zurück | antimilitaristische aktion
Neuer militärpolitischer think tank in Potsdam
www.german-foreign-policy.com Beitrag vom 28. März 2002


POTSDAM – Deutschland verfügt über einen neuen militärpolitischen think tank. Anfang März wurde das „Potsdam Center for Transatlantic Security and Military Affairs“ eröffnet. Das Institut, das der Universität Potsdam angegliedert ist und über einen Jahreshaushalt von drei Millionen Euro verfügen soll, steht unter der Schirmherrschaft des deutschen Verteidigungsministers Rudolf Scharping und des ehemaligen US-Außenministers Henry Kissinger. Einem Beratergremium gehören hochrangige Persönlichkeiten an, darunter der ehemalige deutsche Außenminister Klaus Kinkel, der ehemalige polnische Außenminister Bronislaw Geremek, der Berater des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, Michael Stürmer, und der ehemalige US-Botschafter John C. Kornblum.

Das „Potsdam Center“ soll „einen wichtigen Beitrag zur Verbreiterung der öffentlichen Diskussion über strategische Fragen in Deutschland leisten“. „Jetzt ist die Stunde gekommen, grundlegende Elemente deutscher Außen- und Sicherheitspolitik neu zu bestimmen“, äußerte Margarita Mathiopoulos, Gründerin und Geschäftsführende Direktorin des neuen Instituts, Ende letzten Jahres in der Presse. Die Diskussion darüber dürfe nicht der „intellektuellen Jammerlappenfraktion“ überlassen werden, die bei jedem Krieg „von amerikanischem Bombenterror faselt“. Als „europäische Zentralmacht“ brauche Deutschland, so die ehemalige Rüstungsmanagerin, einen „Mentalitätswechsel, um ein System integrativer Sicherheit zu entwickeln, das die Elemente innerer wie äußerer Sicherheit auf effektivste Art und Weise bündelt“. Den „Mentalitätswechsel“ soll das „Potsdam Center“ mit öffentlich geführten Debatten über Militärpolitik vorantreiben, weshalb – so Kodirektor Manfred Görtemaker – eine enge Zusammenarbeit mit den Medien angestrebt wird.


„Europäischer Einfluß auf die Politik der USA“

Daneben wird sich der neue think tank vor allem mit den zunehmenden Auseinandersetzungen zwischen Deutschland bzw. der EU und den USA beschäftigen. Während etwa der Direktor der einflussreichen „Stiftung Wissenschaft und Politik“ der transatlantischen Bündnisorganisation NATO schwindende Bedeutung zuschreibt, plädiert Mathiopoulos für ein stärkeres Engagement innerhalb der NATO, um über das Bündnis Druck auf die USA auszuüben: „Nicht beiderseitige heftige verdeckte oder öffentliche Kritik am jeweiligen Bündnispartner, sondern die institutionelle und militärische Stärkung der NATO ist das Mittel, um europäischen Einfluß auf die Politik der amerikanischen Verbündeten geltend machen zu können.“


Potsdam: Symbol für den preußischen Militarismus

Potsdam, einst wichtigste preußische Garnisonsstadt und Symbol für den preußischen Militarismus, entwickelt sich wieder zu einem zentralen Standort deutscher Militärpolitik. In Potsdam hatten die Alliierten nach der militärischen Niederschlagung des Nationalsozialismus die „völlige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands“ beschlossen. Heute befindet sich dort neben dem neu gegründeten „Potsdam Center“ das Militärgeschichtliche Forschungsamt der Bundeswehr; die Universität Potsdam verfügt über einen vom Bundesverteidigungsministerium finanzierten Lehrstuhl für Militärgeschichte. Im Potsdamer Vorort Geltow hat das „Einsatzführungskommando“ der Bundeswehr seinen Sitz, das zur Zeit die Bundeswehreinsätze in Südosteuropa, Ostafrika, Kuwait und Afghanistan koordiniert.

s. auch Berlin: Europäische Militärmacht wird NATO verdrängen und Erstmals nach 1945: Deutscher Generalstab in Aktion


Quellen:
Marshallplan gegen Talibanisierung; Die Welt 27. November 2001
Wir setzen hier auf viele durchreisende Verteidigungsminister; Berliner Zeitung 2. März 2002
Manfred Görtemaker: Statement March 4, 2002
Margarita Mathiopoulos: Rede zur Gründung des „Potsdam Center for Transatlantic Security and Military Affairs“ an der Universität Potsdam am 4. März 2002
Strategische Forschung in Potsdam; Süddeutsche Zeitung 5. März 2002
 28. März 2002