babys gesprochen – widerrief seine Zahlen als
unhaltbar. Ein Jahr nach dem Krieg gegen den Irak flog schließlich auch
die Identität Nayirahs auf: sie war die Tochter des kuwaitischen Botschafters
in den USA.
Die sogenannte „Brutkastenlüge“ gilt seitdem als Paradebeispiel
für moderne Kriegspropaganda. Dies um so mehr, als im Vorfeld detaillierte
Untersuchungen durchgeführt wurden, um zu ermitteln, welche Meldungen US-Bürger
besonders schockieren. Das Ergebnis, Greueltaten an Babys, wurde von den Washingtoner
Kommunikationsprofis mit dem inszenierten Auftritt „Nayirahs“ exakt
umgesetzt. [24]
Natürlich wurde Hill & Knowlton nicht zufällig von der kuwaitischen
Regierung engagiert. Im Gegenteil: der damalige Präsident von Hill &
Knowlton, Craig Fuller, war ein Anhänger Bushs und dessen ehemaliger Stabschef
im Wahlkampf. [25]
Bereits seit 1990 engagierte sich Hill & Knowlton für das Image des wichtigsten
Nato-Partners der USA im Nahen Osten: der Türkei, deren Image unter dem Krieg
gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK und auf Grund der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen
erheblich litt. [26]
Darüber hinaus wurden Hill & Knowlton beste Verbindungen zum CIA nachgesagt. So soll
der über drei Jahrzehnte als Leiter des 1961 gegründeten Washingtoner
Hill & Knowlton-Büros tätige Robert K. Gray nicht nur persönlich
mit dem damaligen CIA Direktor William Casey befreundet gewesen sein, sondern
auch gerne damit geprahlt haben, alle wichtigen Entscheidungen mit dem CIA-Direktor
höchstselbst abzusprechen.
Die Zusammenarbeit zwischen Hill & Knowlton und dem amerikanischen Geheimdienst
muss jedenfalls recht fruchtbar gewesen sein. Laut einem ehemaligen CIA-Agenten
hätten insbesondere die zahlreichen Überseebüros von Hill &
Knowlton dem CIA als hervorragende Basis gedient. So hätten CIA-Agenten zum
einen als Hill & Knowlton-Mitarbeiter eine einfache Tarnung erhalten, zum
anderen hätten sie über die PR-Agentur die Möglichkeit gehabt,
eine direkte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Da dies dem CIA
innerhalb der USA offiziell verwehrt ist, war die Möglichkeit, dies verdeckt
über die Auslandsbüros einer PR-Firma bewerkstelligen zu können,
äußerst hilfreich. [27]
Auch der Krieg im ehemaligen Jugoslawien bot ein reichhaltiges Betätigungsfeld
für die PR-Branche. Hill & Knowlton arbeite so zum Beispiel für die bosnisch-moslemische
Unabhängigkeitsbewegung von Präsident Izetbegovic, einem islamischen
Fundamentalisten, der in Bosnien-Herzegowina einen unabhängigen national-moslemischen
Staat zu schaffen gedachte und dessen Öffentlichkeitsarbeit großzügig
aus Saudi-Arabien finanziert wurde. [28] Darüber hinaus
sind insbesondere die Aktivitäten von „Ruder Finn Global Public Affairs“
einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden. Egal ob Kroatien,
Bosnien oder die kosovarische Unabhängigkeitsbewegung alle bedienten sich
zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen 1991 und 1999 dieser Washingtoner PR-Agentur.
Der Auftrag war jedesmal derselbe. Es galt dem kroatischen, bosnisch-moslemischen
oder kosovo-albanischen Nationalismus ein positives Image zu verleihen und gleichzeitig
die serbische bzw. jugoslawische Position in Misskredit zu bringen.
In den frühen neunziger Jahren war Ruder Finn für
Kroatien und Bosnien tätig. Während Kroatien monatlich 16 000
Dollar an Ruder Finn zahlte, steigerte Bosnien 1992 seine monatlichen Ausgaben
für
die Washingtoner Kommunikationsprofis von 12 000 Dollar auf 200 000
Dollar monatlich. [29] Für die stattliche Summe
von über
eine Million Dollar im Jahr richtete Ruder Finn ein „Bosnia Crisis Communication
Center“ ein. Ruder Finn erarbeitete ein stimmiges, beständig zu wiederholendes
Aussagenpaket für die Repräsentation Bosniens. Von dem Kommunikationszentrum,
das sich in einem Ruder Finn Büro befand, wurden die wichtigsten Medien
in den USA, in Großbritannien, Frankreich und anderen Staaten bedient.
Hier wurden Leitartikel formuliert und in Zeitungen wie der New York Times,
der Washington Post oder dem Wall Street Journal platziert. Darüber hinaus
baute Ruder Finn ein Fax- Netzwerk für internationale Bosnien-Berater auf.
Auch zahlreiche humanitäre Organisationen und wissenschaftliche Einrichtungen
waren an dieses Netzwerk angeschlossen.
„Unser Arbeitsgerät besteht im wesentlichen aus einer Kartei, einem
Computer und einem Fax. Die Kartei enthält die Namen von einigen hundert
Journalisten, Politikern und Repräsentanten
humanitärer Organisationen und Universitätsangehörigen“, [30]
so James Harff, der ehemaliger Direktor von Ruder Finn, der in einem Interview
mit J. Merlino, dem stellvertretenden Direktor des 2. Französischen
Fernsehens, seine Tätigkeit im Rahmen des Krieges in Jugoslawien noch ausführlicher erläuterte:
J. Harff: „Über 18 Monate lang haben wir sowohl für die kroatische
und bosnische Republik, als auch für die Opposition im Kosovo gearbeitet.
In dieser Periode konnten wir viele Erfolge verbuchen. ... Die Schnelligkeit ist
entscheidend. ... Es ist die erste Behauptung, die wirklich zählt. Alle Dementis
sind völlig wirkungslos.“
J. Marlino: „Wie oft haben Sie interveniert?“
J. Harff: „Die Häufigkeit ist nicht entscheidend. Man muss zum richtigen
Zeitpunkt bei der richtigen Person intervenieren. Von Juni bis September haben
wir dreißig Treffen mit den wichtigsten Nachrichtenagenturen organisiert.
Darüber hinaus haben wir treffen zwischen offiziellen bosnischen Vertretern
und Al Gore, Lawrence Eagleburger und zehn einflussreichen Senatoren – darunter
George Mitchell und Bob Dole – arrangiert. Wir haben 13 exklusive Nachrichtenbeiträge
herausgebracht, 37 last-minute-Faxe, 17 offizielle Schreiben und acht offizielle
Berichte. Wir haben 20 Telefonate mit dem Weißen Haus geführt; wir
haben mit 20 Senatoren und mit nahezu einhundert Journalisten, Redakteuren und
anderen einflussreichen Leuten gesprochen.“
J. Merlino: „Auf welche Leistung sind Sie besonders stolz?“
J. Harff: „Dass es uns gelang, die jüdische Meinung auf unsere Seite
zu ziehen. Dies war eine sensible Angelegenheit. ... Präsident Tudjman [aus
Kroatien] war in seinem Buch ‚Ödland der geschichtlichen Wirklichkeit‘
sehr leichtsinnig, denn wenn man sein Werk liest, könnte man ihn des Antisemitismus
bezichtigen. In Bosnien war die Situation nicht besser: Präsident Izetbegovic
unterstützt in seinem Buch ‚Die islamische Erklärung‘ sehr stark die
Bildung eines fundamentalistischen islamischen Staates. Abgesehen davon war die
kroatische und bosnische Vergangenheit stark von einem wirklichen und brutalen
Antisemitismus geprägt. Zehntausende von Juden kamen in den kroatischen Lagern
um. All dies sprach dafür, dass Intellektuelle und jüdische Organisationen
den Kroaten und Bosniern gegenüber feindlich eingestellt sein würden.
Die Herausforderung für uns lag nun darin, diese Einstellung in ihr Gegenteil
zu wenden. und wir meisterten diese Aufgabe mit Bravour. Anfang August 1992 veröffentlichte
‚New York Newsday‘ einen Artikel über serbische Lager. Wir ergriffen diese
Gelegenheit sofort. Wir überlisteten drei große jüdische Organisationen –
die B‘nai B‘rith Anti-Defamation League, das American Jewish Committee
und den American Jewish Congress.
Wir schlugen vor, dass diese eine Annonce in der New York Times veröffentlichen
und eine Demonstration vor der UNO organisieren.
Das war ein großartiger Coup. Als die jüdischen Organisationen in das
Spiel auf Seiten der moslemischen Bosnier eingriffen, konnten wir sofort in der
öffentlichen Meinung die Serben mit Nazis gleichsetzen.
Niemand verstand, was in Jugoslawien los war. Die große Mehrheit der Amerikaner
dachte wahrscheinlich allenfalls darüber nach, in welchem afrikanischen Land
sich Bosnien wohl befände. Aber mit einem einzigen Schlag konnten wir nun
die einfache Story von den guten und den bösen Jungs präsentieren, die
sich ganz von alleine weiterspielte. Wir gewannen, weil wir auf die Beeinflussung
des jüdischen Publikums setzten. Fast unmittelbar danach benutzten die Medien
eine andere Sprache mit sehr emotionsgeladenen Begriffen, wie ethnische Säuberung,
Konzentrationslager etc., Begriffe, die man mit Bildern aus Nazi-Deutschland
und den Gaskammern von Auschwitz assoziiert. Niemand konnte sich mehr dagegen
wenden, ohne des Revisionismus angeklagt zu werden. Wir hatten hundertprozentigen
Erfolg.“
J. Merlino: „Aber zwischen dem 2. und 5. August, als Sie das veranlassten,
hatten sie doch keinerlei Beweise für das, was Sie behaupteten. Alles was
Sie hatten waren zwei Artikel im Newsday.“
J. Harff: „Es gehört nicht zu unserer Arbeit den Wahrheitsgehalt von
Informationen zu überprüfen. Wir sind dafür gar nicht ausgestattet.
Unsere Aufgabe ist es, uns dienliche Informationen schneller zu verbreiten und
sie an wohlüberlegte Zielgruppen weiterzuleiten. Wir haben die Existenz der
Todeslager in Bosnien nicht überprüft. Wir haben einfach in der Öffentlichkeit
verbreitet, dass Newsday dies bestätigt.“
J. Merlino: „Sind Sie sich bewusst, dass Sie sich da eine schwere Verantwortung
aufgeladen haben?“
J. Harff: „Wir sind Profis. Wir hatten eine Job und den haben wir ausgeführt.
Wir werden nicht bezahlt, um zu moralisieren.“ [31] [32]
Bereits 1992 schloss Ruder Finn, laut dem US-Department Of Justice – wo
alle US-amerikanischen PR-Firmen, die für ausländische Regierungen
arbeiten, ihre Verträge registrieren lassen müssen [33] – einen
Vertrag mit einer bis dato nicht existierenden „Republik Kosovo“ ab,
für die die Agentur bis 1997 arbeitete. [34] „Die
Leute hatten keine Ahnung, wo das Kosovo überhaupt liegt, um welche Themen
es dort geht, wer dort die entscheidenden Persönlichkeiten sind oder was
die Interessen der US-Politik in dieser Region sind.“ [35]
so noch einmal James Harff. [36] Allein 1995 organisierte
Ruder Finn zwei Delegationsreisen von US-Kongressabgeordneten in den Kosovo
und vier Reisen Rugovas, einem der verschiedenen Repräsentanten der kosovo-albanischen
Unabhängigkeitsbewegung, in die USA, wo er u.a. auf führende US-Politiker
wie Cristopher, Albright und Al Gore traf. Finanziert wurde die Kampagne u.a.
von den albanischen Gemeinden insbesondere in New York, Chicago und dem mittleren
Westen. Ruder Finn versorgte über 300 Kongressabgeordnete, ausländische
Politiker und Journalisten, Vertreter von Menschenrechtsorganisationen und Nachrichtenagenturen
mit Informationen über die Situation im Kosovo und mit Statistiken über
Gewalttaten gegen die albanische Bevölkerung – „selbstredend“
so das Berliner Gegeninformationsbüro, „ausschließlich aus Sicht
der Kosovo-Albaner.“ [37] In ihrer Erfolgsbilanz führt
Ruder Finn aus, dass bis 1995 in den wichtigsten Publikationen der USA über
250 Artikel platziert werden konnten und 43 Interviews im nationalen und internationalen
Fernsehen ausgestrahlt wurden.
Die Skrupellosigkeit der PR-Profis von Ruder Finn, die in ihrer Außendarstellung Wert auf ein
weltoffenes, von der bildenden Kunst inspiriertes Image legen und sogar einen
eigenen Beirat für ethische Fragen eingerichtet haben wollen, [38]
wird auch an einem anderen Beispiel deutlich. 1998 ist die PR-Firma während
des Konflikts um die Rolle von Schweizer Banken in Bezug auf die Vermögen
von Holocaust-Opfern sowohl auf der Seite der Jewish Agency, die zusammen mit
anderen jüdischen Organisationen eine Klage gegen die Schweizer Banken vorbereitet,
als auch auf Seiten der Schweizer Regierung tätig, die Ruder Finn engagierte
um einem befürchteten Image-Schaden auf Grund dieses Konflikts in den USA
abzuwenden. Nach dem Bekanntwerden dieser Doppelrolle kündigten auf Grund
des offensichtlichen Interessenskonflikt beide Parteien die Zusammenarbeit mit
Ruder Finn auf. [39]
Nichtsdestotrotz ist Ruder Finn weiterhin die größte PR-Agentur, die
noch in direktem Privatbesitz ist. Zum privaten Kundenstamm von Ruder Finn zählen
u.a. Microsoft, Bayer-USA, Body-Shop und Volkswagen, für die Ruder Finn die
„Beetlemania-Kampagne“ in den USA entwarf.
V) Public Relations: Propaganda oder „Properganda“?
Folgt mensch der Selbstdarstellung der größten PR-Agenturen, so scheint
man es ausschließlich mit ethisch, sozial und ökologisch äußerst
verantwortlichen Informationsdienstleistern zu tun zu haben, die nichts anderes
als die fundierten Sachargumente ihrer Auftraggeber weitervermitteln. Fast schon
selbstlos geht es allein um eine Bereicherung der öffentlichen Debatte, um
eine im Zeitalter der Informationsgesellschaft schlicht notwendige Verstärkung
wesentlicher Positionen. „Beeinflussung der öffentlichen Meinung“,
„Manipulation“ oder gar „Propaganda“ sind Stichworte,
die jeden wirklichen PR-Profi innerhalb von Sekunden zur Weißglut treiben
können. Mit solchen Worten beschmutzt man schließlich das Image einer
ganzen Branche und, sofern sie nicht ganz geleugnet werden, sind jene oben beschriebenen
Fälle bestenfalls bedauerliche Einzelerscheinungen. Der durchschnittliche
PR-Agent redet eben lieber über sein Engagement für Recycling Papier
als über einen Auftrag vom Pentagon. Propaganda? Nein, damit hat Public Relations
nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Dieses positive Selbstverständnis von Public Relations verkörperte bereits Ivy Lee,
einer der beiden US-amerikanischen Ur-Väter moderner Öffentlichkeitsarbeit,
dessen „Prinzipien Erklärung“ sich in jedem besseren PR-Lehrbuch
wiederfindet:
„Unsere Arbeit ist vollkommen transparent. Wir verbreiten
Nachrichten. ... Im Auftrag von Unternehmen und öffentlichen Institutionen
stellen wir offen und aufrichtig direkte und zutreffende Informationen der Presse
und der US-Öffentlichkeit zur Verfügung.“ [40]
Gleichwohl war Lee während des 2. Weltkriegs nicht nur für das amerikanische
Unternehmen Standard Oil tätig sondern auch für die IG Farben im nationalsozialistischen
Deutschland. Lee traf sich mit Hitler und versuchte für diesen das deutsche
Wiederbewaffnungsprogramm in den USA als allein gegen den Kommunismus gerichtet
zu vermitteln. Lee‘s Engagement für das nationalsozialistische Deutschland
brachte ihn in Verdacht für den deutschen Geheimdienst zu arbeiten. Dieser
Skandal um Lee führte schließlich zum Foreign Agents Registration Act,
einem Gesetz dass PR-Agenturen und ihre Mitarbeiter in den USA dazu verpflichtet,
sich öffentlich registrieren zu lassen, sofern sie für ein fremdes Land
arbeiten.
Während Lee trotz dieses Skandals das positive Selbstverständnis von
Public Relations verkörpert, steht Edward Bernays für einen offen machiavellistischen
PR-Begriff. Bernays, der erst 1995 im Alter von 103 Jahren verstarb, war ehrgeizig
darum bemüht sich mit seiner Autobiographie unter dem Titel „Biography
of an Idea“ als „Father of Public Relations“ einen Platz in
den Geschichtsbüchern zu sichern.
Bernays arbeitete 1918 während des 1. Weltkriegs für das Kriegsministerium im Creel Committee
On Public Information, einer Abteilung, die zur Unterstützung der amerikanischen
Kriegsbemühungen in Europa die US-Öffentlichkeit mobilisierte. Dieses
für die Heimatfront zuständige Propagandabüro entwickelte eine
Reihe moderner PR-Techniken, wie das massenhafte Versenden von Presseerklärungen,
das gezielte Ansprechen von öffentlichen Multiplikatoren sowie die Verbreitung
emotionalisierter Botschaften durch Werbung oder auch Spielfilme. Das Creel Committee
lieferte nicht nur die Ausbildungsgrundlage für Bernays, sondern auch für
etliche weitere Akteure, die nach dem Krieg zum Führungspersonal der ersten
privaten PR-Agenturen avancierten. Tatsächlich kann so die Entstehung der
modernen Public Relations als ein ziviles Abfallprodukt von militärisch motivierten
Propaganda-Techniken beschrieben werden. [41] Dies wusste auch
Bernays der seine Tätigkeit durchaus als Propaganda, so auch der Titel seines
ersten Buchs, begriff: als „proper-ganda and not improper-ganda.“ [42]
Bernays war doppelt mit Sigmund
Freud, dem Begründer der Psychoanalyse verwandt und wurde auf Grund dessen
nicht müde, seinen Onkel als seinen Mentor herauszustellen. Bernays interessierte
sich dabei insbesondere für die Massenpsychologie von Freud und seinem Vorläufer
Gustave Le Bon. Während es jedoch der Psychoanalyse in einem aufklärerischen
Sinn darum geht, Unbewusstes bewusst zu machen, verfolgt Bernays mit seinem Konzept
von Public Relations ein ganz und gar antiaufklärerisches Anliegen: „Wenn
wir die Mechanismen und Motive des Massenbewusstseins verstehen“ so Bernays,
wäre es möglich „die Massen nach unserem Willen zu kontrollieren
und zu regieren, ohne dass sie es wissen.“ [43] Einen
Widerspruch zu etwaigen Demokratie-Idealen kann Bernays darin nicht erkennen,
denn „die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten
und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element in einer demokratischen Gesellschaft.“
[44] Bei einem solchen Demokratie-Verständnis verwundert
es nicht, dass die Bücher Bernays auch zur Privatbibliothek Goebbels, dem
größten deutschen Public-Relations Spezialisten, zählten. Ungeachtet
dessen kokettierte Bernays gerne mit dem Image eines Liberalen, der im Rahmen
seines Engagements für Lucky Strike zum Beispiel dazu beitrug, dass das Rauchen auch
für Frauen sozial akzeptabel wurde.
In den fünfziger
Jahren arbeitete Bernays schließlich bei einem Gehalt von 100 000 Dollar
für die United Fruit Company. In deren Auftrag entwarf er eine Kampagne gegen
die demokratisch gewählte Regierung Guatemalas, die es wagte gegen die Interessen
von United Fruit zu verstoßen. Die Kampagne von Bernays zu der u.a. eine
in hoher Auflage herausgegebene Broschüre mit dem Titel: „Kommunismus
in Guatemala – 22 Fakten“ zählte, führte unmittelbar zu
einem CIA gestützten Militärputsch in Guatemala. Bernays war in diesem
Zusammenhang besonders stolz darauf, dass es ihm gelungen war, auch die liberalen
Medien auf seine Seite zu ziehen. Während des Militärputsches selbst,
versorgte Bernays die großen Presseagenturen wie Assocciated Press, United
Press und The International News Service sowie Zeitungen wie die New York Times
als erster mit exklusiven Nachrichten über die Vorgänge in Guatemala. [45]
Die erfolgreiche Guatemala-Kampagne Bernays bildete die Blaupause für ähnliche
Kampagnen gegen Kuba und Vietnam. Trotz seines Erfolgs war Bernay bereits zu Lebzeiten
ein Außenseiter in der PR-Branche: zu offen sprach der Gründungsvater
der Public Relations von „Manipulation“ oder „Propaganda“.
VI) PR-Multis oder „wer das Geld hat, hat die Macht ...“
PR-Unternehmen prägen nicht nur an herausragender Stelle das Image und die
Kommunikationsstrategien der wichtigsten multinationalen Konzerne, sondern auf
Grund des globalen Fusions- und Konzentrationsdruck verschmelzen sie selbst zu
einflussreichen „global players.“ Bereits in den frühen achtziger
Jahren formulierte J. Walter Thompson, damals Inhaber des gleichnamigen weltweit
agierenden Werbe- und PR-Multis zu dem auch Hill & Knowlton gehörte:
„Wir halten in unseren Händen die größte Konzentration an
Mitteln zur Erziehung und Überzeugung der Massen, die die Welt je gesehen
hat – nämlich alle Kommunikatonskanäle der Werbung. Wir haben
Macht. Warum sollten wir sie nicht nutzen.“ [46]
Wie gesagt, dies war Anfang der achtziger Jahre, bevor J. Walter
Thompson 1987 von der WPP Group aufgekauft wurde. Neben Hill & Knowlton gehört
seit dem Jahr 2000 auch Burson-Marsteller zur WPP-Group, die heute über 80
Unternehmen mit insgesamt 55 000 Angestellten in 92 Ländern ihr eigen nennt.
Die Unternehmensgruppe mit Sitz in Großbritannien betreibt alleine 18 weltweit
agierende Public Relations-Firmen. Martin Sorell, Gründer und Direktor von
WPP, ist sich der Macht seiner Unternehmensgruppe bewusst. Ohne zu übertreiben,
stellt „der Machiavelli der Madison Ave.“ [47],
so das Time Magazin über Sorell, klar: „WPP ist eine potentielle Machtzentrale,
eine gigantische Propaganda-Maschine.“ [48]
Bereits 1968 beschrieben Oskar Negt und Alexander Kluge wie eine klassisch-bürgerliche
Öffentlichkeit durch sogenannte industrialisierte Produktionsöffentlichkeiten
überlagert wird. Die Formen klassischer Öffentlichkeit (Zeitungen, Parlamente,
Parteien) beruhten auf einer quasi handwerklichen Produktionsweise, die zusehends
mit einer höher organisierten Produktionsstufe von Öffentlichkeit konfrontiert
werden (Computer, Massenmedien, kombinierte Öffentlichkeits- und Rechtsabteilungen
der Konzerne und Verbände). Das Aufeinandertreffen dieser verschiedenen Stufen
von Öffentlichkeit veranschaulichten Negt/Kluge folgendermaßen:
„Ein Staatsanwalt und eine Schreibkraft treffen auf
30 Juristen und 60 Public-Relations-Fachleute eines Chemie-Konzerns, wenn sie
versuchen einen Tatbestand der Umweltvergiftung an Ort und Stelle aufzudecken
... Hier steht die bloße Idealität bürgerlicher Öffentlichkeit
gegen die kompakte Materialität der neuen Produktionsöffentlichkeiten.“
[49]
Mit diesem Beispiel wollten Negt / Kluge belegen, dass die neuen Produktionsöffentlichkeiten
unmittelbarer Ausdruck der Produktionssphäre sind. Heute ist dieser Bereich
von Produktionsöffentlichkeit im Zuge von Out-Sourcing und Verschlankung
der Unternehmen zu einer eigenständigen Industrie geworden, deren Dienstleistungen,
sofern es im unmittelbaren Interesse staatlicher Institutionen liegt, auch von
diesen erworben werden.
In Deutschland wird die Public Relations Industrie in den nächsten Jahren
weiter an Bedeutung gewinnen. Insbesondere der Bereich des direkten Lobbyings
ist im Vergleich zu den USA, wo es für Unternehmen selbstverständlich
ist, eine PR-Firma damit zu beauftragen, unmittelbar auf politische Entscheidungen
Einfluss zu nehmen, noch unterentwickelt. Doch mit dem Regierungsumzug nach Berlin
verspürt die Branche gerade in diesem Bereich eine neue Offenheit. Die alten,
festgefahrenen Bonner Strukturen werden durchlässiger für eine Politikgestaltung
über bezahlte Lobbying-Spezialisten aus der PR-Branche. Wie in den Vereinigten
Staaten wird sich mit der Zunahme dieses Bereichs auch die personelle Fluktuation
von Politik zu privater PR-Industrie und umgekehrt erhöhen und so auf informelle
Weise die beiden Bereiche stärker miteinander verflechten.
Bislang sind Kooperationen zwischen staatlichen Behörden und privaten PR-Agenturen
in Deutschland insbesondere aus dem sozial-, gesundheits- und umweltpolitischen
Feld bekannt. Hill & Knowlton arbeitet zum Beispiel in Zusammenarbeit mit
hiesigen öffentlichen Institutionen, der Tourismusbranche und Terres de Hommes
an einer ehrenwerten Kampagne gegen Kinderprostitution in der sog. Dritten Welt.
Inwieweit private PR-Firmen auch hierzulande maßgeblichen Einfluss auf die
Gestaltung sensiblerer Themenbereiche nehmen und beispielsweise im Auftrag von
Geheimdiensten, Bundeswehr oder Verteidigungsministerium agieren, bleibt ungewiss.
Gleichwohl verdeutlichen die Argumentationslinien mit denen die Rot-Grüne
Regierung sowohl den Einsatz der Bundeswehr gegen Serbien als auch in Afghanistan
legitimierte, dass sie ihre PR-Lektionen gelernt haben. Argumente wie man müsse
ein „Auschwitz“ im Kosovo verhindern oder zur Befreiung der afghanischen
Frauen mit der Bundeswehr beitragen, waren weder stichhaltig noch hatten sie etwas
mit den tatsächlichen Motiven der jeweiligen Militäreinsätze zu
tun. Sie waren jedoch in hohem Maße dazu geeignet, die notwendige Legitimation
für diese Kriege herzustellen.
Der Einfluss der PR-Branche auf die öffentliche Debatte
wird deutlich, wenn mensch sich vergegenwärtigt, dass je nach Quelle 40 bis
80 Prozent des Inhalts einer Tageszeitung nicht auf eigener Recherche beruht,
sondern auf vorgefertigte „Geschichten“, auf Presseerklärungen,
Agenturmeldungen u.ä. zurückgeht. [50] Auch Fernsehredaktionen
benutzen immer häufiger bereits journalistisch aufgearbeitetes Material von
Anbietern, die ein vehementes Eigeninteresse mit diesem Material verfolgen. Häufig
genug wird solches Material ohne Angabe der Quelle von den Sendern oder Zeitungsredaktionen
verwendet und damit als eigene Recherche ausgegeben. [51]
Die Zugangsmöglichkeiten zu dem, was Öffentlichkeit genannt wird, unterliegen
zahlreichen ineinandergreifenden Filtern. Das ist nicht neu. Der Bedeutungszuwachs
der PR-Branche verschiebt jedoch die Chancen sich Gehör zu verschaffen, ein
weiteres Stück in Richtung derjenigen Protagonisten, die es sich leisten
können, für ihre Anliegen die professionellen Kommunikationsmanager
der einflussreichsten PR-Multis anzuheuern. Oder um es mit den Worten der Berliner
Geschäftsführerin von Hill & Knowlton zu sagen:
„Ja, wer das Geld hat, hat die Macht ...“
Fußnoten:
- Müller, Martina: Einführung
in die Public Relations. 2001 [back]
- ebda. [back]
- zit. n. Risky Business: The World
According To Hill & Knowlton. unter: www.prwatch.org/prwissues/1997Q1/risky.html
[back]
- Müller, Martina: Einführung
in die Public Relations. 2001 [back]
- Leinberger, Gisela: Script Krisenkommunikation.
2001 [back]
- ebda. [back]
- Ruiz, Carmelo: B-M: PR for the
New World Order. unter: www.purefood.org/bmhist.html
[back]
- Im Netz unter: www.netlink.de/gen/Zeitung/strategie.htm
veröffentlicht; alle folgenden Zitate des Abschnitts sind diesem Papier entnommen.
[back]
- zit. n.: Ruiz, Carmelo: B-M: PR
for the New World Order. a.a.O. [back]
- ebda. [back]
- zit. n.: Miller, Laura u. Rampton,
Sheldon: The Pentagon‚s Information Warrior. unter: www.prwatch.org/prwissues/2001Q4/rendon.html
[back]
- Das Engagement der Rendon Group
bildete nur ein Bestandteil der PR-Arbeit der Bush-Regierung im Zusammenhang mit
dem „war on terrorism“. Als Reaktion auf die unmittelbare Berichterstattung
des arabischen Nachrichtensenders Al-Jazeera, auf dessen Nachrichten wegen des
Zeitunterschieds zu den USA nur verspätet reagiert werden konnte, richteten
die USA eigene Kommunikationsbüros in Islamabad und London ein. Während
für Afghanistan selbst die 4th Psychological Operation Group der US-Army
Flugblätter und Radiosendungen entwickelte und sich die Unterhaltungsindustrie
Hollywoods dem Weißen Haus anbot, wieder verstärkt mit ihren Produkten
der Welt amerikanische Werte zu vermitteln, übernahm die bekannte Werbedesignerin
Charlotte Beers für das State Department die Aufgabe eine TV-Werbekampagne
für die islamische Welt zu entwerfen, in der USamerikanische Stars mit emotionalen
Aussagen deutlich machen sollen, für was die Vereinigten Staaten tatsächlich
stehen: für die Freiheit. [back]
- s.: www.commondreams.org/headlines01/1019-05.htm
[back]
- s.: Solomon, Norman: War Needs
Good Public Relations. unter: www.alternet.org/story.html?StoryID=11809
[back]
- s.: www.commondreams.org/headlines01/1019-05.htm
[back]
- unter: www.earth-netone.com/nytimes021902.htm
[back]
- zit. nach: Fülberth, Georg:
Wahrheitskrieger. in: konkret 4/2002 [back]
- Schmitt, Eric u. Dao, James: A
‚Damaged‘ Information Office Is Declared Closed By Rumsfeld. in: New York Times
26. Feb. 02. unter: www.earth-netone.com/nytimes022602.htm
[back]
- zit. n. Schmitt, Eric u. Dao, James:
s.o. [back]
- ebd. [back]
- s.: www.abcnews.go.com/sections/world/cia/rendon.html
[back]
- vgl. Carsile, Johan: Public Relationships:
Hill & Knowlton, Robert Cray and the CIA. in: Covert Action Quarterly 44 Frühjahr
1993. unter: www.mediafilter.org/caq/HillProzent26Knowlton.html
[back]
- Glotz, Peter: Chancen und Gefahren
der Telekratie. in: Bollmann, Stefan: Kursbuch Neue Medien. Manheim 1995 [back]
- Gegeninformationsbüro: Infowar
Reader Propaganda
und Krieg [back]
- Auch unter Präsident Clinton
wechselten hochrangige Beamte aus der Regierung in leitende Positionen bei Hill&Knowlton
und vice versa. (vgl. Carsile, Johan. a.a.O.) [back]
- Hill&Knowlton repräsentierte
auch das Duvalier Regime in Haiti. Im Jahr 1991 zählten mit einem Auftragsvolumen
von insgesamt 14 Millionen Dallar u.a. China, Peru, Israel, Ägypten und Indonesien
zu den Kunden von Hill&Knowlton. Private Auftraggeber in den USA waren u.a.
die Scientology und Moon-Sekte sowie die katholische Kirche, für die Hill
& Knowlton eine Anti-Abtreibungskampagne entwarf. (vgl. Carsile, Johan. a.a.O.)
[back]
- vgl. Carsile, Johan. a.a.O. [back]
- Weitere PR Agenturen, die während
des Krieges in Jugoslawien tätig waren, sind „Verner, Liipert, Bernhard,
McPherson & Hand“, ein Washingtoner Lobbying-Unternehmen, das u.a. den
ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Bob Dole beschäftigte und Slowenien
repräsentierte, die „Watermann Association“, die für Kroatien
arbeitete, und die „Washington International Group“, die ca. ab 1999
für Bosnien sowie während der Rambouillet Verhandlungen kurz vor dem
Nato-Angriff auf Serbien für die kosovarische Unabhängigkeitsbewegung
tätig war. (vgl. Lituchy, Barry: Media Deception And The Yugoslav Civil War.
unter: www.iacenter.org/bosnia/lituchy.htm
sowie: Geman, Bee: Diplomacy for Hire. in: Boston Phoenix 6-1-99) [back]
- vgl. Lituchy, Barry: Media Deception
And The Yugoslav Civil War. a.a.O. [back]
- zit. nach: Gegeninformationsbüro:
Infowar-Reader. Propaganda und Krieg. a.a.O. [back]
- vgl.: Interviewauszüge in:
Ramati, Yohana: Stopping the War in Yugoslavia. unter: www.balkanpeace.org/cib/bac/bac09.shtml
und Cohen, Mitchel: PR Firms Create An Appearence Of „Genocide“. unter:
www.greens.org/s-r/20/20-24.html
sowie eine gekürzte deutsche Fassung unter: http://www2.pds-online.de/bt/themen/99041305.htm
[back]
- Das Engagement Ruder Finns gegen
die serbischen Interessen beantwortete die serbische Propaganda allerdings nicht
minder skrupellos. Mit Bezug auf die jüdische Herkunft der beiden Ruder Finn
Gründer wurden verstärkt antisemitische Ressentiments mobilisiert. [back]
- Diese Registrierungen sind im Netz
als Semi-Annual Reports unter: www.usdoj.gov/criminal/fara/index.html
einsehbar. [back]
- vgl. Lituchy, Barry: Media Deception
And The Yugoslav Civil War. a.a.O. [back]
- J. Harff zit. nach: Geman, Bee:
Diplomacy for Hire. a.a.O. [back]
- Nach dem Ende des Engagements von
Ruder Finn für die verschiedenen Ex-jugoslawischen Republiken 1997 hat James
Harff sein eigenes PR-Unternehmen „Global Communicators“ in Washington
aufgebaut und verdient heute u.a. daran, den Wideraufbau der durch den Krieg in
Jugoslawien zerstörten Stadt Dubrovni zu promoten und die kroatische Tourismusbranche
wieder anzukurbeln. (s. u.: www.globalcommunicators.com)
[back]
- Gegeninformationsbüro: Infowar-Reader.
Propaganda und Krieg. a.a.O. [back]
- s. www.ruderfinn.com
[back]
- Nussbaum-Cohen, Debrah: Leading
PR-Firm Caught In Fray Between Swiss And Jewish Clients. unter: www.jewishsf.com/bk980515/uspr.htm
[back]
- zit. n. Rampton, Sheldon: Book
Review. Stewart Ewen‘s „PR! A Social History Of Spin“ in: PR
Watch 1996 Vol. 3 No. 4. unter: www.prwatch.org/prwissues/1996Q4/ewen.html
[back]
- vgl. ebda. [back]
- zit. n. Stauber, John und Rampton,
Sheldon: „The Father of Spin ...“ by Larry Tye. Book Review. in PR
Watch 1999 Vol. 6 No. 2. unter: www.prwatch.org/prwissues/1999Q2/bernays.html
[back]
- zit. n.: Rampton, Sheldon: Book
Review. Stewart Ewen‘s „PR! A Social History Of Spin“. a.a.O. [back]
- zit. n. Stauber, John und Rampton,
Sheldon: „The Father of Spin ...“ by Larry Tye. Book Review. a.a.O.
[back]
- vgl. ebda. [back]
- zit. n.: Beder, sharon und Gosden,
Richard: WPP: World Propaganda Power. in: PR Watch Vol. 8 No. 2 2/2001. unter:
www.prwatch.org/prwissue/2001Q2/wpp.html
[back]
- zit. n. ebda [back]
- zit. n. ebda [back]
- Kluge, Alexander und Negt, Oskar:
Öffentlichkeit und Erfahrung. Frankfurt/M. 1974. S. 37 bis 38 [back]
- Hill&Knowlton Deutschland spricht
von 80 Prozent; Carsile, Johan (a.a.O.) von 40 Prozent. [back]
- Daimler-Benz verwehrte beispielsweise
anlässlich eines umstrittenen Besuchs des chinesischen Staats- und Parteichefs
Jiang Zemin FernsehjournalistInnen generell den Zutritt auf ihr Werksgelände
und beauftragte statt dessen ein eigenes Kamerateam mit der Erstellung eines Nachrichtenspots,
der dann umsonst an die diversen Nachrichtenredaktionen abgegeben und zum Teil,
wie in der ZDF-Sendung „heute“ ohne eine Kennzeichnung, dass es sich
um einen Beitrag des Unternehmens selbst handelte, ausgestrahlt wurde. Auch die
Europäische Union und die Nato oder die Bundeswehr beliefern KorrespondentInnen
mit eigenem, bereits journalistisch aufgearbeiteten Fernsehmaterial. (vgl. Röhn,
Uli: PR-Filme in „Heute“ und „Tagesschau“ in: Film &
TV-Kameramann 12/1995) [back]
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