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Streikforderungen
der Humboldt Universität
Antrag des Aktionsrates an die Vollversammlung am 26. November 2003
Die Vollversammlung hat folgende Streikforderungen beraten und beschlossen:
Präambel
Die gesellschaftspolitischen ‚Reformen‘ der letzten Jahre bedeuten
den Abbau sozialstaatlicher Errungenschaften und marktgesteuerten Umbau. Mit
den Kürzungen im Bildungsbereich wird das grundgesetzlich garantierte Recht
auf Chancengleichheit untergraben. Der Mehrheit der Menschen bleibt in Folge
dessen der Zugang zur Bildung zunehmend versperrt. Insbesondere ein Hochschulstudium
kann zu einem sozialen Risiko werden. Unter diesen verschärften Bedingungen
verliert die Universität ihren Sinn als öffentlicher Ort kritischer
Wissenschaft und Lehre „zum Erhalt und zur Verbesserung der menschlichen
Lebens- und Umweltbedingungen“ (BerlHG Paragraph 4, Absatz 2). Im Gegensatz
zu diesem Leitbild werden die Kürzungen in allen Bereichen der Stadt und
an den Hochschulen für einen Umbau benutzt, durch den genau die Politik
forciert wird, welche die Kürzungen überhaupt erst verursacht hat.
Die Gesellschaft wird zum Markt erklärt und hat sich an den Interessen
der großen Unternehmen
zu orientieren, um ökonomisch verwertbar zu sein.
Wir, die Vollversammlung (VV) der Studierendenschaft der Humboldt-Universität,
solidarisieren uns mit allen Betroffenen dieses gesellschaftlichen Umbauprozesses,
um gemeinsam für eine andere, humane Entwicklungsperspektive für diese
Stadt und für die Hochschulen zu kämpfen. Deswegen hat die VV am 19.
November 2003 beschlossen in den Streik zu treten: „In diesem soll es darum
gehen, so viel gesellschaftliche Verbündete wie möglich zu finden, um
eine sozial gerechte und zukunftsorientierte Politik einzufordern.“ (VV-Beschluss).
Dafür müssen die Auseinandersetzungen und Entscheidungen über
die nötigen bildungspolitischen Veränderungen aus den Hochschulen kommen
und sich an folgenden Grundsätzen orientieren:
- Keine Haushaltskonsolidierung mittels Kürzungen in Bildung, Sozialem
und Kultur. Diese Bereiche sind das eigentliche gesellschaftliche Entwicklungspotential
dieser Stadt und die Chance und Voraussetzung der Innovationen einer sozial gerechten
Wissensgesellschaft.
- Jede realistische Hochschulfinanzierung muss sich an der Zahl derjenigen orientieren,
die studieren wollen. Die jetzige Finanzierungsgrundlage darf nicht unterschritten
werden.
- Freier und gleicher Zugang zum Studium: Verbot jeglicher Studiengebühren,
egal, ob sie als Studienkonten oder nachgelagerte Akademikersteuer umgedeutet
werden.
- Grundsicherung in Form einer elternunabhängigen Förderung als Bestandteil
eines allgemeinen Existenzgeldes.
- Unabhängig von den Kürzungsforderungen muss eine Debatte über
die Strukturen und Aufgaben in den Hochschulen geführt werden. Die Breite
und Vielfalt der fachspezifischen Ausrichtung der Studienmöglichkeiten in
Berlin muss an allen Universitäten und Hochschulen erhalten bleiben.
- Die Demokratisierung der universitären Selbstverwaltung muss bei der
Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes durchgesetzt werden.
Deshalb fordern wir vom Berliner
Senat:
- Die Haushaltskonsolidierung muss zum Beispiel über ein gerechtes Steuersystem
vollzogen werden, da die Finanzprobleme aus einem bewussten Einnahmeverzicht resultieren.
Das Land Berlin muss eine entsprechende Gesetzesinitiative in die Wege leiten.
Insbesondere Profitgarantien bei Privatisierungen müssen abgeschafft werden,
zum Beispiel das Risikoabschirmungsgesetz für die Berliner Bankgesellschaft.
- Mindestens 150 000 ausfinanzierte Studienplätze.
- ersatzlose Rücknahme des Studienkontenmodells von Wissenschaftssenator
Flierl.
Im Rahmen der Novellierung des
Berliner Hochschulgesetzes fordern wir:
- Die Neuverhandlung der Hochschulverträge, wobei den universitären
Gremien eine aktive Teilhabe an den Verhandlungen zukommen muss.
- Viertelparität und Kreuzwahlrecht für alle universitären Gremien.
- Die Aufhebung des Beamtenstatus für ProfessorInnen (Bezahlung nach öffentlichem
Tarif). Stattdessen muß ein Konzept für Nachwuchsförderung entwickelt
werden, um den Generationenwechsel abzusichern.
Wir fordern von der akademischen
Selbstverwaltung:
- Der Akademische Senat muss den Vorschlag zum Strukturplan vom Präsidium
auch als Grundlage ablehnen.
- Die Humboldt-Universität muss zurück in den Arbeitgeberverband und
in den Flächentarifvertrag.
- Die Neugliederung der Fakultäten ohne hauptamtliche DekanInnen und mit
Stärkung der Institute. Es dürfen keine Großfakultäten gebildet
werden.
- Die Verkleinerung des hauptamtlichen Präsidiums auf höchstens drei
Stellen.
- Die Streichung des Paragraph 10, Absatz 5 der vorläufigen Verfassung
der Humboldt-Universität
zu Berlin (dieser Paragraph gibt dem Präsidium die Möglichkeit, universitäre
Gremien bei ungeklärten Zuständigkeiten zu umgehen).
Der Präsident muss vor der
Vollversammlung Stellung beziehen zu:
- den intransparenten Verhandlungen mit dem Berliner Senat,
- dem Zustandekommen des Kürzungsvorschlages und
- dem Missbrauch seines Amtes als Präsident in der Initiative ‚An
Morgen denken‘.
Wir fordern von der Bundesregierung:
- Das elternunabhängige BAföG als Vollzuschuss.
- Im Hochschulrahmengesetz eindeutig festzuschreiben: das Verbot jeglicher Formen
von Studiengebühren, das politische Mandat für die Verfasste Studierendenschaft,
die Einführung der Viertelparität in allen universitären Gremien
und die Abschaffung des Numerus Clausus.
- Eintreten für ein Studiengebührenverbot auch auf europäischer
Ebene.
- Die Einführung eines gerechten Steuersystems, das alle gemäß
ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert und die Finanzierung
der gesellschaftlichen Aufgaben durch den Staat sichert.
Wir rufen die Berliner Studierenden
auf, den Streik zu nutzen, um ihre Forderungen an eine Universität im 21.
Jahrhundert zu formulieren:
- Eine offene Universität nach dem Prinzip lebenslanges Lernen:
- HochschullehrerInnen statt privilegierten LehrstuhlinhaberInnen,
- projektorientierte Forschungsseminare von Studierenden,
- studentisches Beratungssystem,
- Abschaffung restriktiver Studienbedingungen (Zwangsberatung und Zwangsexmatrikulation)
- Öffnung des Hochschulzugangs für andere Qualifikationen.
Wir stellen jetzt Forderungen auf, die wir im nächsten Frühjahr bei
der Strukturplanung an der Humboldt-Universität, bei der Novellierung des
Berliner Hochschulgesetzes und, im Berliner Senat bei der Entscheidung über
das Studienkontenmodell und den Berliner Haushalt einbringen können! |
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