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Solidarität statt Fallpauschalen!
Bürgerbündnis gegen Privatisierung 20. April 2006


Warnstreik

28. April 2006 von 10 bis 12 Uhr
Charité Mitte, Eingang Schumannstraße *
Virchow Klinikum, Augustenburger Platz
Benjamin Franklin Klinikum, Nordrampe



Informationsveranstaltung zum Warnstreik

24. April 2006 ab 15 Uhr
Virchow Klinikum (großer Hörsaal Audimax)
per Videokonferenz verbunden mit:
Charité Mitte (Großer Hörsaal COZ)
Benjamin Franklin Klinikum (Hörsaal West)



Warum die Arbeitskämpfe in den Krankenhäusern uns alle angehen!

Gerade wird die nächste Gesundheitsreform verhandelt und bei allen Differenzen sind sich die Parteien von CDU/SPD bis FDP und die Vertreter der Wirtschaft an einem Punkt einig: Es soll teurer werden!

Durch erhöhte Krankenkassenbeiträge, höhere Praxisgebühren und Eigenanteile soll die Gesundheitsversorgung für Patienten und Patientinnen, daher für uns alle teurer werden.

Gleichzeitig sollen in den Krankenhäusern, wie hier in der Charité oder auch bei Vivantes, weiter massiv Stellen abgebaut, die Arbeitszeit verlängert und die Löhne reduziert werden. Die Beschäftigten wehren sich gegen diese Angriffe, weil die Arbeitsbelastungen bereits jetzt schon kaum zu ertragen sind und zu Lasten der Betreuung der Patienten und Patientinnen geht.


Die Versorgung soll also nicht nur teurer, sondern auch schlechter werden!

Immer mehr Kliniken in der ganzen Republik werden privatisiert oder für die Privatisierung vorbereitet, weil der so genannte „Gesundheitsmarkt“ satte Gewinne verspricht. Profi teure sind private Krankenhausketten wie Fresenius, Rhön, Sana oder Asklepios, die auf diesem Markt expandieren. Wenn die Bundesregierung also von „Reformen“ spricht, meint sie die „wettbewerbliche Ausrichtung“ des Gesundheitswesens, wie es im Koalitionsvertrag der SPD/CDU-Koalition lapidar heißt.

Wettbewerb heißt Konkurrenz und das bedeutet Kosten senken, wo es geht. Da der Anteil der Personalkosten an den Gesamtkosten in Krankenhäusern rund 70 Prozent ausmachen, ist es nahe liegend, dass hier die Daumenschrauben angezogen werden. Eine der Daumenschrauben ist das System der Fallpauschalen, das umseitig näher erläutert wird. Patienten und Patientinnen werden zu Fällen, mit denen sich bei sinkenden (Personal-)Kosten entsprechend höhere Profite erzielen lassen.

Gemeinsam mit der Initiative „Gesunde Charité“ erklärt sich das „Bürgerbündnis gegen Privatisierung“ solidarisch mit den Beschäftigten der Charité und ihren Forderungen (wie zum Beispiel gleiche Vertragsbedingungen für alle Beschäftigten; 38,5 Wochenstunden Arbeitszeit für alle; unter anderem) und ruft dazu auf, die Kollegen und Kolleginnen in ihrem Kampf für bessere Arbeitsbedingungen zu unterstützen.

Gesundheit darf keine Ware sein! Keine weiteren Privatisierungen!

* Wir unterstützen den Warnstreik!
Treffpunkt: 9.45 Uhr an der Charité Mitte



Das DRG-Fallpauschalensystem
Eine profitable Art der Krankenhausfinanzierung


Von den Medien wurde und wird es wenig beachtet und kaum einer kritischen Betrachtung unterzogen. In der Bevölkerung ist es nahezu unbekannt. Patienten und Patientinnen wundern sich manchmal nur noch, warum sie so schnell aus einem Krankenhaus in die ambulante Versorgung oder eine Altenpflege entlassen werden, und das Pflegepersonal weiß nicht mehr, wo ihm der Kopf steht und trotz wachsender Arbeitsbelastung, Stellen abgebaut werden.

Worum es hier geht, ist das DRG-Fallpauschalensystem (DRG bedeutet Diagnosis Related Groups – Diagnosebezogene Fallgruppen). Dieses System ist nicht irgendeine der vielen „Reformen“ der damaligen rot-grünen Koalition, sondern es ist das folgenreichste Element der Umstrukturierung des Gesundheitswesens. Es ist das Kernstück der Vermarktwirtschaftlichung der Krankenhausversorgung, sprich der Privatisierungspolitik und Ausrichtung einer bislang gesellschaftlich-sozialen Infrastruktur auf Profitmaximierung.


Fallpauschalen für den Profit

Seit 2003 bilden Fallpauschalen die Finanzierungsgrundlage der meisten Krankenhäuser in Deutschland. Bis 2009 soll es endgültig und mit einheitlicher Berechnungsgrundlage auf Bundeslandebene für alle Kliniken gelten und dann das bisherige Finanzierungssystem abgelöst haben, für das die Verweildauer im Krankenhaus die Berechnungsgrundlage darstellte. Wenn also früher die Behandlung eines Beinbruchs – vielleicht mit leichten Komplikationen – 16 Behandlungstage in Anspruch nahm, wurden diese 16 Tage nach einem festgelegten Pflegesatz von der Krankenkasse bezahlt (16 multipliziert mit dem Pflegesatz ergab den Erlös für das Krankenhaus).

Nach dem Fallpauschalensystem wird der gleiche Beinbruch einer Fallgruppe zugeordnet. Aus einem Vergütungskatalog lässt sich nun entnehmen, wie viel für diesen Beinbruch an das Krankenhaus bezahlt wird. Ergibt sich aus den Komplikationen eine längere Verweildauer, die durch den Pauschalenkatalog nicht mehr abgedeckt ist, so droht aus dem „Fall“ (was früher als Patient bezeichnet wurde) ein Verlust für die Klinik zu resultieren.

Die Richtwerte in dem Fallpauschalenkatalog ergeben sich aus bundesweit erhobenen Vergleichswerten, die unter anderem die durchschnittliche Verweildauer der Patienten und Patientinnen erfassen.

Die Gewinnberechnung für ein Krankenhaus ergibt sich aus der Anzahl der behandelten „Fälle“ und bei dem einzelnen „Fall“ aus dem im Katalog vorgesehenem Erlös, von dem die Material- und Betriebskosten sowie die Personalkosten abzuziehen sind. Zielvorgabe der Krankenhausmanager ist also möglichst viele „Fälle“ in möglichst kurzer Zeit zu versorgen.


Pflege im Minutentakt

Da das Pflegepersonal den größten Kostenfaktor darstellt, wird deren Arbeitszeit am einzelnen „Fall“, wie auch das des ärztlichen Personals, auf Minuten heruntergerechnet und mit 50 bis 60 Cent pro Pflegeminute in die Kostenrechnung einkalkuliert. Was in der Industrie die Lohnstückkosten sind im DRG-System die Lohnfallkosten, die es aus der Warte des Managements zu reduzieren gilt. Die Stellschrauben zur Senkung der Lohnfallkosten sind wie in der Industrie leicht ausgemacht: Reduzierung der Löhne und die Verkürzung der Taktdauer, sprich der Arbeitszeit am einzelnen „Fall“. Die Pflegearbeit untersteht somit einem strikten Zeitregime, dem auch die Patienten unterworfen sind, deren möglichst frühe Entlassung in die ambulante Versorgung aus Kostengründen angestrebt wird. Das führt wiederum dazu, dass die Arbeitsintensität auf den Stationen immens zunimmt, da nur noch pflegeintensive Patienten und Patientinnen verbleiben.

Zu Risiken und Nebenwirkungen des Fallpauschalensystems fragen sie das Pflegepersonal, denn diese erfahren die Konsequenzen Tag für Tag und ganz unmittelbar.

Patienten und Patientinnen sind keine Fälle! Fallpauschalen verursachen einen langsamen und schmerzlichen Tod des Gesundheitswesens!
 20. April 2006