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Iran, der Dollar und das Öl
18. März 2006 Berliner Zeitung Reinhard Blomert
Das auf die USA zugeschnittene System der Weltwährung gerät
aus den Fugen
Als der Finanzminister seinem König den Konzessionsvertrag vorlas, soll
Ibn Saud eingeschlafen sein. Erst abends, als im Kronrat Fragen zur Lage der
Frauen diskutiert wurden, war er mit Leib und Seele dabei. Das berichtete Harry
St. Johns Bridger Philby, ein britischer Abenteurer und Schriftsteller, der den
Vertrag für den mit ihm eng befreundeten Ibn Saud von Arabien erarbeitet
hatte, der zwischen der kalifornischen Statoil und dem arabischen Königshaus
im Jahre 1933 geschlossen wurde. Dieser Vertrag mit Philby, dem Vater des berühmten
Spions Kim Philby, wurde die Grundlage für die jahrzehntelange enge Verbindung
zwischen den Amerikanern und den Saudis, die trotz der Auflösung der Konzession
1976 und der Nationalisierung des Erdöls bis heute stabil geblieben ist.
Michael Sheldon Cheney, der in den Fünfzigerjahren die Pressearbeit für
die in Arabien bohrenden Ölgesellschaften (Aramco) machte, sah in diesen
Beziehungen den Beweis für die Möglichkeit, dass ein privater westlicher
Konzern die Ölvorkommen eines unterentwickelten Landes ausbeuten kann,
ohne die Souveränität des Gastlandes zu verletzen.
Sheldon Cheney, der seine Erfahrungen in einem Buch beschrieben hat („Big
Oilman from Arabia“), war sich jedoch nicht sicher, ob das Konzept aufgeht:
Das kleine Häuflein altruistischer Manager kam ihm „angesichts der
kalten Nacht der Nahostpolitik manchmal vor wie ein Häuflein Pfadfinder,
die sich im Bordell verirrt haben“. Dick Cheney, der heute die Fäden
der Nahostpolitik der USA in der Hand hält, glaubt nicht mehr an die Möglichkeit
der guten Beziehungen zu allen Ölstaaten. Er plant einen Nuklearschlag gegen
den Iran, dem eine längere kalte Nacht folgen dürfte. Sein Glaube an
den Altruismus ist gesunken, allerdings hat auch der Glaube an Cheneys Konzepte
in den USA stark nachgelassen, die drastisch gesunkenen Umfragewerte für
die Präzeptoren der amerikanischen Politik zeigen, dass deren Konfliktlösungen
nicht mehr auf die Zustimmung stoßen, die sie bräuchten.
Die bisherige Kriegsstrategie hat nicht zur Entspannung beigetragen. Heute, drei
Jahre nach der Eroberung des Iraks durch die Amerikaner, liegt der Ölpreis
auf dem Höchststand von über 60 Dollar. Die amerikanischen Konsumenten
leiden unter dem hohen Preis. Die Profite von Wal-Mart, des größten
Supermarkts, sind eingebrochen, und es besteht die Gefahr, dass die Kaufkraftverluste
der unteren Bevölkerungsschichten nicht mehr durch die Verbilligung der
Grundnahrungsmittel aufgewogen werden kann. Benzinpreise und Ölpreise steigen,
und der venezolanische Präsident Hugo Chavez bot den verarmenden amerikanischen
Städten den Bezug billigeren Öls für ihre Obdachlosen an.
Warum steigt der Ölpreis? Ist es die steigende Nachfrage bei sich verknappenden
Rohstoffen? Tatsächlich ist der Ölverbrauch seit den Sechzigerjahren
von 22 Millionen Barrel auf heute 82 Millionen Barrel angestiegen. Davon verbrauchen
die USA allein 22 Millionen Barrel, dreimal mehr als die Chinesen, die an zweiter
Stelle rangieren. Die USA, die in den Fünfzigerjahren ihre Nato-Partner
noch mit Öl versorgten, sind inzwischen zu zwei Dritteln selbst von Ölimporten
abhängig.
Bisher ist der Dollar das einzige Zahlungsmittel für Öl, denn der Ölmarkt
wird ausschließlich über die New York Mercantile Exchange (NYMEX)
und die Londoner International Petroleum Exchange (IPE) abgewickelt. Die arabischen Ölländer
beschweren sich aber schon seit längerem, dass der Ölhandel zu ihrem
Nachteil abgewickelt wird. Die alte Londoner Petroleumbörse war im Mai 2001
für 130 Millionen Dollar von der auf Derivative spezialisierten Inter Continental
Exchange (ICE) aus Atlanta übernommen worden. In der ICE haben die beiden Ölmultis
BP und Shell zusammen mit vier Investmentbanken - darunter Goldman Sachs, Morgan
Stanley und Deutsche Bank - die Federführung. Eine Börse, die nicht
von einem paritätischen Gremium der Börsenteilnehmer geleitet wird,
weckt Skepsis: Wie unabhängig kann die Preisbildung einer Börse noch
sein, wenn sie den Ölmultis gehört? Als die neue Leitung den Parketthandel
abschaffte und zum elektronischen Handel überging, schrillten bei den Börsianern
die Alarmglocken, denn gerade hatte der Fall der amerikanischen Energiehandelsfirma
Enron gezeigt, wie leicht sich elektronischer Handel manipulieren lässt.
Leon Guttman von der New Yorker NYMEX prophezeite das Ende der Transparenz bei
der Preisbildung auf dem Ölmarkt. Guttman musste es wissen, denn die Nymex
hatte gerade ihren größten Umsatzträger Enron Energy verloren.
Der Iran hat für den März 2006 die Eröffnung einer internationalen Ölbörse
angekündigt, die das westliche Börsenduopol brechen und das Öl
in Euro handeln soll. Der frühere Direktor der IPE, Chris Cook, wurde vom
Iran als Berater zur Errichtung der Ölbörse eingesetzt. Cook sieht
den Sinn dieser Börse darin, den Einfluss der Hedge-Fonds auf den Ölpreis
einzudämmen: Nicht die Organisation der Erdöl exportierenden Staaten
Opec, sondern die Investmentbanken und andere Börsenintermediäre sind
es, die den Preis verteuern. Adam Sieminski, Ölanalyst der Deutschen Bank,
räumt dem Projekt wenig Chancen ein: Tatsächlich hatte Dubai bereits
einen Versuch gemacht, eine eigene Böse einzurichten, doch der Versuch scheiterte
aus Mangel an Interesse. Andere Analysten sehen allerdings durchaus Chancen,
denn die Teheraner Börse soll den gesamten iranischen Ölexporthandel
mit 2,7 Millionen Barrel Rohöl pro Tag und 13 Millionen Tonnen petrochemischer
Rohstoffe pro Jahr koordinieren. Nach Saudi-Arabien hat der Iran die zweitgrößten Ölreserven
der Welt: Ein Wegfall dieser Kapazitäten würde einen herben Umsatzverlust
für die IPE bedeuten.
Ursprünglich war die Eröffnung der Teheraner Ölbörse bereits
für das Jahr 2005 geplant, wie ihr Architekt, Mohammad Javad Asemipour,
Berater des damaligen iranischen Energieministers, im Jahre 2004 hatte verlauten
lassen. Er hatte ein Konsortium aus iranischen und internationalen Firmen gebildet,
in dem auch ein früherer NYMEX-Direktor saß. Die ersten Lizenzen wurden
an arabische Investoren vergeben. Doch während Asemipour in London mit Vertretern
der Konzessionäre sprach, warnte man ihn, dass die westlichen Ölbörsen
von Finanzunternehmen und Ölfirmen beherrscht sind, die ihre eigenen Interessen
verfolgen und sich den Ölmarkt nicht gerne mit jemand teilen.
Für die ölexportierenden Länder des Nahen Ostens hätte die
Börse Vorteile, denn die arabischen Staaten und der Iran beziehen einen
immer größeren Teil ihrer Importe aus dem europäischen Raum,
die mit Euro bezahlt werden müssen. Amerikanische Exportartikel sind nicht
mehr gefragt, der Cadillac ist ausgemustert, man fährt europäische
Limousinen, kauft europäische Maschinen, Lebensmittel und andere Produkte.
Der Verfall des Dollar führt aber zu Kaufkraftverlust für alle Waren,
die in Euro bezahlt werden müssen und zu einer importierten Inflation. Auch
der Wert der Zentralbankreserven sinkt. Inzwischen drohen den arabischen Ländern
weitere Einbußen: Der Dollar beginnt seine universale Geltung zu verlieren,
denn sie können mit dem Dollar nicht mehr alles kaufen. Nach dem Verkaufsstopp
der amerikanischen Ölfirma UNOCAL an die staatliche chinesische CNOOC wegen
starker politischer Opposition gegenüber einem staatseigenen Unternehmen
im Jahre 2005 hat nun nach längeren Debatten der US-Kongress auch die Übernahme
der Bewirtschaftung von fünf US-Häfen durch ein Unternehmen aus dem
Emirat Dubai aus „Sicherheitsgründen“ gestoppt. John Negroponte,
der CIA-Chef, wurde Anfang März mit einer Untersuchung über die Geldströme
beauftragt, die über Konten in Dubai an terroristische Organisationen geflossen
sein sollen. Als Antwort darauf ließen am 14. März die Zentralbanken
mehrerer arabischer Emirate verlauten, dass sie über eine Umschichtung ihrer
Dollarreserven in Euro nachdenken.
Indirekt bezahlen auch Amerikaner bereits sehr hohe Steuern für die Aufrechterhaltung
der Ölpolitik. In der Militärzeitschrift Joint Forces Quarterly bezifferte
John M. Amidon die Kosten der USA für die militärische Sicherung des Ölzugangs
seit dem ersten Golfkrieg auf 2,2 Billionen Dollar. Würden diese Kosten
auf den Benzinpreis aufgeschlagen, so würde eine Gallone Benzin in den USA
sich um mehr als ein Drittel verteuern.
Das Weltwährungssystem, das die USA 1944 ganz nach ihren Bedürfnissen
eingerichtet hatte, kracht in allen Fugen. Die auf die USA zugeschnittene Struktur
wird zunehmend unhaltbar. Ausgerechnet die USA, für die der Weltwährungsfonds
von Beginn an ein Instrument der Öffnung der Märkte anderer Länder
für amerikanische Investoren gewesen ist, steht nun im Zentrum der Kritik:
Wenn der Chefökonom der Behörde, Raghuram Rajan, die Industriestaaten
anklagt, dass sie ihre Ungleichgewichte nicht korrigierten, und „mit protektionistischen
Reflexen auf Versuche von Unternehmen aus Schwellenländern reagierten, Firmen
in Industriestaaten zu übernehmen“, so sind damit die USA gemeint.
Die Verhandlungen mit dem Iran über das Atomprogramm sind gescheitert. Die
USA haben bekannt gegeben, dass sie dem Iran eine Frist von dreißig Tagen
setzen, um auf ihre Forderungen einzugehen. Scott Ritter, der ehemalige Inspektor
der Waffenkontrollkommission der UNO, warnte die USA inzwischen vor einem Krieg
mit dem Iran. Ritter ist überzeugt dass die Abfolge der Ereignisse schon
genau kalkuliert ist: Wie von den USA vorgesehen landete der Bericht der IAEO-Kommission
vor dem UN-Sicherheitsrat. Dieser wird keinen Beweis für ein Atomwaffenprogramm
des Irans erkennen. John Bolton, der amerikanische Botschafter bei der Uno wird
sodann eine Rede halten, in der er die Notwendigkeit der Verteidigung der USA
verkündet, weil die USA es sich nicht erlauben können, dass der Iran
seine Sicherheit bedrohe. Diese Rede, sagte Ritter, ist schon geschrieben: „Woher
ich das weiß? Ich habe die Rede gesehen, sie liegt bereits auf dem Tisch
von Bolton.“
Ritter erklärte auch, wie der Krieg geführt werde: Die Amerikaner und
Briten werden den Iran bombardieren in der Hoffnung, dass die Bevölkerung
revoltiert und eine amerikafreundliche Regierung an die Macht kommt. Im andern
Fall hofften die Alliierten darauf, dass der Iran Israel bombardiert. Das wird
dann der Anlass für die USA sein, eine Atombombe auf den Iran zu werfen.
Ritter, Parteimitglied der Republikaner und früherer Marineoffizier, sieht
den einzigen Ausweg in einem Machtwechsel in den USA: Nur eine demokratische
Regierung könne dies verhindern. Im Herbst sind Kongresswahlen in den USA. |
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