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Der Kongo soll das Testfeld sein
Wera Richter Unsere Zeit
(UZ) 31. März 2006
Tobias Pflüger im Interview
UZ: Der Einsatz einer EU-Truppe mit deutscher Beteiligung
im Kongo scheint längst
beschlossene Sache. Aber der Bundestag beschließt erst im Mai. Wie kann
das sein?
Tobias Pflüger: Hier in Brüssel haben letzte Woche zuerst das „Politische
und Sicherheitspolitische Komitee (PSK)“ – in dem sitzen die
Botschafter der Einzelstaaten bei der EU bzw. ihre für diesen Bereich ernannten
Stellvertreter – und dann der EU-Ministerrat den Einsatz beschlossen.
Zeitgleich wurde im europäischen Parlament noch über den Kongo-Einsatz
debattiert. Beim Beschluss mitgewirkt hat auch die deutsche Bundesregierung.
Die Vorbereitungen laufen bereits auf vollen Touren. Der Deutsche Bundestag soll
das Ganze im Mai dann nur noch abnicken.
UZ: Wie sah die Zustimmung im EU-Parlament letztlich aus?
Tobias Pflüger: Das Bizarre ist, dass das EU-Parlament und dort der zuständige
Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung weder seriöse Informationen über
EU-Militäreinsätze erhält, noch befugt ist über solche Einsätze
zu entscheiden. Insofern war die EU-Parlaments-Resolution lediglich symbolischer
Natur, um dann in den Mitgliedstaaten sagen zu können, das EU-Parlament
hat doch schon zugestimmt, da könnt ihr euch doch nicht verweigern. Der
Antrag der Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und Rechtsnationalen wurde
mit 455 bei 139 Gegenstimmen beschlossen, was für das „Konsens-Haus“ Europäisches
Parlament ein sehr schlechtes Ergebnis ist. Zur Erinnerung, die Linksfraktion
GUE/NGL hat lediglich 41 Mitglieder.
UZ: Im Grunde wurde über einen Einsatz beschlossen, der von der Aufgabenstellung
noch gar nicht definiert ist. Oder ist inzwischen klar, was die europäischen
Soldaten wo tun sollen?
Tobias Pflüger: Nein nichts ist klar, das ist ja gerade das Absurde. Mir
zeigt das noch einmal, dass es einfach nur darum geht, die militärische
Einsatzfähigkeit der EU zu erproben. Der Kongo soll das Testfeld sein, für
die kommenden Militärinterventionen der Europäischen Union. Die EU
soll hier als militärisch basierter Global Player ins Spiel gebracht werden.
UZ: Angeblich soll die Mission nach vier Monaten abgeschlossen sein. Ist das
realistisch?
Tobias Pflüger: Nein, auch in der Resolution im EU-Parlament wollte man
sich nicht auf einen konkreten zeitlichen Rahmen festlegen. Erst einmal vermute
ich, wird der Öffentlichkeit suggeriert werden, es handele sich nur um vier
Monate, dann wird immer wieder verlängert werden. Das ist wie bei allen
anderen Bundeswehreinsätzen. Auch hier gilt: einmal Kongo, immer Kongo.
UZ: Ginge es tatsächlich um die Absicherung der Wahlen, was wäre anstelle
eines Militäreinsatzes zu tun?
Tobias Pflüger: Natürlich geht es real nicht um die Absicherung der
Wahlen. Die sind ja nun erwartungsgemäß noch mal verschoben worden.
Die EU sollte zunächst einmal ihre militärische Zusammenarbeit mit
dem autoritären Regime von Joseph Kabila und den War-Lords beenden. Der
Kongo braucht keine EU-Militärberater. Den EU-ausgebildeten Polizeitruppen
werden zudem schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.
UZ: Worum geht es denn im Kongo tatsächlich? Immerhin
haben deutsche Politiker dort deutsche Wirtschaftsinteressen ausgemacht.
Tobias Pflüger: Es geht um die Absicherung von Rohstoffen für die deutsche
und EU-Wirtschaft und auch darum bei der Verteilung der Rohstoffreserven in Afrika
und insbesondere in Zentral- und Westafrika ein Wörtchen mitreden zu können.
Das sagt ja der deutsche Verteidigungsminister Franz-Josef Jung ganz deutlich: „Es
geht auch um zentrale Sicherheitsinteressen unseres Landes! Wenn wir nicht dazu
beitragen, den Unruheherd Kongo zu befrieden, werden wir mit einem großen
Flüchtlingsproblem in ganz Europa zu tun bekommen.“ Und weiter: „Stabilität
in der rohstoffreichen Region nützt auch der deutschen Wirtschaft.“ CDU-Abgeordnete
legten nach: Andreas Schockenhoff schreibt: „Kongo ist eines der ressourcenreichsten
Länder der Welt und verfügt vor allem über strategische Rohstoffe,
die für Europa wichtig sind: Wolfram, Mangan- und Chromerze, Kobalt, Uran,
Erdöl, Coltan, Beryllium. Europa und Deutschland haben ein Interesse daran,
dass der Abbau dieser Ressourcen legal und nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten
erfolgt. Kongo ist das mit Abstand wasserreichste Land auf dem Kontinent. ...“ EU-
und Bundeswehreinsätze zur Flüchtlingsabwehr und Rohstoffsicherung,
ekelhaft!
UZ: Ist Kongo der Übungsplatz für die EU-Kampftruppen?
Tobias Pflüger: Führende Vertreter Deutschlands, Frankreich und Großbritanniens
haben wiederholt verkündet, dass Afrika das primäre künftige Zielgebiet
von EU-Auslandseinsätzen, speziell der Battle Groups, sein werden. Die EU-Battle
Groups sind innerhalb von fünf Tagen einsatzfähig, bei einem noch zugerechneten
politischen Entscheidungszeitraum von zehn Tagen, könnten sie nach 15 Tagen
im Einsatzgebiet sein.
Hinsichtlich Deutschlands ergibt sich die Problematik, dass nach geltender Rechtslage
seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 12. Juli 1994 der Bundestag in der
Regel, leider nicht grundsätzlich, vor einer Entsendung deutscher Truppen
zustimmen muss. Im Auswärtigen Ausschuss antwortete mir ein Vertreter der
damaligen (zweite Jahreshälfte 2005) britischen EU-Ratspräsidentschaft,
er habe die Zusage deutscher Regierungsvertreter, dass die Zustimmung auch im
Nachhinein eingeholt werden könne. Diese Zusage der deutschen Vertreter
ist eine bewusste Falschinterpretation der Voraussetzungen für Truppenentsendungen
nach dem so genannten Parlamentsbeteiligungsgesetz, nachdem nur „Erkundungsteams“ ohne
vorherige Zustimmung des Bundestages ins Ausland geschickt werden dürfen,
was Battle Groups, wie auch der Name schon sagt, keineswegs sind. Dazu kommt,
dass afrikanische Truppen als Hilfstruppen für künftige Ordnungskriege
aufgebaut werden. |
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