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Bruchlandung
eines Immobilienprofis
Hermann Werle MieterEcho
10. Oktober 2002
Immer häufiger orientiert sich der Wert einer Wohnung nicht an dem
Grundbedürfnis des Wohnens, sondern wird zum Spielball an den Börsen.
Immobilien-Aktiengesellschaften stoßen in die Lücke, die die städtischen
Wohnungsbaugesellschaften hinterlassen, wenn sie von Politikern fahrlässig
verschachert werden. Eine Armada von Unternehmen hat sich auf die Eroberung des
kommunalen Wohnungssegments spezialisiert. Einer der führenden Strategen
und „Börsenliebling“ dieses Geschäfts konnte den Hals nicht
voll genug kriegen und schlug unsanft auf dem harten Boden der Börse auf:
Karl Ehlerding.
An die täglichen Konkurse und Insolvenzen, die den Verlust tausender von
Arbeitsplätzen nach sich ziehen, müssen wir uns derzeit gewöhnen.
Titel wie „Insolvenzrekord in Deutschland“ (FAZ 12. September 2002)
oder „Keine Hoffnung mehr für Mobilcom“ (Tagesspiegel 13. September
2002) ließen sich beliebig aufzählen und prägen die Wirtschaftsseiten
der Tageszeitungen. Kaum eine Branche bleibt von den Hiobsbotschaften ausgenommen.
Eine der wenigen Sparten, die vom großen Sterben bislang verschont blieb
und „Ein Lichtblick im Tal der Tränen“ darstellt – möchte
man dem Wirtschaftskurier vertrauen schenken – ist die der Immobilien-Aktiengesellschaften.
„Wer der Hausse an den Börsen nicht traute und auf die vermeintlich
langweiligen Immobilien-Aktiengesellschaften setzte, der hat im nachhinein Recht
behalten: In der auf die Spekulationsblase folgenden Talfahrt haben sich die Werte
rund um die Immobilie besser gehalten als selbst Standardaktien,“ führt
das Wirtschaftsblatt aus. Hinzugefügt wird jedoch eine kleine Einschränkung:
„Die Kurse haben gegenüber Jahresbeginn nur wenig nachgegeben - mit
Ausnahme des Kurses der WCM Grundbesitz- und Beteiligungs-AG, Frankfurt, der nach
einem – allerdings später revidierten – Analystenbericht gewaltig
abrutschte.“
Schlaflose
Nächte
Ob revidiert oder nicht – und das sollte die Redaktion einer Wirtschaftszeitung
wissen – spielt keine Rolle, entscheidend ist die Wirkung zum Zeitpunkt
der Veröffentlichung. Analysen, d.h. Einschätzungen über Unternehmensstrategien
und den resultierenden Wert einer Aktie gehören zum Geschäft und zwar
in dem Sinne, dass sie nicht zwingend die Realitäten beschreiben als vielmehr
Realitäten schaffen sollen.
In diesem Zusammenhang interessiert uns aber nicht der mangelnde Sachverstand
des Wirtschaftskuriers, sondern die im MDAX notierte WCM. Die hatte sich vor nicht
allzu langer Zeit angeschickt die Berliner GSW einzukaufen nachdem sie durch die
Übernahme der Rinteln-Stadthagener Eisenbahn-AG (RSE) bereits Haupteigner
der GEHAG geworden war (siehe ME 279). Karl Ehlerding, der durch die größte
Einzelspende in der Geschichte der CDU für Aufmerksamkeit sorgte, steckt
tief im Spendensumpf der Union. Doch wer glaubt, dieser Umstand hätte den
Wert der WCM-Aktie beeinträchtigt, sieht sich getäuscht. Vielmehr hat
sich der Lenker und Hauptaktionär der WCM ganz schlicht verspekuliert. Mit
dem Kauf von Commerzbank-Aktien für angeblich 800 Millionen Euro setzte er
auf schnelle Gewinne. Da die erhoffte Fusion mit einem anderen Geldinstitut jedoch
nicht stattfand, blieb auch der Kurszuwachs der Aktie aus. Im Gegenteil, der Wert
der Commerzbank-Aktie und damit auch das Vermögen des Herrn Ehlerding sowie
die WCM-Papiere stürzten in den Keller. In wenigen Wochen fiel der WCM-Kurs
von ca. elf auf knapp drei Euro. Ehlerdings private Schulden sollen sich auf 500
Millionen Euro belaufen. Ein Bruchteil dieser Summe ließe die meisten Menschen
kein Auge zutun, denn des Kleinschuldners Leben ist recht schnell ruiniert. Den
Großen hingegen wird's gegeben und die Financial Times Deutschland zitiert
entsprechend einen Geschäftspartner des Finanzjongleurs mit den Worten: „Bei
100 000 Euro mögen Sie schlaflose Nächte haben. Bei 500 Millionen
Euro sind die schlaflosen Nächte Sache der Banken.“
Um die privaten Schulden zu verringern ist Ehlerding bereit, sich von einem Teil
seiner WCM-Anteile zu trennen. Um die Gesellschaft geschäftsfähig zu
halten, verkaufte die WCM im Juli 80 Prozent der GEHAG-Holding an die Hamburgische
Landesbank, einer der WCM-Hausbanken. Klemanns
GEHAG Fonds?
Dies führt uns zu einem weiteren alten Bekannten. Ein guter Geschäftspartner
und Juniorpartner Karl Ehlerdings ist Jürgen Klemann. Dieser geriet durch
sein Geschäftsgebaren ebenfalls in die Schlagzeilen. Der frühere Berliner
Bausenator, der den GEHAG-Verkauf an die RSE/WCM in die Wege leitete, geriet kürzlich
in den Strudel der Ermittlungen um die kriminellen Machenschaften der Berliner
Polit- und Bankenbosse. Im Zusammenhang mit den Fondsgeschäften der Bankgesellschaft
Berlin und ihrer Töchter steht der CDU-Politiker im Visier der Staatsanwaltschaft.
Es besteht der Verdacht, dass der so genannte „Gehag-Fonds 12“ auf
Kosten der damals landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GEHAG gerettet wurde.
Die Wohnungsbaugesellschaft soll eine der Fondsgesellschaft gehörende Immobilie
für einen um zwölf Millionen DM überhöhten Preis gekauft haben,
um prominente Fondszeichner wie Landowsky und Buwitt nicht zur Kasse bitten zu
müssen. Klemann entsandte seinerzeit in seiner Funktion als Bausenator Mitglieder
in den Aufsichtsrat der GEHAG. Nach einer Durchsuchung der Geschäftsräume
der GEHAG im Mai diesen Jahres sah sich die Staatsanwaltschaft in ihrem Verdacht
der Untreue bestätigt. Inzwischen wird gegen 59 bekannte Personen und 50
Unternehmen ermittelt. Mit Klagen oder gar Verurteilungen ist erfahrungsgemäß
nicht zu rechnen. Der ehemalige Kanzler Kohl kann sich noch immer auf sein Ehrenwort
berufen, und gesetzeswidrig seine „edlen“ Spender in der Anonymität
belassen. Und so wie Eberhard Diepgen kürzlich als Trauzeuge seinem Parteifreund
Klemann dienen durfte, würden sich diese Herren auch vor jedem Gericht gegenseitig
ihren guten Leumund bezeugen, was dann ihre Unschuld oder Unwissenheit belegt.
Betroffene der kriminellen Geschäfte sind neben den Steuerzahlern und Beschäftigten
die Mieter und Mieterinnen der betroffenen Gesellschaften. GEHAG-Mieter mußten
in den letzten vier Jahren drei Eigentümerwechsel hinnehmen und zuletzt eine
heftige Mieterhöhung. Leidtragende sind des Weiteren die Mitglieder der Genossenschaft,
die sich seit Jahren um den Kauf der Hufeisensiedlung bemüht. „Die
denkmalgeschützte Anlage verkommt zum Spekulationsobjekt“, zitiert
der Tagesspiegel ein Mitglied des Aufsichtsrates.
Zwar dürfte die WCM in absehbarer Zeit nicht mehr in der Lage sein, größere
Wohnungsbestände wie die der GSW zu übernehmen, das Thema der Privatisierung
von städtischen Wohnungsbaugesellschaften ist dennoch nicht vom Senatorentisch.
Vor dem nächsten Veräußerungsversuch sollten uns die Verantwortlichen
des Senats dann bitte erläutern, welche Absicherungen vorgesehen sind, wenn
privatisierte Wohnungsbestände durch Spekulationsgeschäfte plötzlich
wertlos werden. Haben wir dann Zustände wie in der Dortmunder Kielstrasse
zu erwarten, wo die Mieter und Mieterinnen nach und nach aus dem sogenannten „Horrorhaus“
auszogen, nachdem das Hochhaus verrottete und auf Grund nicht bezahlter Rechnungen
der Eigentümer von der Versorgung abgeschnitten wurde. Oder soll das Verschachern
weitergehen und irgendwelche Banken bedienen sich auf dem Wohnungs-Schnäppchenmarkt?
Erschienen im MieterEcho (Zeitung der Berliner MieterGemeinschaft)
www.bmg.ipn.de |
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