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Informationskrieger: PR-Agenturen im Dienst von multinationalen Konzernen und Lobbyverbänden, von Regierungen, Militär und Geheimdiensten
hybrid video tracks 1. Mai 2002


I) Was ist Public Relations?

Public Relations, oder zu deutsch schlicht „Öffentlichkeitsarbeit“, ist auch hierzulande ein wachsender Dienstleistungsbereich. Immer mehr Unternehmen, Verbände, Kulturträger und staatliche Organisationen bedienen sich professioneller Public Relations Agenturen, um ihre Anliegen in die Öffentlichkeit zu transportieren. Public Relations ist dabei mehr als einfache Werbung für ein Unternehmen, ein Produkt oder eine Idee. PR beinhaltet vielmehr den Entwurf von umfassenden Kommunikationsstrategien. Ein beliebig herausgegriffenes Lehrbuch zur Einführung in Public Relations definiert den Begriff von daher wie folgt:

„PR ist Kommunikationsmanagement, das den Prozess der Meinungsbildung durch den strategisch geplanten, effizienten und gezielten Einsatz von Kommunikationsmitteln gestaltet.“ [1] Das hört sich einigermaßen harmlos an. Und in der Tat stellen sich die verschiedenen Protagonisten dieser Branche am liebsten als einfache Mittler dar, die nur zu einer demokratischen Informationsvielfalt beitragen und allein mit nüchternen Sachinformationen eine vernünftige öffentliche Debatte zu bereichern suchen. Nun, ja ... Auf Seite zwei des gleichen Lehrbuchs wird man jedenfalls schon etwas deutlicher und schreibt: „Funktionen von Public Relations sind Imagegestaltung, kontinuierlicher Vertrauenserwerb, Konfliktmanagement und das Herstellen von gesellschaftlichem Konsens“ [2]

Zentrale Aufgabenfelder von Public Relations sind „Marketing Communications“, in dem es um die Entwicklung von Produktmarken und deren Image geht (Branding), sowie „Corporate Communications“, wo Strategien zur Positionierung und Imagebildung von ganzen Unternehmen entwickelt werden (corporate design). Zu letzterem gehören Teilbereiche, wie zum Beispiel das „Reputation Management“, ein Aufgabengebiet, das sich um die öffentliche Wahrnehmung von Unternehmen dreht und dem es wohl zu verdanken ist, dass sich heute auch noch das letzte Unternehmen in seiner Außenrepräsentation des Ökologiegedankens bedient.

Zu einem weiteren zentralen Feld von PR, den „Public Affairs“, zählt sowohl eine klassische Lobbyarbeit in Bezug auf politische Entscheidungsträger als auch ein generelles „Issue Management“, also die Platzierung und Gestaltung von bestimmten Themen in den Medien und in der öffentlichen Diskussion, insbesondere im Vorfeld von regulatorischen bzw. gesetzgeberischen Eingriffen durch die Politik.

Aufgabe einer PR-Agentur ist es in der Regel, ein für das jeweilige Ziel geeignetes Kommunikationskonzept zu entwickeln und für dessen Umsetzung zu sorgen. Ein solches Kommunikationskonzept basiert zumeist auf einer genauen Analyse der Ausgangslage: den Interessen der verschiedenen Akteure, den vorherrschenden gesellschaftlichen Einstellungen sowie der zu erwartenden wirtschaftlichen Entwicklung. Die Kommunikationsstrategie benennt die Marschrichtung der Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf die verschiedenen Akteure oder Teilöffentlichkeiten. Sie geht von dem generellen Identitätskonzept oder Image des Auftraggebers aus, legt die inhaltliche Ausrichtung, die Basisbotschaften, fest und sucht nach geeigneten Strukturen und Bündnispartnern, die eine erfolgreiche Umsetzung des Auftrags gewährleisten. Die taktische Umsetzung legt die Mittel fest mit denen auf die einzelnen Akteure eingewirkt werden soll (zum Beispiel Presseerklärungen, Events wie Konferenzen- und Kulturveranstaltungen, u.v.m.). Der gesamte Prozess von der Planung bis zum Abschluss der Kampagne wird schließlich durch Untersuchungen (durch Meinungsumfragen, Medienanalyse u.ä.) begleitet, die eine Überprüfung des Erreichten gewährleisten sollen. Natürlich unterscheiden sich die jeweiligen Kommunikationskonzepte vehement voneinander, je nachdem ob beispielsweise eine neue Produktmarke auf dem Markt eingeführt oder ob zum Beispiel Einfluss auf ein bestimmtes Gesetzesvorhaben genommen werden soll.

Ein besonderes Angebot halten zahlreiche PR-Agenturen unter dem Stichwort „Krisenkommunikation“ für ihre Kunden bereit. Ereignisse, wie Unfälle, Streiks oder Boykotterklärungen können relativ unvermittelt ein Unternehmen nachhaltig schädigen. Häufig ist dabei der eigentliche Anlass, zum Beispiel der konkrete Störfall, für das Unternehmen weniger bedrohlich, als sich eine daran anschließende gesellschaftliche Diskussion.

Aus diesem Grund, so Thomas Buckmaster, Vorsitzender von Hill & Knowlton, eine der weltweit größten PR-Agenturen, in Bezug auf die Ölkatastrophe von Exxon-Valdez in Alaska., sei „der Umgang mit der gesellschaftlichen Empörung wichtiger als die Eindämmung der eigentlichen Umweltkatastrophe“ [3]. In solchen und anderen Krisensituation ist also professionelles Kommunikationsmanagement gefragt, um gesellschaftliche Konflikte zu entschärfen, deren Ausgang die Interessen des jeweiligen Auftraggebers gefährden könnte.

Der Bereich der Krisenkommunikation ist dabei kein randständiges Aufgabenfeld der Public Relations. Im Gegenteil bereits die Entstehung des Begriffs und die Einrichtung des ersten „Publicity“-Büros 1905 durch die amerikanischen Eisenbahngesellschaften ist eng verknüpft mit einer Ausrichtung gegen soziale Bewegungen und gegen eine kritische öffentliche Debatte, in der Schriftsteller und Journalisten jene Eisenbahngesellschaften für eine Reihe von sozialen Missständen verantwortlich machten. [4] Kein Wunder also, dass auch heute bereits auf den ersten Seiten eines Lehrheftes zur Krisenkommunikation der eigentliche Gegner der PR-Profis und ihrer Auftraggeber unter dem Stichwort „Aktivistengruppen“ ausgemacht wird: „Aktivistengruppen können in Anlehnung an das Verhalten von Meerestieren nach vier Kategorien differenziert werden: Haie – führen Kampagnen durch, in denen sie die Unternehmen willkürlich angreifen und oft die Gesellschaft als ganzes kritisieren. Ihre Kampagnen sind nicht sehr zielgerichtet und sie ängstigen einzelne Firmen nur wenig. Seelöwen – sind noch weniger gefährlich für Unternehmen, weil sie den Hang haben sich nur in „schwache“ Diskussion über generelle gesellschaftliche Werte einzumischen. Delphine – konzentrieren sich auf einzelne Themen, kooperieren aktiv, um mit Unternehmen gemeinsame Lösungen zu finden. Nehmen unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse, die natürlicherweise zwischen Unternehmen und der Gesellschaft existieren, wahr und verstehen diese; versuchen, die Unternehmen dabei zu unterstützen, einige Differenzen zu überbrücken. Orcas – sie isolieren ihre Beute und versuchen, sie öffentlich für ihre Sünden zu demütigen. Sie wählen symbolische Themen aus und verwenden in ihren Kampagnen starken Symbolismus.“ [5]

Damit es erst gar nicht zu einer wirklichen Krise kommt, empfehlen die PR-Agents ihren Kunden eine präventive, regelmäßig durchzuarbeitende Checkliste mit Fragen wie: „Woher kommt der Druck und wie kann er dem Unternehmen schaden? Wie gelangen relativ kleine Gruppen an die Achillesferse von mächtigen Unternehmen? ... Welchen Aktivistenforderungen gilt es, strategisch Rechnung zu tragen, und welchen kann man sich widersetzen?“ [6] Um tatsächlich frühzeitig drohende Krisen und Konflikte zu erkennen wird eine permanente Medienanalyse in Bezug auf das jeweilige Unternehmen empfohlen. Hierbei ist insbesondere ein regelmäßiger Internet-Check hilfreich, wo bereits weit im Vorfeld von großen, medienwirksamen Kampagnen die Diskussionen von gesellschaftlichen Kleinst-Akteuren und Aktivistengruppen verfolgt werden können.


II) Burson-Marsteller – Krisenkommunikator und Kommunikationsstrategien für die Bio-Industrien

Burson-Marsteller gilt als das weltweit größte Public Relations Unternehmen. Unter anderem arbeitete die US-amerikanische PR-Agentur mit über 100 Filialen in allen Kontinenten für die wichtigsten zivilen und militärischen Atomfirmen in den USA wie AT&T oder McDonnell Douglas. 1979, nach dem Beinahe GAU des AKW Three Miles Island, entwickelte das PR-Unternehmen die Krisenkommunikationsstrategien für Babcock-Wilson, dem Betreiber des AKWs. Ebenso wurden die PR-Krisenspezialisten auch von Union Carbide 1984 nach der Bhopal Katastrophe in Indien sowie von Exxon 1989 nach der Exxon-Valdez-Ölkatastrophe in Alaska angeheuert. [7]

Einen Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit von Burson-Marsteller bieten die neuen Bio-Industrien. Als global agierendes PR-Unternehmen hat Burson-Marsteller jenseits der verschiedenen nationalen Büros ein eigenes internationales Team von Spezialisten, ein firmeninternes ‚Netzwerk für Biofragen‘ gebildet. Insbesondere in seiner Tätigkeit innerhalb der Europäischen Union bietet dieses Netzwerk den Vorteil, über die Einbindung der einzelnen Spezialisten in die jeweiligen nationalen Filialen länderspezifische Besonderheiten berücksichtigen und gleichzeitig koordinierte Kampagnen auf gesamteuropäischer Ebene durchführen zu können.

Einen Einblick in eine solche de/zentrale Kampagne bietet ein vertrauliches Konzeptpapier von Burson-Marsteller, das 1997 an die Öffentlichkeit gelangte. [8] Das Papier entwirft eine detaillierte Kommunikationsstrategie für EuropaBio, einen Zusammenschluss der größten Pharma- und Bioindustrien.

1997 war ein kritisches Jahr für die europäischen Bioindustrien. Auf EU-Ebene standen neue Gesetze in Bezug auf die Zulassung gentechnisch manipulierter Lebensmittel auf dem Programm. Die ersten genmanipulierten Saatgüter sollten den europäischen Landwirten zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig gab es europaweit zahllose Initiativen und Organisationen, die sich kritisch mit den neuen Biotechnologien auseinandersetzten. Insgesamt herrschte, wie Burson-Marsteller feststellen, ein „Klima öffentlichen Misstrauens und Ressentiments in Verbindung mit der europäischen Markteinführung von genetisch verändertem Mais und Soja“ und große Teile der Bevölkerung ahnten: „hier würden der traditionellen europäischen Nahrungskette ... gefährliche und unnatürliche Bestandteile aufgezwungen, und zwar aus reinen Profitgründen, gegen den Willen der europäischen Verbraucher.“ Vor diesem Hintergrund entwirft Burson-Marsteller auf Grundlage von aktuellen Meinungsumfragen eine Kommunikationstrategie mit dem Ziel in der allgemeinen Öffentlichkeit „die förderliche, unterstützende Umgebung zu gewährleisten, die Europas Bioindustrien zur Erzielung globaler Wettbewerbsfähigkeit ... benötigen.“

In einem ersten Schritt analysiert Burson-Marsteller die bisherige Öffentlichkeitsarbeit von EuropaBio und seinen Vorläuferorganisationen. Die grundsätzliche Kritik an der bisherigen Kommunikationsstrategie ist relativ einfach: „Um die gewünschten Wirkungen hinsichtlich der öffentlichen Wahrnehmungen und Meinungen zu erzeugen, müssen die Bioindustrien aufhören, als ihre eigenen Fürsprecher aufzutreten.“ EuropaBio sollte sich stattdessen als eine Art Mediendienstleister begreifen: „EuropaBio muss sich in die beste und zuverlässigste Quelle von Inspiration und Information über Biotechnologien/Bioindustrien für Journalisten verwandeln. Mit anderen Worten, der erste, hilfreichste, prompteste Ansprechpartner für die praktische Hinführung zu interessanten Geschichten und Persönlichkeiten – ruhig mit kontroversen Elementen vermischt – ein Lieferant von Material, das Redakteure und die Leserschaft gleichermaßen zufriedenstellt und keinesfalls als Industriepropaganda angesehen wird.“

Ausgehend davon, dass die „meisten Reporter und Redakteure ... keine persönliche Agenda“ haben, ihnen also relativ egal ist, zu welchem Ende hin sie über Biotechnologien berichten – denn „wie in allen anderen Bereichen, sind sie vornehmlich damit beschäftigt, verkaufbares Material unter einem extremen Termindruck zu produzieren“ – gilt es dennoch, einige einfache Grundregeln zu beachten: „Es ... muss eine Verlagerung von einer sachfragenorientierten Kommunikation hin zu einer ‚Geschichten‚ gestützten Kommunikation stattfinden. ... Geschichten über die Produkte (...) müssen sich um Nutzen und Vorteil drehen, jedoch müssen diese Nutzen personifiziert werden. Geschichten über Personen üben die größte Anziehung aus.“

Diese Hinwendung zu „positiven“ Geschichten kann allerdings nur gelingen, wenn die „killing fields“ (die Schlachtfelder) der öffentlichen Debatte gemieden werden: „Öffentliche Fragen der Risiken für die Umwelt und Gesundheit des Menschen sind Kommunikations-Schlachtfelder für die Biotechnologie- Industrien in Europa. Als allgemeine Regel kann nicht erwartet werden, dass es der Industrie gelingt, in diesen Fragen eine erfolgreiche öffentliche Verteidigungsstellung den Kritikerstimmen gegenüber zu beziehen. ... Daher muss das Fernbleiben von diesen Schlachtfeldern eine grundsätzliche Leitlinie der Kommunikationsstrategie von EuropaBio sein.“ Um die Bevölkerung von der Unbedenklichkeit der Biotechnologie-Produkte zu überzeugen, schlägt Burson-Marsteller stattdessen die Einrichtung einer öffentlichen Aufsichtsbehörde vor. Aber auch das ist nicht ganz unproblematisch, denn „die vorliegenden Untersuchungen zeigen deutlich, dass Europäer ihren Behörden auf den Bio-Produkt- Sektoren kein Vertrauen schenken.“ Strategische Zielsetzung der Kampagne von Burson-Marsteller muss es also sein, die Glaubwürdigkeit solcher Behörden mit aufzubauen. Logischerweise „sollten positive Aussagen über die Integrität, Kompetenz und Zuverlässigkeit der Aufsichtsbehörde nur ... von Akteuren stammen, die nicht von den Entscheidungen dieser Aufsichtsbehörde abhängig sind.“

In einem zweiten Schritt analysiert Burson-Marsteller, welchen Akteuren aus dem Agrar-Nahrungsmittel-Sektor (Technologie-Inhaber, Saatgutfirmen, Landwirte, Nahrungsmittelfirmen, Einzelhandel usw.) überhaupt Vertrauen entgegengebracht wird. „Innerhalb der Kette verknüpft sich das Vertrauen der Verbraucher ... mit den Produktmarken und Einzelhandelsmarken; daher sind die beiden Sektoren der Kette die wirkungsvollsten direkten Kanäle für die Kommunikation mit dem Verbraucher. Im Gegensatz hierzu zeigt die Forschung, dass die Unternehmen am unteren Ende der Kette (Monsanto, Ciba, Sandoz, PGS usw.) der Öffentlichkeit so gut wie unbekannt sind – mit Ausnahme dessen, was die Gegner der Öffentlichkeit in den letzten Monaten eingeimpft haben, was ausnahmslos angetan ist, um Furcht und Misstrauen zu erzeugen.“

Aus diesem Grund muss sich also die Kampagne vor allen Dingen auf den Einzelhandel und die Nahrungsmittelfirmen stützen. Burson-Marsteller plädiert aus strategischen Überlegungen dafür, die in der Politik debattierte Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Nahrungsmittel zu akzeptieren. Diese Transparenz ist notwendig, denn „die Öffentlichkeit muss sehen, dass sie eine Wahl hat. ... Ein solcher Aspekt in sich kann viel dazu beitragen, die Gefühle von Machtlosigkeit zu entschärfen, die in einem erheblichen Ausmaß für das gegenwärtige Klima von Ressentiment und Ablehnung verantwortlich sind.“ Erst wenn die europäischen Bioindustrien die ihren Interessen scheinbar zuwiderlaufende Kennzeichnungspflicht akzeptieren, kann überhaupt mit dem Aufbau einer „positiven“ Argumentation begonnen werden. Nur worauf soll sich eine anschließende positive Imagekampagne beziehen? Taugt vielleicht die Behauptung, gentechnologisch veränderte Nahrungsmittel verringern den Hunger in der so genannten 3. Welt, zu einer positiven Werbekampagne? Nein, eine weitere wissenschaftliche Meinungsforschungsstudie bietet auch hier verlässliche Hilfe, denn schließlich „weisen jüngste Erhebungen darauf hin, dass Europäer weniger auf das Argument ansprechen, diese neuen Agrartechnologien würden den Unterernährten und noch ungeborenen Generationen in anderen Teilen der Welt helfen. In unseren entwickelten Gesellschaften, die durch Überfluss und Übersättigung gekennzeichnet sind, wird dieser Nutzen nicht so hoch geschätzt wie die Vorteile hinsichtlich der Umweltverträglichkeit und sollte daher nicht als Schwerpunkt einer entsprechenden Medienkampagne rangieren.“ Stattdessen, so eine weitere Untersuchung, „zeigen sich viele Europäer im allgemeinen aufgeschlossen, wenn sie darüber informiert werden, dass die neuen Sorten den Einsatz von chemischen Spritzmitteln in der Landwirtschaft verringern können.“

Das ist es! Die Einführung der neuen gentechnologisch veränderten Nahrungsmittel ist „eine von ethischen Überlegungen geleitete Reaktion auf ein echtes Umweltproblem, dass den Verbrauchern auch wirklich am Herzen liegt.“ Die Autoren des Strategiepapiers sind auf einmal wirklich begeistert: „Wir würden sogar soweit gehen und die Überlegung anstellen, ob Einzelhändler und Nahrungsmittelfirmen nicht sofort ankündigen sollten, dass ihre Politik durch diese grundlegenden umweltrelevanten Kriterien größtenteils geleitet wird und sie zur Verwendung der Produkte dieser Klasse bewogen hat (sobald das Zertifikat der Unbedenklichkeit von kompetenten Zulassungsbehörden erteilt wird). ... Ab diesem Punkt würde die Verwendung der entsprechenden Bestandteile und Inhaltstoffe das Vertrauen der Verbraucher in Markenprodukte nicht mehr erschüttern und die Kennzeichnung würde zu einer rein akademischen Frage geraten.“ Natürlich muss eine solche Kampagne die regionalen Besonderheiten berücksichtigen. „Diese ‚Lokalisierung‘ der Geschichten und Berichterstattung ist unerlässlich. ... In Spanien sind zum Beispiel Fragen der Wasserverschmutzung eine der sehr wenigen Umweltprobleme, für die sich die Mehrheit der Spanier interessiert. Die hohe Empfänglichkeit für diese Fragen ist im besonderen auf die historische Wasserknappheit zurückzuführen. ... Eine solche spezifische Position wäre aber weniger relevant in einem Land wie Irland, in dem Wasser beinah unbegrenzt zur Verfügung steht.“

Elementare Voraussetzung einer solchen Kampagne ist desweiteren „die Identifizierung ... von Drittparteien, die bereit sind als Fürsprecher aufzutreten und zu der jeweiligen Geschichte ... beizutragen.“ Erst wenn solche, scheinbar unabhängigen Fürsprecher gefunden sind, kann mit der Medienplatzierung begonnen werden. „Der typische Medienmix wird eine Auswahl aus der Fachpresse sowie aus lokalen, regionalen und nationalen Medien sein, einschließlich Printmedien, Rundfunk und Fernsehen.“ Dabei wird ausführlich beschrieben, wie die lokal platzierten Geschichten als Bündel zusammengefasst werden, um so „frische nationale Berichterstattung zu generieren“. Höhepunkt der Kampagne bildet schließlich ein europäischer Bioindustrie-Kongress „mit allen Journalisten, die eine positive Berichterstattung ... geliefert haben.“ Natürlich ist ein solcher Kongress ein überwältigender Erfolg, wie dem Abschnitt „Nachfolgeaktivitäten zum Kongress“ bereits zu entnehmen ist: „Pressemitteilung herausgeben mit Tenor ‚gewaltige Resonanz auf Kongress‘, ... ‚Kongress verweist auf gigantisches Wachstumspotential der Biotechnologien in unserer Region‘ sagt Bürgermeister Sound- So, etc. ...“

Insgesamt belegt dieses Strategie-Papier eindrücklich, die charakteristische Vorgehensweise der PR-Branche, in der auf Grundlage einer umfassenden Meinungsforschung detailliert analysiert wird, mit welchen Argumenten und Strategien die öffentliche Meinung im Sinne der Auftraggeber verändert werden kann. Dabei steht natürlich nicht die Stichhaltigkeit des einzelnen Arguments im Vordergrund, sondern allein seine Wirksamkeit.

Wie zahlreiche andere PR-Agenturen arbeitet Burson-Marsteller nicht nur für private Unternehmen oder Lobbyverbände, sondern auch für öffentliche Auftraggeber. 1980 versuchte die PR-Firma so zum Beispiel im Auftrag der argentinischen Militärdiktatur Investoren in das Land zu locken. „Wir arbeiten für glasklare geschäftliche und wirtschaftliche Ziele allein im Wirtschaftssektor“, so Harald Burson, Direktor von Burson-Marsteller, zu diesem damals umstrittenen Engagement: „Wir haben nichts mit all diesen Dingen zu tun, die man in der Zeitung über Argentinien in Bezug auf die Menschenrechte und andere Aktivitäten liest.“ [9]

Natürlich hat eine PR-Firma mit der Frage nach Menschenrechten doch nur dann etwas zu tun, wenn sie auch dafür bezahlt wird: zum Beispiel von Süd-Korea, das 1988 Burson-Marsteller engagierte, um während der dortigen Olympiade der Weltöffentlichkeit ein auch in Bezug auf die Menschenrechte sauberes Image präsentieren zu können. Oder das rumänische Ceaucesco-Regime, das Burson-Marsteller noch kurz vor der rumänischen Revolution als Kunde akquirieren konnte. Selbst vor der Zusammenarbeit mit Geheimdiensten und der Unterstützung eines verdeckten Krieges schreckte Burson-Marsteller nicht zurück. Über die Tochterfirma The Brook Group arbeiteten die PR-Profis Mitte der achtziger Jahre eng mit dem CIA zusammen, um eine Propaganda-Strategie für den Contra-Krieg in Nicaragua zu entwerfen. [10]


III) The Rendon Group und das Office of Strategic Influence

„Ich bin ein Informationskrieger“ [11], mit diesen Worten beschrieb sich 1998 John W. Rendon, dessen Public Relations-Agentur „The Rendon Group“ im Oktober 2001 vom US-amerikanischen Verteidigungsministerium engagiert wurde, um das Image der USA in der muslimischen Welt zu verbessern. Das Engagement der Rendon Group entsprang der Befürchtung des Pentagons, den sog. „war on terrorism“ an der PR-Front zu verlieren: Bilder ziviler Bombenopfer in Afghanistan könnten das ohnehin negative Image der USA in der islamischen Welt weiter verschlechtern. [12]

Zu den konkreten Aufgaben der Rendon Group gehört es, u.a. die Nachrichten aus 79 Ländern bezüglich des „war on terrorismus“ und des USA-Bildes auszuwerten sowie Strategien zu entwickeln, wie das US-Militär Desinformationskampagnen begegnen und sein Image verbessern kann. Darüber hinaus soll Rendon gezielt öffentliche Meinungsmacher und Multiplikatoren im Interesse des Pentagon bearbeiten und eine eigene Internetseite aufbauen, die den Krieg gegen den Terrorismus erläutert. [13]

Für seine Tätigkeit in den ersten vier Monaten erhielt die Rendon Group 397 000 Dollar. [14] Der Vertrag enthielt einen vertraulichen Anhang, der bislang weder von Rendon selbst, noch vom Pentagon kommentiert wurde. [15] Zu vermuten ist allerdings, dass hier Details über eine Kooperation zwischen der Rendon-Group und dem Office of Strategic Influence (OSI) festgeschrieben wurden. Die Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Institutionen gelang im Rahmen der Debatte um die Tätigkeit des OSI an die Öffentlichkeit. Ausgangspunkt des Skandals um die Tätigkeit des im Herbst 2001 eingerichteten „Büros für strategische Beeinflussung“ bildete ein Artikel der New York Times vom 19. Februar 2002. [16] Zentrales Aufgabengebiet des OSI sei es demnach gewesen, gezielt Falschmeldungen auch in verbündeten Staaten zu lancieren. Da das Pentagon, dem das OSI angegliedert war, nicht als Urheber der Nachrichten in Erscheinung treten durfte, sei die konkrete Arbeit an das private PR-Unternehmen Rendon ausgegliedert worden. Laut Brigadegeneral Worden, Leiter des OSI, ging es darum „inaccurate or misleading information“ [17] beispielsweise über die Verbreitung von Presseerklärungen mit gefälschten Absendern per e-mail an ausländische Presseagenturen zu streuen.

„Inaccurate or misleading information“ meint dabei Nachrichten, in denen Wahrheit und Lüge so vermengt werden, das letztere nicht mehr auffällt. Darüber hinaus zirkulierten im Pentagon geheimgehaltene Anweisungen, wonach es Aufgabe des OSI sei, Wege zu finden, ausländische Journalisten, dazu zu „zwingen“, die richtigen Meldungen zu lancieren, sowie diejenigen zu „bestrafen“, die gegen die Interessen der USA Nachrichten verbreiteten. [18]

Die öffentliche Debatte um die Tätigkeit des OSI führte innerhalb von wenigen Tagen zur Schließung des Büros. Der Grund hierfür lag weniger darin, dass sich das Pentagon von den Taktiken eines „information wars“ verabschiedet hätte, sondern „das Büro ist so beschädigt worden“, wie Verteidigungsminister Rumsfeld feststellte, „dass es nicht mehr effektiv funktionieren kann.“ [19] Nicht nur Rumsfelds Ankündigung, das Pentagon werde auch weiterhin alles daran setzen, in Übersee seine „Message rüber zu bringen“, lässt darauf schließen, dass die Tätigkeit des OSI durch andere Pentagon-Abteilungen übernommen wurde, auch die Tatsache, dass die Rendon Group seine Tätigkeit im Auftrag des Verteidigungsministerium für monatlich rund 100 000 Dollar fortsetzt, spricht für diese Annahme. [20]

Die Rendon Group kann dabei bereits auf einige Erfahrung in der Zusammenarbeit mit dem Pentagon und CIA verweisen. Die nach seiner Tätigkeit für die Wiederwahlkampagne von Jimmy Carter 1980 von John Rendon gegründete PR-Agentur wurde laut CIA 1989 engagiert, um die Wahlkampagne von Guillermo Endara in Panama zu unterstützen, der gegen den in Misskredit gefallenen General Noriega antrat. Rendon baute das Image Endaras als legitimen Volksvertreter auf, der gegen einen skrupellosen Diktator antritt und bereitete so – nach der Niederlage Endaras – die US-amerikanische Invasion Panamas im selben Jahr vor.

Den größten Coup landete die Rendon Group jedoch zwei Jahre später. Im Mai 1991, wenige Wochen nach dem die USA und ihre Alliierten die militärischen Kampfhandlungen gegen den Irak vorläufig eingestellt hatten, wurde Rendon erneut vom CIA angeheuert, um eine PR-Kampagne gegen Saddam Hussein durchzuführen. Ziel der Kampagne war es, die irakische Opposition zu stärken, um so den Sturz Husseins voranzutreiben. Für diese Aufgabe stand Rendon allein im ersten Jahr ein Budget von über 23 Millionen Dollar zur Verfügung. Neben der Erstellung einer Fotowanderausstellung über die Greueltaten der irakischen Armee, zahlreicher Video- und Radiospots und einem Anti-Hussein-Comicbuch nutzte die Rendon Group dieses Geld insbesondere für die Unterstützung einer nordirakische Koalition von Oppositionsgruppen, deren Namen „Irakischer National Congress“ von Rendon selbst erfunden wurde. Der offensichtliche Misserfolg der irakischen Opposition, den Sturz Saddam Husseins herbeizuführen, führte schließlich zum Ende der Kampagne und zu einer Untersuchung über den Verbleib des Geldes, das Rendon für seine Tätigkeit zur Verfügung gestellt wurde. [21]


IV) PR-Agenturen im Golf- und Jugoslawienkrieg – Hill & Knowlton und Ruder Finn

Das Engagement von privaten PR-Agenturen durch staatliche oder quasi-staatliche Institutionen im Rahmen von militärischen Konflikten ist allerdings nichts Außergewöhnliches mehr. Im Zusammenhang mit dem Golfkrieg löste so beispielsweise die Tätigkeit der international agierenden PR-Agentur Hill & Knowlton weltweite Empörung aus.

Hill & Knowlton wurde bereits zwei Tage nach der Invasion Kuwaits durch den Irak von der Organisation „Citizen For A Free Kuwait“ (später umbenannt in „Kuwait-America Foundation“) für eine der größten und effektivsten PR-Kampagnen der Geschichte engagiert. Die 10,8 Millionen Dollar, die Hill & Knowlton für den Auftrag erhielt, kamen direkt von der kuwaitischen Regierung, die nahezu den gesamten Haushalt der „Citizen For A Free Kuwait“ finanzierte.

Aufgabe des Hill & Knowlton-Teams unter Leitung des ehemaligen US-Information-Agency Officers Fitz-Pegado, der später wieder ins Weiße Haus wechselte, war es, die öffentliche Meinung in den USA für einen Krieg gegen den Irak zu formieren. Das PR-Team organisierte unter anderem Info- Tage zu Kuwait an zahlreichen Universitäten sowie einen „National Day of Prayer for a Free Kuwait“ in den Kirchen. Ebenso riefen in dreizehn Bundesstaaten die jeweiligen Gouverneure einen Gedenktag für Kuwait aus. Zehntausende von Aufklebern und T-Shirts wurden gedruckt und Hill & Knowlton erstellte eine tausendfach verteilte Pressemappe, in der u.a. die vermeintlichen Vorzüge der in der Realität zutiefst undemokratischen kuwaitischen Gesellschaft herausgestellt wurden. Man organisierte Treffen mit Zeitungs- und Rundfunkorganisationen, hielt Pressekonferenzen ab, auf denen kuwaitische Widerstandskämpfer von ihren heroischen Taten berichten durften, und ein ehemaliger CBS/NBC-Nachrichtenproduzent erstellte im Auftrag der PR-Profis 24 Nachrichtenvideos. Dem Hill & Knowlton-Team gelang es schließlich, sogar während der entscheidenden Tagung des UN-Sicherheitsrates einen Infostand mit Videos und großformatigen Fotos über die kuwaitischen Opfer der irakischen Invasion im UN-Gebäude selbst durchzusetzen. Parallel zu dieser PR-Offensive veranlasste Hill & Knowlton eine genaue Untersuchung der Reaktionen des TV-Publikums auf die Gulf-Crisis-Berichterstattung.

Höhepunkt der PR-Kampagne von Hill & Knowlton bildete jedoch eine zusammen mit dem Weißen Haus koordinierte Anhörung vor dem kriegskritischen US-Congress. In dieser Anhörung berichtete eine 15-jährige kuwaitische Krankenschwester unter dem Namen Nayirah unter Tränen davon, wie die irakische Armee in kuwaitischen Krankenhäusern Babys aus den Brutkästen gerissen und auf den Boden geworfen hätte, um das medizinische Gerät in den Irak abtransportieren zu können. [22]

Hill & Knowlton sorgten mit einem eigenen Kamerateam dafür, dass die erschütternden Aussagen von Nayirah von 700 TV-Stationen des Landes gesendet wurden. Allein auf ABC‘s „Nightline“ am 10. Oktober 1990 sahen 53 Millionen US-Bürger diese Aufnahmen. Der auch von Präsident Bush in seinen Reden mehrfach zitierte Auftritt Nayirahs bildete einen wesentlichen Faktor in der öffentlichen Unterstützung des Krieges. [23]

Nach dem Krieg ergaben jedoch Untersuchungen in Kuwait, dass in den dortigen Krankenhäusern keine Brutkästen fehlten. Amnesty International – die Organisation hatte zwischenzeitlich von 312 in diesem Zusammenhang getöteten Babys gesprochen – widerrief seine Zahlen als unhaltbar. Ein Jahr nach dem Krieg gegen den Irak flog schließlich auch die Identität Nayirahs auf: sie war die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA.

Die sogenannte „Brutkastenlüge“ gilt seitdem als Paradebeispiel für moderne Kriegspropaganda. Dies um so mehr, als im Vorfeld detaillierte Untersuchungen durchgeführt wurden, um zu ermitteln, welche Meldungen US-Bürger besonders schockieren. Das Ergebnis, Greueltaten an Babys, wurde von den Washingtoner Kommunikationsprofis mit dem inszenierten Auftritt „Nayirahs“ exakt umgesetzt. [24]

Natürlich wurde Hill & Knowlton nicht zufällig von der kuwaitischen Regierung engagiert. Im Gegenteil: der damalige Präsident von Hill & Knowlton, Craig Fuller, war ein Anhänger Bushs und dessen ehemaliger Stabschef im Wahlkampf. [25]

Bereits seit 1990 engagierte sich Hill & Knowlton für das Image des wichtigsten Nato-Partners der USA im Nahen Osten: der Türkei, deren Image unter dem Krieg gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK und auf Grund der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen erheblich litt. [26]

Darüber hinaus wurden Hill & Knowlton beste Verbindungen zum CIA nachgesagt. So soll der über drei Jahrzehnte als Leiter des 1961 gegründeten Washingtoner Hill & Knowlton-Büros tätige Robert K. Gray nicht nur persönlich mit dem damaligen CIA Direktor William Casey befreundet gewesen sein, sondern auch gerne damit geprahlt haben, alle wichtigen Entscheidungen mit dem CIA-Direktor höchstselbst abzusprechen.

Die Zusammenarbeit zwischen Hill & Knowlton und dem amerikanischen Geheimdienst muss jedenfalls recht fruchtbar gewesen sein. Laut einem ehemaligen CIA-Agenten hätten insbesondere die zahlreichen Überseebüros von Hill & Knowlton dem CIA als hervorragende Basis gedient. So hätten CIA-Agenten zum einen als Hill & Knowlton-Mitarbeiter eine einfache Tarnung erhalten, zum anderen hätten sie über die PR-Agentur die Möglichkeit gehabt, eine direkte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Da dies dem CIA innerhalb der USA offiziell verwehrt ist, war die Möglichkeit, dies verdeckt über die Auslandsbüros einer PR-Firma bewerkstelligen zu können, äußerst hilfreich. [27]

Auch der Krieg im ehemaligen Jugoslawien bot ein reichhaltiges Betätigungsfeld für die PR-Branche. Hill & Knowlton arbeite so zum Beispiel für die bosnisch-moslemische Unabhängigkeitsbewegung von Präsident Izetbegovic, einem islamischen Fundamentalisten, der in Bosnien-Herzegowina einen unabhängigen national-moslemischen Staat zu schaffen gedachte und dessen Öffentlichkeitsarbeit großzügig aus Saudi-Arabien finanziert wurde. [28] Darüber hinaus sind insbesondere die Aktivitäten von „Ruder Finn Global Public Affairs“ einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden. Egal ob Kroatien, Bosnien oder die kosovarische Unabhängigkeitsbewegung alle bedienten sich zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen 1991 und 1999 dieser Washingtoner PR-Agentur. Der Auftrag war jedesmal derselbe. Es galt dem kroatischen, bosnisch-moslemischen oder kosovo-albanischen Nationalismus ein positives Image zu verleihen und gleichzeitig die serbische bzw. jugoslawische Position in Misskredit zu bringen.

In den frühen neunziger Jahren war Ruder Finn für Kroatien und Bosnien tätig. Während Kroatien monatlich 16 000 Dollar an Ruder Finn zahlte, steigerte Bosnien 1992 seine monatlichen Ausgaben für die Washingtoner Kommunikationsprofis von 12 000 Dollar auf 200 000 Dollar monatlich. [29] Für die stattliche Summe von über eine Million Dollar im Jahr richtete Ruder Finn ein „Bosnia Crisis Communication Center“ ein. Ruder Finn erarbeitete ein stimmiges, beständig zu wiederholendes Aussagenpaket für die Repräsentation Bosniens. Von dem Kommunikationszentrum, das sich in einem Ruder Finn Büro befand, wurden die wichtigsten Medien in den USA, in Großbritannien, Frankreich und anderen Staaten bedient. Hier wurden Leitartikel formuliert und in Zeitungen wie der New York Times, der Washington Post oder dem Wall Street Journal platziert. Darüber hinaus baute Ruder Finn ein Fax- Netzwerk für internationale Bosnien-Berater auf. Auch zahlreiche humanitäre Organisationen und wissenschaftliche Einrichtungen waren an dieses Netzwerk angeschlossen.

„Unser Arbeitsgerät besteht im wesentlichen aus einer Kartei, einem Computer und einem Fax. Die Kartei enthält die Namen von einigen hundert Journalisten, Politikern und Repräsentanten humanitärer Organisationen und Universitätsangehörigen“, [30] so James Harff, der ehemaliger Direktor von Ruder Finn, der in einem Interview mit J. Merlino, dem stellvertretenden Direktor des 2. Französischen Fernsehens, seine Tätigkeit im Rahmen des Krieges in Jugoslawien noch ausführlicher erläuterte:

J. Harff: „Über 18 Monate lang haben wir sowohl für die kroatische und bosnische Republik, als auch für die Opposition im Kosovo gearbeitet. In dieser Periode konnten wir viele Erfolge verbuchen. ... Die Schnelligkeit ist entscheidend. ... Es ist die erste Behauptung, die wirklich zählt. Alle Dementis sind völlig wirkungslos.“

J. Marlino: „Wie oft haben Sie interveniert?“

J. Harff: „Die Häufigkeit ist nicht entscheidend. Man muss zum richtigen Zeitpunkt bei der richtigen Person intervenieren. Von Juni bis September haben wir dreißig Treffen mit den wichtigsten Nachrichtenagenturen organisiert. Darüber hinaus haben wir treffen zwischen offiziellen bosnischen Vertretern und Al Gore, Lawrence Eagleburger und zehn einflussreichen Senatoren – darunter George Mitchell und Bob Dole – arrangiert. Wir haben 13 exklusive Nachrichtenbeiträge herausgebracht, 37 last-minute-Faxe, 17 offizielle Schreiben und acht offizielle Berichte. Wir haben 20 Telefonate mit dem Weißen Haus geführt; wir haben mit 20 Senatoren und mit nahezu einhundert Journalisten, Redakteuren und anderen einflussreichen Leuten gesprochen.“

J. Merlino: „Auf welche Leistung sind Sie besonders stolz?“

J. Harff: „Dass es uns gelang, die jüdische Meinung auf unsere Seite zu ziehen. Dies war eine sensible Angelegenheit. ... Präsident Tudjman [aus Kroatien] war in seinem Buch ‚Ödland der geschichtlichen Wirklichkeit‘ sehr leichtsinnig, denn wenn man sein Werk liest, könnte man ihn des Antisemitismus bezichtigen. In Bosnien war die Situation nicht besser: Präsident Izetbegovic unterstützt in seinem Buch ‚Die islamische Erklärung‘ sehr stark die Bildung eines fundamentalistischen islamischen Staates. Abgesehen davon war die kroatische und bosnische Vergangenheit stark von einem wirklichen und brutalen Antisemitismus geprägt. Zehntausende von Juden kamen in den kroatischen Lagern um. All dies sprach dafür, dass Intellektuelle und jüdische Organisationen den Kroaten und Bosniern gegenüber feindlich eingestellt sein würden. Die Herausforderung für uns lag nun darin, diese Einstellung in ihr Gegenteil zu wenden. und wir meisterten diese Aufgabe mit Bravour. Anfang August 1992 veröffentlichte ‚New York Newsday‘ einen Artikel über serbische Lager. Wir ergriffen diese Gelegenheit sofort. Wir überlisteten drei große jüdische Organisationen – die B‘nai B‘rith Anti-Defamation League, das American Jewish Committee und den American Jewish Congress.

Wir schlugen vor, dass diese eine Annonce in der New York Times veröffentlichen und eine Demonstration vor der UNO organisieren.

Das war ein großartiger Coup. Als die jüdischen Organisationen in das Spiel auf Seiten der moslemischen Bosnier eingriffen, konnten wir sofort in der öffentlichen Meinung die Serben mit Nazis gleichsetzen.

Niemand verstand, was in Jugoslawien los war. Die große Mehrheit der Amerikaner dachte wahrscheinlich allenfalls darüber nach, in welchem afrikanischen Land sich Bosnien wohl befände. Aber mit einem einzigen Schlag konnten wir nun die einfache Story von den guten und den bösen Jungs präsentieren, die sich ganz von alleine weiterspielte. Wir gewannen, weil wir auf die Beeinflussung des jüdischen Publikums setzten. Fast unmittelbar danach benutzten die Medien eine andere Sprache mit sehr emotionsgeladenen Begriffen, wie ethnische Säuberung, Konzentrationslager etc., Begriffe, die man mit Bildern aus Nazi-Deutschland und den Gaskammern von Auschwitz assoziiert. Niemand konnte sich mehr dagegen wenden, ohne des Revisionismus angeklagt zu werden. Wir hatten hundertprozentigen Erfolg.“

J. Merlino: „Aber zwischen dem 2. und 5. August, als Sie das veranlassten, hatten sie doch keinerlei Beweise für das, was Sie behaupteten. Alles was Sie hatten waren zwei Artikel im Newsday.“

J. Harff: „Es gehört nicht zu unserer Arbeit den Wahrheitsgehalt von Informationen zu überprüfen. Wir sind dafür gar nicht ausgestattet. Unsere Aufgabe ist es, uns dienliche Informationen schneller zu verbreiten und sie an wohlüberlegte Zielgruppen weiterzuleiten. Wir haben die Existenz der Todeslager in Bosnien nicht überprüft. Wir haben einfach in der Öffentlichkeit verbreitet, dass Newsday dies bestätigt.“

J. Merlino: „Sind Sie sich bewusst, dass Sie sich da eine schwere Verantwortung aufgeladen haben?“

J. Harff: „Wir sind Profis. Wir hatten eine Job und den haben wir ausgeführt. Wir werden nicht bezahlt, um zu moralisieren.“ [31] [32]

Bereits 1992 schloss Ruder Finn, laut dem US-Department Of Justice – wo alle US-amerikanischen PR-Firmen, die für ausländische Regierungen arbeiten, ihre Verträge registrieren lassen müssen [33] – einen Vertrag mit einer bis dato nicht existierenden „Republik Kosovo“ ab, für die die Agentur bis 1997 arbeitete. [34] „Die Leute hatten keine Ahnung, wo das Kosovo überhaupt liegt, um welche Themen es dort geht, wer dort die entscheidenden Persönlichkeiten sind oder was die Interessen der US-Politik in dieser Region sind.“ [35] so noch einmal James Harff. [36] Allein 1995 organisierte Ruder Finn zwei Delegationsreisen von US-Kongressabgeordneten in den Kosovo und vier Reisen Rugovas, einem der verschiedenen Repräsentanten der kosovo-albanischen Unabhängigkeitsbewegung, in die USA, wo er u.a. auf führende US-Politiker wie Cristopher, Albright und Al Gore traf. Finanziert wurde die Kampagne u.a. von den albanischen Gemeinden insbesondere in New York, Chicago und dem mittleren Westen. Ruder Finn versorgte über 300 Kongressabgeordnete, ausländische Politiker und Journalisten, Vertreter von Menschenrechtsorganisationen und Nachrichtenagenturen mit Informationen über die Situation im Kosovo und mit Statistiken über Gewalttaten gegen die albanische Bevölkerung – „selbstredend“ so das Berliner Gegeninformationsbüro, „ausschließlich aus Sicht der Kosovo-Albaner.“ [37] In ihrer Erfolgsbilanz führt Ruder Finn aus, dass bis 1995 in den wichtigsten Publikationen der USA über 250 Artikel platziert werden konnten und 43 Interviews im nationalen und internationalen Fernsehen ausgestrahlt wurden.

Die Skrupellosigkeit der PR-Profis von Ruder Finn, die in ihrer Außendarstellung Wert auf ein weltoffenes, von der bildenden Kunst inspiriertes Image legen und sogar einen eigenen Beirat für ethische Fragen eingerichtet haben wollen, [38] wird auch an einem anderen Beispiel deutlich. 1998 ist die PR-Firma während des Konflikts um die Rolle von Schweizer Banken in Bezug auf die Vermögen von Holocaust-Opfern sowohl auf der Seite der Jewish Agency, die zusammen mit anderen jüdischen Organisationen eine Klage gegen die Schweizer Banken vorbereitet, als auch auf Seiten der Schweizer Regierung tätig, die Ruder Finn engagierte um einem befürchteten Image-Schaden auf Grund dieses Konflikts in den USA abzuwenden. Nach dem Bekanntwerden dieser Doppelrolle kündigten auf Grund des offensichtlichen Interessenskonflikt beide Parteien die Zusammenarbeit mit Ruder Finn auf. [39]

Nichtsdestotrotz ist Ruder Finn weiterhin die größte PR-Agentur, die noch in direktem Privatbesitz ist. Zum privaten Kundenstamm von Ruder Finn zählen u.a. Microsoft, Bayer-USA, Body-Shop und Volkswagen, für die Ruder Finn die „Beetlemania-Kampagne“ in den USA entwarf.


V) Public Relations: Propaganda oder „Properganda“?

Folgt mensch der Selbstdarstellung der größten PR-Agenturen, so scheint man es ausschließlich mit ethisch, sozial und ökologisch äußerst verantwortlichen Informationsdienstleistern zu tun zu haben, die nichts anderes als die fundierten Sachargumente ihrer Auftraggeber weitervermitteln. Fast schon selbstlos geht es allein um eine Bereicherung der öffentlichen Debatte, um eine im Zeitalter der Informationsgesellschaft schlicht notwendige Verstärkung wesentlicher Positionen. „Beeinflussung der öffentlichen Meinung“, „Manipulation“ oder gar „Propaganda“ sind Stichworte, die jeden wirklichen PR-Profi innerhalb von Sekunden zur Weißglut treiben können. Mit solchen Worten beschmutzt man schließlich das Image einer ganzen Branche und, sofern sie nicht ganz geleugnet werden, sind jene oben beschriebenen Fälle bestenfalls bedauerliche Einzelerscheinungen. Der durchschnittliche PR-Agent redet eben lieber über sein Engagement für Recycling Papier als über einen Auftrag vom Pentagon. Propaganda? Nein, damit hat Public Relations nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Dieses positive Selbstverständnis von Public Relations verkörperte bereits Ivy Lee, einer der beiden US-amerikanischen Ur-Väter moderner Öffentlichkeitsarbeit, dessen „Prinzipien Erklärung“ sich in jedem besseren PR-Lehrbuch wiederfindet:

„Unsere Arbeit ist vollkommen transparent. Wir verbreiten Nachrichten. ... Im Auftrag von Unternehmen und öffentlichen Institutionen stellen wir offen und aufrichtig direkte und zutreffende Informationen der Presse und der US-Öffentlichkeit zur Verfügung.“ [40]

Gleichwohl war Lee während des 2. Weltkriegs nicht nur für das amerikanische Unternehmen Standard Oil tätig sondern auch für die IG Farben im nationalsozialistischen Deutschland. Lee traf sich mit Hitler und versuchte für diesen das deutsche Wiederbewaffnungsprogramm in den USA als allein gegen den Kommunismus gerichtet zu vermitteln. Lee‘s Engagement für das nationalsozialistische Deutschland brachte ihn in Verdacht für den deutschen Geheimdienst zu arbeiten. Dieser Skandal um Lee führte schließlich zum Foreign Agents Registration Act, einem Gesetz dass PR-Agenturen und ihre Mitarbeiter in den USA dazu verpflichtet, sich öffentlich registrieren zu lassen, sofern sie für ein fremdes Land arbeiten.

Während Lee trotz dieses Skandals das positive Selbstverständnis von Public Relations verkörpert, steht Edward Bernays für einen offen machiavellistischen PR-Begriff. Bernays, der erst 1995 im Alter von 103 Jahren verstarb, war ehrgeizig darum bemüht sich mit seiner Autobiographie unter dem Titel „Biography of an Idea“ als „Father of Public Relations“ einen Platz in den Geschichtsbüchern zu sichern.

Bernays arbeitete 1918 während des 1. Weltkriegs für das Kriegsministerium im Creel Committee On Public Information, einer Abteilung, die zur Unterstützung der amerikanischen Kriegsbemühungen in Europa die US-Öffentlichkeit mobilisierte. Dieses für die Heimatfront zuständige Propagandabüro entwickelte eine Reihe moderner PR-Techniken, wie das massenhafte Versenden von Presseerklärungen, das gezielte Ansprechen von öffentlichen Multiplikatoren sowie die Verbreitung emotionalisierter Botschaften durch Werbung oder auch Spielfilme. Das Creel Committee lieferte nicht nur die Ausbildungsgrundlage für Bernays, sondern auch für etliche weitere Akteure, die nach dem Krieg zum Führungspersonal der ersten privaten PR-Agenturen avancierten. Tatsächlich kann so die Entstehung der modernen Public Relations als ein ziviles Abfallprodukt von militärisch motivierten Propaganda-Techniken beschrieben werden. [41] Dies wusste auch Bernays der seine Tätigkeit durchaus als Propaganda, so auch der Titel seines ersten Buchs, begriff: als „proper-ganda and not improper-ganda.“ [42]

Bernays war doppelt mit Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse verwandt und wurde auf Grund dessen nicht müde, seinen Onkel als seinen Mentor herauszustellen. Bernays interessierte sich dabei insbesondere für die Massenpsychologie von Freud und seinem Vorläufer Gustave Le Bon. Während es jedoch der Psychoanalyse in einem aufklärerischen Sinn darum geht, Unbewusstes bewusst zu machen, verfolgt Bernays mit seinem Konzept von Public Relations ein ganz und gar antiaufklärerisches Anliegen: „Wenn wir die Mechanismen und Motive des Massenbewusstseins verstehen“ so Bernays, wäre es möglich „die Massen nach unserem Willen zu kontrollieren und zu regieren, ohne dass sie es wissen.“ [43] Einen Widerspruch zu etwaigen Demokratie-Idealen kann Bernays darin nicht erkennen, denn „die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element in einer demokratischen Gesellschaft.“ [44] Bei einem solchen Demokratie-Verständnis verwundert es nicht, dass die Bücher Bernays auch zur Privatbibliothek Goebbels, dem größten deutschen Public-Relations Spezialisten, zählten. Ungeachtet dessen kokettierte Bernays gerne mit dem Image eines Liberalen, der im Rahmen seines Engagements für Lucky Strike zum Beispiel dazu beitrug, dass das Rauchen auch für Frauen sozial akzeptabel wurde.

In den fünfziger Jahren arbeitete Bernays schließlich bei einem Gehalt von 100 000 Dollar für die United Fruit Company. In deren Auftrag entwarf er eine Kampagne gegen die demokratisch gewählte Regierung Guatemalas, die es wagte gegen die Interessen von United Fruit zu verstoßen. Die Kampagne von Bernays zu der u.a. eine in hoher Auflage herausgegebene Broschüre mit dem Titel: „Kommunismus in Guatemala – 22 Fakten“ zählte, führte unmittelbar zu einem CIA gestützten Militärputsch in Guatemala. Bernays war in diesem Zusammenhang besonders stolz darauf, dass es ihm gelungen war, auch die liberalen Medien auf seine Seite zu ziehen. Während des Militärputsches selbst, versorgte Bernays die großen Presseagenturen wie Assocciated Press, United Press und The International News Service sowie Zeitungen wie die New York Times als erster mit exklusiven Nachrichten über die Vorgänge in Guatemala. [45]

Die erfolgreiche Guatemala-Kampagne Bernays bildete die Blaupause für ähnliche Kampagnen gegen Kuba und Vietnam. Trotz seines Erfolgs war Bernay bereits zu Lebzeiten ein Außenseiter in der PR-Branche: zu offen sprach der Gründungsvater der Public Relations von „Manipulation“ oder „Propaganda“.


VI) PR-Multis oder „wer das Geld hat, hat die Macht ...“

PR-Unternehmen prägen nicht nur an herausragender Stelle das Image und die Kommunikationsstrategien der wichtigsten multinationalen Konzerne, sondern auf Grund des globalen Fusions- und Konzentrationsdruck verschmelzen sie selbst zu einflussreichen „global players.“ Bereits in den frühen achtziger Jahren formulierte J. Walter Thompson, damals Inhaber des gleichnamigen weltweit agierenden Werbe- und PR-Multis zu dem auch Hill & Knowlton gehörte: „Wir halten in unseren Händen die größte Konzentration an Mitteln zur Erziehung und Überzeugung der Massen, die die Welt je gesehen hat – nämlich alle Kommunikatonskanäle der Werbung. Wir haben Macht. Warum sollten wir sie nicht nutzen.“ [46]

Wie gesagt, dies war Anfang der achtziger Jahre, bevor J. Walter Thompson 1987 von der WPP Group aufgekauft wurde. Neben Hill & Knowlton gehört seit dem Jahr 2000 auch Burson-Marsteller zur WPP-Group, die heute über 80 Unternehmen mit insgesamt 55 000 Angestellten in 92 Ländern ihr eigen nennt. Die Unternehmensgruppe mit Sitz in Großbritannien betreibt alleine 18 weltweit agierende Public Relations-Firmen. Martin Sorell, Gründer und Direktor von WPP, ist sich der Macht seiner Unternehmensgruppe bewusst. Ohne zu übertreiben, stellt „der Machiavelli der Madison Ave.“ [47], so das Time Magazin über Sorell, klar: „WPP ist eine potentielle Machtzentrale, eine gigantische Propaganda-Maschine.“ [48]

Bereits 1968 beschrieben Oskar Negt und Alexander Kluge wie eine klassisch-bürgerliche Öffentlichkeit durch sogenannte industrialisierte Produktionsöffentlichkeiten überlagert wird. Die Formen klassischer Öffentlichkeit (Zeitungen, Parlamente, Parteien) beruhten auf einer quasi handwerklichen Produktionsweise, die zusehends mit einer höher organisierten Produktionsstufe von Öffentlichkeit konfrontiert werden (Computer, Massenmedien, kombinierte Öffentlichkeits- und Rechtsabteilungen der Konzerne und Verbände). Das Aufeinandertreffen dieser verschiedenen Stufen von Öffentlichkeit veranschaulichten Negt/Kluge folgendermaßen:

„Ein Staatsanwalt und eine Schreibkraft treffen auf 30 Juristen und 60 Public-Relations-Fachleute eines Chemie-Konzerns, wenn sie versuchen einen Tatbestand der Umweltvergiftung an Ort und Stelle aufzudecken ... Hier steht die bloße Idealität bürgerlicher Öffentlichkeit gegen die kompakte Materialität der neuen Produktionsöffentlichkeiten.“ [49]

Mit diesem Beispiel wollten Negt / Kluge belegen, dass die neuen Produktionsöffentlichkeiten unmittelbarer Ausdruck der Produktionssphäre sind. Heute ist dieser Bereich von Produktionsöffentlichkeit im Zuge von Out-Sourcing und Verschlankung der Unternehmen zu einer eigenständigen Industrie geworden, deren Dienstleistungen, sofern es im unmittelbaren Interesse staatlicher Institutionen liegt, auch von diesen erworben werden.

In Deutschland wird die Public Relations Industrie in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Insbesondere der Bereich des direkten Lobbyings ist im Vergleich zu den USA, wo es für Unternehmen selbstverständlich ist, eine PR-Firma damit zu beauftragen, unmittelbar auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen, noch unterentwickelt. Doch mit dem Regierungsumzug nach Berlin verspürt die Branche gerade in diesem Bereich eine neue Offenheit. Die alten, festgefahrenen Bonner Strukturen werden durchlässiger für eine Politikgestaltung über bezahlte Lobbying-Spezialisten aus der PR-Branche. Wie in den Vereinigten Staaten wird sich mit der Zunahme dieses Bereichs auch die personelle Fluktuation von Politik zu privater PR-Industrie und umgekehrt erhöhen und so auf informelle Weise die beiden Bereiche stärker miteinander verflechten.

Bislang sind Kooperationen zwischen staatlichen Behörden und privaten PR-Agenturen in Deutschland insbesondere aus dem sozial-, gesundheits- und umweltpolitischen Feld bekannt. Hill & Knowlton arbeitet zum Beispiel in Zusammenarbeit mit hiesigen öffentlichen Institutionen, der Tourismusbranche und Terres de Hommes an einer ehrenwerten Kampagne gegen Kinderprostitution in der sog. Dritten Welt.

Inwieweit private PR-Firmen auch hierzulande maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung sensiblerer Themenbereiche nehmen und beispielsweise im Auftrag von Geheimdiensten, Bundeswehr oder Verteidigungsministerium agieren, bleibt ungewiss. Gleichwohl verdeutlichen die Argumentationslinien mit denen die Rot-Grüne Regierung sowohl den Einsatz der Bundeswehr gegen Serbien als auch in Afghanistan legitimierte, dass sie ihre PR-Lektionen gelernt haben. Argumente wie man müsse ein „Auschwitz“ im Kosovo verhindern oder zur Befreiung der afghanischen Frauen mit der Bundeswehr beitragen, waren weder stichhaltig noch hatten sie etwas mit den tatsächlichen Motiven der jeweiligen Militäreinsätze zu tun. Sie waren jedoch in hohem Maße dazu geeignet, die notwendige Legitimation für diese Kriege herzustellen.

Der Einfluss der PR-Branche auf die öffentliche Debatte wird deutlich, wenn mensch sich vergegenwärtigt, dass je nach Quelle 40 bis 80 Prozent des Inhalts einer Tageszeitung nicht auf eigener Recherche beruht, sondern auf vorgefertigte „Geschichten“, auf Presseerklärungen, Agenturmeldungen u.ä. zurückgeht. [50] Auch Fernsehredaktionen benutzen immer häufiger bereits journalistisch aufgearbeitetes Material von Anbietern, die ein vehementes Eigeninteresse mit diesem Material verfolgen. Häufig genug wird solches Material ohne Angabe der Quelle von den Sendern oder Zeitungsredaktionen verwendet und damit als eigene Recherche ausgegeben. [51]

Die Zugangsmöglichkeiten zu dem, was Öffentlichkeit genannt wird, unterliegen zahlreichen ineinandergreifenden Filtern. Das ist nicht neu. Der Bedeutungszuwachs der PR-Branche verschiebt jedoch die Chancen sich Gehör zu verschaffen, ein weiteres Stück in Richtung derjenigen Protagonisten, die es sich leisten können, für ihre Anliegen die professionellen Kommunikationsmanager der einflussreichsten PR-Multis anzuheuern. Oder um es mit den Worten der Berliner Geschäftsführerin von Hill & Knowlton zu sagen:

„Ja, wer das Geld hat, hat die Macht ...“


Fußnoten:
  1. Müller, Martina: Einführung in die Public Relations. 2001 [back]
  2. ebda. [back]
  3. zit. n. Risky Business: The World According To Hill & Knowlton. unter: www.prwatch.org/prwissues/1997Q1/risky.html [back]
  4. Müller, Martina: Einführung in die Public Relations. 2001 [back]
  5. Leinberger, Gisela: Script Krisenkommunikation. 2001 [back]
  6. ebda. [back]
  7. Ruiz, Carmelo: B-M: PR for the New World Order. unter: www.purefood.org/bmhist.html [back]
  8. Im Netz unter: www.netlink.de/gen/Zeitung/strategie.htm veröffentlicht; alle folgenden Zitate des Abschnitts sind diesem Papier entnommen. [back]
  9. zit. n.: Ruiz, Carmelo: B-M: PR for the New World Order. a.a.O. [back]
  10. ebda. [back]
  11. zit. n.: Miller, Laura u. Rampton, Sheldon: The Pentagon‚s Information Warrior. unter: www.prwatch.org/prwissues/2001Q4/rendon.html [back]
  12. Das Engagement der Rendon Group bildete nur ein Bestandteil der PR-Arbeit der Bush-Regierung im Zusammenhang mit dem „war on terrorism“. Als Reaktion auf die unmittelbare Berichterstattung des arabischen Nachrichtensenders Al-Jazeera, auf dessen Nachrichten wegen des Zeitunterschieds zu den USA nur verspätet reagiert werden konnte, richteten die USA eigene Kommunikationsbüros in Islamabad und London ein. Während für Afghanistan selbst die 4th Psychological Operation Group der US-Army Flugblätter und Radiosendungen entwickelte und sich die Unterhaltungsindustrie Hollywoods dem Weißen Haus anbot, wieder verstärkt mit ihren Produkten der Welt amerikanische Werte zu vermitteln, übernahm die bekannte Werbedesignerin Charlotte Beers für das State Department die Aufgabe eine TV-Werbekampagne für die islamische Welt zu entwerfen, in der USamerikanische Stars mit emotionalen Aussagen deutlich machen sollen, für was die Vereinigten Staaten tatsächlich stehen: für die Freiheit. [back]
  13. s.: www.commondreams.org/headlines01/1019-05.htm [back]
  14. s.: Solomon, Norman: War Needs Good Public Relations. unter: www.alternet.org/story.html?StoryID=11809 [back]
  15. s.: www.commondreams.org/headlines01/1019-05.htm [back]
  16. unter: www.earth-netone.com/nytimes021902.htm [back]
  17. zit. nach: Fülberth, Georg: Wahrheitskrieger. in: konkret 4/2002 [back]
  18. Schmitt, Eric u. Dao, James: A ‚Damaged‘ Information Office Is Declared Closed By Rumsfeld. in: New York Times 26. Feb. 02. unter: www.earth-netone.com/nytimes022602.htm [back]
  19. zit. n. Schmitt, Eric u. Dao, James: s.o. [back]
  20. ebd. [back]
  21. s.: www.abcnews.go.com/sections/world/cia/rendon.html [back]
  22. vgl. Carsile, Johan: Public Relationships: Hill & Knowlton, Robert Cray and the CIA. in: Covert Action Quarterly 44 Frühjahr 1993. unter: www.mediafilter.org/caq/HillProzent26Knowlton.html [back]
  23. Glotz, Peter: Chancen und Gefahren der Telekratie. in: Bollmann, Stefan: Kursbuch Neue Medien. Manheim 1995 [back]
  24. Gegeninformationsbüro: Infowar Reader Propaganda und Krieg [back]
  25. Auch unter Präsident Clinton wechselten hochrangige Beamte aus der Regierung in leitende Positionen bei Hill&Knowlton und vice versa. (vgl. Carsile, Johan. a.a.O.) [back]
  26. Hill&Knowlton repräsentierte auch das Duvalier Regime in Haiti. Im Jahr 1991 zählten mit einem Auftragsvolumen von insgesamt 14 Millionen Dallar u.a. China, Peru, Israel, Ägypten und Indonesien zu den Kunden von Hill&Knowlton. Private Auftraggeber in den USA waren u.a. die Scientology und Moon-Sekte sowie die katholische Kirche, für die Hill & Knowlton eine Anti-Abtreibungskampagne entwarf. (vgl. Carsile, Johan. a.a.O.) [back]
  27. vgl. Carsile, Johan. a.a.O. [back]
  28. Weitere PR Agenturen, die während des Krieges in Jugoslawien tätig waren, sind „Verner, Liipert, Bernhard, McPherson & Hand“, ein Washingtoner Lobbying-Unternehmen, das u.a. den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Bob Dole beschäftigte und Slowenien repräsentierte, die „Watermann Association“, die für Kroatien arbeitete, und die „Washington International Group“, die ca. ab 1999 für Bosnien sowie während der Rambouillet Verhandlungen kurz vor dem Nato-Angriff auf Serbien für die kosovarische Unabhängigkeitsbewegung tätig war. (vgl. Lituchy, Barry: Media Deception And The Yugoslav Civil War. unter: www.iacenter.org/bosnia/lituchy.htm sowie: Geman, Bee: Diplomacy for Hire. in: Boston Phoenix 6-1-99) [back]
  29. vgl. Lituchy, Barry: Media Deception And The Yugoslav Civil War. a.a.O. [back]
  30. zit. nach: Gegeninformationsbüro: Infowar-Reader. Propaganda und Krieg. a.a.O. [back]
  31. vgl.: Interviewauszüge in: Ramati, Yohana: Stopping the War in Yugoslavia. unter: www.balkanpeace.org/cib/bac/bac09.shtml und Cohen, Mitchel: PR Firms Create An Appearence Of „Genocide“. unter: www.greens.org/s-r/20/20-24.html sowie eine gekürzte deutsche Fassung unter: http://www2.pds-online.de/bt/themen/99041305.htm [back]
  32. Das Engagement Ruder Finns gegen die serbischen Interessen beantwortete die serbische Propaganda allerdings nicht minder skrupellos. Mit Bezug auf die jüdische Herkunft der beiden Ruder Finn Gründer wurden verstärkt antisemitische Ressentiments mobilisiert. [back]
  33. Diese Registrierungen sind im Netz als Semi-Annual Reports unter: www.usdoj.gov/criminal/fara/index.html einsehbar. [back]
  34. vgl. Lituchy, Barry: Media Deception And The Yugoslav Civil War. a.a.O. [back]
  35. J. Harff zit. nach: Geman, Bee: Diplomacy for Hire. a.a.O. [back]
  36. Nach dem Ende des Engagements von Ruder Finn für die verschiedenen Ex-jugoslawischen Republiken 1997 hat James Harff sein eigenes PR-Unternehmen „Global Communicators“ in Washington aufgebaut und verdient heute u.a. daran, den Wideraufbau der durch den Krieg in Jugoslawien zerstörten Stadt Dubrovni zu promoten und die kroatische Tourismusbranche wieder anzukurbeln. (s. u.: www.globalcommunicators.com) [back]
  37. Gegeninformationsbüro: Infowar-Reader. Propaganda und Krieg. a.a.O. [back]
  38. s. www.ruderfinn.com [back]
  39. Nussbaum-Cohen, Debrah: Leading PR-Firm Caught In Fray Between Swiss And Jewish Clients. unter: www.jewishsf.com/bk980515/uspr.htm [back]
  40. zit. n. Rampton, Sheldon: Book Review. Stewart Ewen‘s „PR! A Social History Of Spin“ in: PR Watch 1996 Vol. 3 No. 4. unter: www.prwatch.org/prwissues/1996Q4/ewen.html [back]
  41. vgl. ebda. [back]
  42. zit. n. Stauber, John und Rampton, Sheldon: „The Father of Spin ...“ by Larry Tye. Book Review. in PR Watch 1999 Vol. 6 No. 2. unter: www.prwatch.org/prwissues/1999Q2/bernays.html [back]
  43. zit. n.: Rampton, Sheldon: Book Review. Stewart Ewen‘s „PR! A Social History Of Spin“. a.a.O. [back]
  44. zit. n. Stauber, John und Rampton, Sheldon: „The Father of Spin ...“ by Larry Tye. Book Review. a.a.O. [back]
  45. vgl. ebda. [back]
  46. zit. n.: Beder, sharon und Gosden, Richard: WPP: World Propaganda Power. in: PR Watch Vol. 8 No. 2 2/2001. unter: www.prwatch.org/prwissue/2001Q2/wpp.html [back]
  47. zit. n. ebda [back]
  48. zit. n. ebda [back]
  49. Kluge, Alexander und Negt, Oskar: Öffentlichkeit und Erfahrung. Frankfurt/M. 1974. S. 37 bis 38 [back]
  50. Hill&Knowlton Deutschland spricht von 80 Prozent; Carsile, Johan (a.a.O.) von 40 Prozent. [back]
  51. Daimler-Benz verwehrte beispielsweise anlässlich eines umstrittenen Besuchs des chinesischen Staats- und Parteichefs Jiang Zemin FernsehjournalistInnen generell den Zutritt auf ihr Werksgelände und beauftragte statt dessen ein eigenes Kamerateam mit der Erstellung eines Nachrichtenspots, der dann umsonst an die diversen Nachrichtenredaktionen abgegeben und zum Teil, wie in der ZDF-Sendung „heute“ ohne eine Kennzeichnung, dass es sich um einen Beitrag des Unternehmens selbst handelte, ausgestrahlt wurde. Auch die Europäische Union und die Nato oder die Bundeswehr beliefern KorrespondentInnen mit eigenem, bereits journalistisch aufgearbeiteten Fernsehmaterial. (vgl. Röhn, Uli: PR-Filme in „Heute“ und „Tagesschau“ in: Film & TV-Kameramann 12/1995) [back]
 1. Mai 2002