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Kriegsressourcen
www.german-foreign-policy.com 21.
März
2006
Die Bundeswehr wird beim kommenden EU-Militäreinsatz in der Demokratischen
Republik Kongo die Führung übernehmen. Wie Verteidigungsminister Jung
mitteilt, stellt Berlin die europäische Einsatzzentrale und mit 500 Soldaten
das größte Einsatzkontingent. Die Truppen sollen während und
nach den für Juni vorgesehenen Wahlen „stabilisierend“ in Kinshasa
eingreifen. „Stabilität in der rohstoffreichen Region“ nütze „der
deutschen Wirtschaft“, teilt der Bundesverteidigungsminister mit. Eine
der wichtigsten Rohstoff-Lagerstätten Zentralafrikas ist die Mine Lueshe
im Osten des Kongo, auf die staatliche Stellen der Bundesrepublik Ansprüche
erheben. Zu den Unternehmen, die seit Jahren Ressourcen aus der Region beziehen,
gehört eine Tochtergesellschaft der deutschen Bayer AG, H.C. Starck. Starck,
einer der weltweit bedeutendsten Vorstoffproduzenten für die Hartmetall-Industrie,
unterhielt jahrelang Geschäftsbeziehungen im Dickicht des kongolesischen
Bürgerkriegs. In die Rohstoffjagd ist auch diplomatisches Personal des Auswärtigen
Amtes verwickelt.
Wie der deutsche Außenminister gestern nach einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen
mitteilte, sind die deutschen Bedingungen für den Kongo-Einsatz „weitgehend
erfüllt“. Deutsche Soldaten sollen vorwiegend auf dem Kriegsschiff „Berlin“ vor
der westafrikanischen Küste stationiert sein; rund 100 deutsche Fallschirmjäger
werden auf einem französischen Stützpunkt in Gabun für etwaige
Evakuierungen zur Verfügung stehen. Mit der Leitung der Militäraktion
wird das Einsatzführungskommando in Potsdam-Geltow beauftragt, das sämtliche
deutschen Truppen im Ausland koordiniert und dabei Aufgaben eines Generalstabs übernimmt.
Die Regierung der DR Kongo hat nach massivem Druck am Sonntag dem Einsatz zugestimmt,
eine formale Aufforderung durch die Vereinten Nationen gilt als sicher.
Strategische Rohstoffe
Die DR Kongo verfüge „vor allem über strategische Rohstoffe (...),
die für Europa wichtig sind“, konstatiert der außenpolitische
Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff. [1] Dabei
handelt es sich unter anderem um Vorkommen, die für die Herstellung von
Düsenmotoren und Raketenteilen benötigt werden. Förderort ist
die die Mine Lueshe, eine der zwei bedeutendsten Lagerstätten ihrer Art
weltweit. Bei der Ausbeutung der Mine nahmen staatliche Stellen der Bundesrepublik
seit 1994 Teilhaberfunktionen wahr [2] und widersetzten sich Anordnungen
der kongolesischen Regierung. Ab dem Jahr 2000 wurde die Mine unter den zweifelhaften
Schutz konkurrierender Rebellenmilizen gestellt. Das „Rassemblement Congolais
pour la Démocratie“ (RCD) bezahlte seinen Sezessionskrieg mit Einkünften
aus dem Ressourcengeschäft. Wegen dieser Rohstoffdeals haben die Vereinten
Nationen erstmals 2001 schwere Vorwürfe erhoben und verdächtigen den
deutschen Organisator Karl-Heinz Albers, einer der Hauptfinanziers der damaligen
Kampfhandlungen zu sein.
Rücksprache
Trotz der Kritik der Vereinten Nationen und trotz entsprechender Interventionsforderungen
der EU ging die Bundesregierung nicht gegen das Firmennetz vor, das Albers in
Deutschland zur Abwicklung seiner kongolesischen Rohstoffgeschäfte aufbaute.
Vielmehr war diplomatisches Personal Berlins unterstützend in Albers’ Aktivitäten
verwickelt. Dies bestätigen Dokumente, die german-foreign-policy vorliegen.
So fungierte eine ehemalige deutsche Botschafterin [3] innerhalb des Firmennetzes
als Aufsichtsrätin. In einer Außenstelle in der ruandischen Hauptstadt
Kigali war sie mit operativen Geschäften beauftragt und hielt dabei Rücksprache
mit dem Auswärtigen Amt. Auch Maßnahmen der deutschen Botschaft in
Kinshasa kamen Albers zugute. Als die dortige Regierung nach dem Ende des Krieges
die Kontrolle über den Ostkongo zu übernehmen begann und Albers Anfang
2004 wegen seiner illegalen Ressourcengeschäfte inhaftierte, intervenierte
die Berliner Vertretung zu seinen Gunsten. Ein gewöhnlicher Akt der Fürsorge
für im Ausland angeklagte deutsche Staatsbürger, erklären deutsche
Diplomaten; Berlin habe massiven Druck ausgeübt und damit schließlich
Albers’ Flucht begünstigt, urteilen Zeugen gegenüber german-foreign-policy.com.
Mitverantwortung
In die Rohstoffgeschäfte der Jahre 2000 bis 2004 ist auch die Bayer-Tochtergesellschaft
H.C. Starck verwickelt. H.C. Starck gilt als einer der weltweit bedeutendsten
Produzenten von Vorstoffen für die Hartmetall-Industrie und erzielte im
vergangenen Jahr einen weltweiten Umsatz von 920 Millionen Euro. Das Unternehmen
aus Goslar gehörte bereits im Jahr 2002 zu den Firmen, deren Überprüfung
wegen kriegsfinanzierender Rohstoffgeschäfte im Ostkongo die Vereinten Nationen
forderten. Damals wurde der Bayer-Tochtergesellschaft „Mitverantwortung
für die grauenhaften Kämpfe“ im Kongo vorgeworfen, in deren Verlauf
mehrere Millionen Menschen ums Leben kamen. [4] Nach massiven Interventionen
gelang es dem Unternehmen, von der entsprechenden UN-Liste gestrichen zu werden. „H.C.
Starck kauft derzeit keine Rohstoffe aus Zentralafrika“, erklärte
die Firma im Juni 2003. [5]
Im Sande verlaufen
Tatsächlich trieb die Bayer-Tochter Handel mit dem von der UNO gebrandmarkten
deutschen Firmennetz, bis dessen Organisator Albers 2004 Insolvenz anmelden musste.
Dabei wickelte H.C. Starck seine Geschäfte teilweise über Ruanda ab
und erhielt auch Rohstoffe aus dem kongolesischen Kriegsgebiet. Beschwerden,
denen zufolge die Bayer-Tochtergesellschaft gegen internationale Handelsrichtlinien
verstoße und zur Verantwortung gezogen werden müsse, verliefen im
Sand. Zuständig für die Beurteilung der Beschwerden war das Bundeswirtschaftsministerium,
das bis heute deutsche Ansprüche auf die Mine Lueshe aufrechterhält.
Vorsorgepflicht
Vor dem Hintergrund der Verwicklung Berliner Behörden und deutscher Unternehmen
in die ausländische Rohstoffjagd wird das Expeditionskorps der Bundeswehr
im Kongo Maßnahmen ergreifen, die in den Verteidigungspolitischen Richtlinien
des Berliner Militärs „der gesamtstaatlichen Vorsorgepflicht“ gewidmet
sind. [6]
Fußnoten:
- Jung und Steinmeier werben für Truppeneinsatz im Kongo; Die Welt 17.
März 2006 [back]
- siehe dazu Kriegsressourcen
(I) [back]
- Johanna König [back]
- siehe dazu Strategischer
Rohstoff und „Erdöl, Kobalt, Coltan“ [back]
- Vorwürfe des VN-Expertenpanels widerlegt; H.C. Starck-Presse-Information
27. Juni 2003 [back]
- Verteidigungspolitische Richtlinien in der Fassung vom 21. Mai 2003 [back]
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