Feiertagsproteste stoppen keine Kriege
Arundhati Roy veröffentlicht
in der jW (20. Januar 2004) 16. Januar 2004
Der neue Imperialismus ist bereits über uns gekommen. Rede der indischen
Schriftstellerin Arundhati Roy auf dem 4. Weltsozialforum in Mumbai
Im Januar vorigen Jahres versammelten sich Tausende von uns aus der ganzen Welt
im brasilianischen Porto Alegre und erklärten: „Eine andere Welt ist
möglich.“ Ein paar tausend Meilen weiter nördlich dachten in Washington
George Bush und seine Berater das gleiche. Unser Projekt war das Weltsozialforum.
Ihr Ziel war es, das voranzubringen, was viele „Das Projekt für das
neue amerikanische Jahrhundert“ nennen. In großen Städten Europas
und Amerikas, wo solche Dinge noch vor ein paar Jahren nur geflüstert worden
wären, sprechen Menschen nun offen von den guten Seiten des Imperialismus
und von der Notwendigkeit eines starken Imperiums, um eine aufsässige Welt
zu überwachen. Die neuen Missionare wollen Ordnung auf Kosten von Gerechtigkeit.
Disziplin auf Kosten von Würde. Und Überlegenheit um jeden Preis. Gelegentlich
werden einige von uns eingeladen, das Problem auf „neutralen Plattformen
zu debattieren“, die von Medienkonzernen gestellt werden. Imperialismus
debattieren ist ein bisschen wie das Für und Wider von Vergewaltigung abzuwägen.
Was können wir dazu sagen? Dass wir so was wirklich vermissen?
Im Krieg gegen den Terror wird Armut mit Terrorismus vermischt
Jedenfalls ist neuer Imperialismus bereits über uns gekommen. Es ist eine
remodellierte, modernisierte Fassung dessen, was wir einst kannten. Erstmals in
der Geschichte hat ein einziges Imperium mit einem Waffenarsenal, das die Welt
an einem Nachmittag auslöschen kann, komplette, unipolare wirtschaftliche
und militärische Hegemonie. Es wendet verschiedene Waffen an, um unterschiedliche
Märkte aufzubrechen. Es gibt kein Land auf Gottes Erden, das sich nicht im
Fadenkreuz amerikanischer Marschflugkörper und IWF-Scheckbücher befindet.
Argentinien ist das Modell für die Titelfigur des neoliberalen Kapitalismus,
Irak hingegen das schwarze Schaf.
Arme Länder, die geopolitisch von strategischem Wert für das Imperium
sind oder einen „Markt“ haben, der privatisiert werden kann, oder
um Gottes Willen wertvolle natürliche Ressourcen wie Öl, Gold, Diamanten,
Kobalt, Kohle besitzen, müssen sich wie angeordnet verhalten, oder sie werden
zu militärischen Zielen. Jene mit den größten natürlichen
Reichtümern sind am meisten gefährdet. Sollten sie nicht bereitwillig
ihre Ressourcen der Konzernmaschinerie ausliefern, werden zivile Unruhen initiiert
oder Kriege vom Zaun gebrochen. In diesem neuen Zeitalter des Imperiums, da nichts
mehr so ist wie es scheint, dürfen Manager interessierter Companies außenpolitische
Entscheidungen beeinflussen. Das Zentrum für Öffentliche Integrität
in Washington fand heraus, dass neun von 30 Mitgliedern des Ausschusses für
Verteidigungspolitik der US-Regierung mit Unternehmen verbandelt waren, denen
zwischen 2001 und 2002 Aufträge im Verteidigungssektor in Höhe von 76
Milliarden Dollar zugeschanzt wurden.
George Shultz, der frühere US-Außenminister, war Vorsitzender des Komitees
für die Befreiung Iraks. Er sitzt auch im Aufsichtsrat der Bechtel-Gruppe.
Über einen Interessenkonflikt im Kriegsfall gegen Irak befragt, sagte er:
„Ich weiß nicht, ob Bechtel daraus besonderen Nutzen ziehen würde.
Aber wenn dort Arbeit verrichtet werden muss, dann ist Bechtel der Firmentyp,
der das machen könnte. Aber niemand betrachtet das als etwas, von dem man
profitiert.“ Nach dem Krieg schloss Bechtel einen Vertrag über 680
Millionen Dollar für die Rekonstruktion im Irak ab.
Diese brutale Blaupause ist immer wieder verwendet worden – quer durch Lateinamerika,
Afrika, Mittel- und Südostasien. Das hat Millionen Menschenleben gekostet.
Natürlich wird jeder Krieg des Imperiums zum gerechten Krieg erklärt.
Das hängt zum großen Teil von der Rolle der Medienkonzerne ab. Es ist
wichtig zu verstehen, dass Medienkonzerne nicht lediglich das neoliberale Projekt
unterstützen. Sie sind das neoliberale Projekt. Das ist keine moralische
Position, die sie sich ausgewählt haben, sondern strukturell bedingt. Es
ist wesentlich für die Ökonomien, wie die Massenmedien arbeiten. Viele
Nationen haben – ähnlich wie Familien – entsetzliche Geheimnisse.
Deshalb haben es die Medien oft gar nicht nötig zu lügen. Was betont
und was weggelassen wird, zählt.
Nehmen wir zum Beispiel an, Indien wäre als Ziel für einen gerechten
Krieg ausgewählt worden. Der Fakt, dass 80 000 Menschen seit 1989 in
Kaschmir getötet worden sind, die meisten von ihnen Muslime, und die meisten
von ihnen durch indische Sicherheitskräfte (was einen Jahresdurchschnitt
von ungefähr 6000 ergibt); der Fakt, dass im März 2003 über 2000
Muslime auf den Straßen in Gujarat ermordet, dass Frauen von Gruppen vergewaltigt
und Kinder bei lebendigem Leibe verbrannt und 150 000 Menschen aus ihren
Heimen vertrieben wurden, während die Polizei und die Administration zuschauten
und sich mitunter aktiv beteiligten; der Fakt, dass niemand für diese Verbrechen
bestraft und die Regierung, die das überblickte, wieder gewählt wurde
– all das würde perfekte Schlagzeilen liefern für internationale
Zeitungen im Zulauf auf einen Krieg. Weiter wissen wir, dass unsere Städte
von Marschflugkörpern dem Erdboden gleichgemacht würden, unsere Dörfer
mit Stacheldraht umzäunt, US-Soldaten durch unsere Straßen patrouillieren
würden und Narendra Modi, Pravin Togadia oder irgendein anderer populärer
Eiferer zu besten TV-Sendezeiten sich – wie Saddam Hussein im US-Gewahrsam
– ihr Haar nach Läusen durchsuchen und ihre Zahnfüllungen überprüfen
lassen müssten.
Aber solange unsere „Märkte“ offen sind, solange Enron, Bechtel,
Halliburton, Arthur Andersen freie Hand gelassen wird, können unsere „demokratisch
gewählten“ Führer sorglos die Linien zwischen Demokratie und Faschismus
verwischen. Die feige Bereitschaft unserer Regierung, die stolze Tradition der
Blockfreiheit aufzugeben, ihr Drang an die Spitze der komplett Gebundenen (die
Modephrase lautet „natürliche Verbündete“, zu denen Indien,
Israel und die USA zählen) haben ihr Beinfreiheit gegeben, sich in ein repressives
Regime zu verwandeln ohne Verlust ihrer Legitimität. Die Opfer einer Regierung
sind nicht nur jene, die sie tötet und einkerkert. Auch jene müssen
zu ihnen gerechnet werden, die enteignet, vertrieben und zu einem Leben in Hunger
und Entbehrung verurteilt sind. Millionen Menschen sind durch „Entwicklungsprojekte“
enteignet worden. In den vergangenen 55 Jahren haben in Indien durch Großdämme
zwischen 33 und 55 Millionen Bürger ihre Siedlungsgebiete verloren. Sie haben
keine Chance auf Gerechtigkeit.
In den letzten beiden Jahren gab es eine Serie von Zwischenfällen, bei denen
die Polizei das Feuer auf friedlich Protestierende, meistens Dalits und Adivasi,
eröffnete. Die Armen und besonders die Dalits und Adivasi-Gemeinschaften
werden getötet, weil sie Forstland nutzen, und sie werden getötet, wenn
sie die Nutzung von Forstland für Dämme, den Bergbau, Stahlwerke und
andere „Entwicklungsprojekte“ zu verhindern suchen. In nahezu jedem
Fall, in dem die Polizei schoss, behauptete die Regierung, die Polizei sei durch
Gewaltakte provoziert worden. Jene, auf die geschossen wurde, werden sofort als
Militante abgestempelt.
Quer durchs Land hat man unschuldige Menschen, inklusive Minderjährige, nach
dem Gesetz zur Verhinderung von Terrorismus eingesperrt und hält sie ohne
Prozess endlos fest. In der Ära des Krieges gegen Terror wird Armut hinterhältig
mit Terrorismus vermischt. In der Ära von korporativer Globalisierung ist
Armut ein Verbrechen. Protest gegen weitere Verarmung ist Terrorismus. Und nun
sagt unser höchstes Gericht sogar, streiken ist ein Verbrechen. Kritik an
den Gerichten ist selbstverständlich auch ein Verbrechen.
Wie der alte Imperialismus beruht auch der neue Imperialismus auf einem Netzwerk
von Agenten, korrupten lokalen Eliten, die dem Imperium dienen. Wir alle kennen
die schlimme Geschichte von Enron in Indien. Die damalige Regierung von Maharashtra
schloss ein Abkommen über Stromlieferungen, die Enron Profite sicherten,
die 60 Prozent des gesamten indischen Budgets für die landwirtschaftliche
Entwicklung ausmachten. Einer einzigen amerikanischen Company wurde ein Profit
garantiert im Äquivalent von Fonds zur Entwicklung der Infrastruktur für
etwa 500 Millionen Menschen!
Cancun lehrte uns, internationale Allianzen zu schmieden
Anders als zu alten Zeiten muss der neue Imperialist sich nicht durch die Tropen
schleppen, Malaria, Durchfälle und einen frühen Tod riskierend. Neuer
Imerialismus kann über E-Mail ausgeführt werden. Die vulgären,
klassischen Rassisten des alten Imperialismus sind überholt. Der Eckstein
des neuen Imperialismus ist neuer Rassismus. (Hier folgt eine ausführliche
Passage, in der Arundhati Roy ironisch Truthähne, die nicht zum US-Erntedankfest
auf dem Festtisch landen, mit den neuen, „sorgfältig gezüchteten
Truthähnen, den lokalen Eliten verschiedener Länder, einer Gemeinschaft
reicher Immigranten, Investment-Bankern, Leuten wie Colin Powell oder Condoleezza
Rice, einigen Sängern und Schriftstellern“, vergleicht, die sie unter
Begünstigte im neuen Rassismus eingruppiert. „Die Millionen anderen
verlieren ihre Jobs, werden aus ihren Wohnungen geworfen, bekommen Wasser und
Strom abgedreht und sterben an AIDS“, sagt sie in diesem Kapitel.)
Teil des Projekts neuer Rassismus ist neuer Genozid. In dieser Ära neuer
wirtschaftlicher Interdependenz kann neuer Genozid durch ökonomische Sanktionen
gefördert werden. Das heißt, Bedingungen zu schaffen, die zum Massensterben
führen, ohne dass man Menschen direkt töten muss. Dennis Halliday, von
1997 bis 1998 UN-Koordinator für humanitäre Angelegenheiten in Irak
(danach trat er angeekelt zurück), verwendete den Begriff Völkermord,
um die Sanktionen gegen Irak zu beschreiben. Die Sanktionen, denen eine halbe
Million Kinder zum Opfer fielen, stellten alle Bemühungen Saddam Husseins
noch in den Schatten. In der neuen Ära ist Apartheid als formelle Politik
antiquiert und unnötig.
Internationale Instrumente von Handel und Finanz steuern ein komplexes System
von Handelsgesetzen und Finanzabkommen, die die Armen ohnehin in ihren Bantustans
festhalten. Ihr ganzer Zweck besteht darin, Ungleichheit zu institutionalisieren.
Warum sonst würden die USA das Produkt eines Textilherstellers in Bangladesch
zwanzigmal höher besteuern als eins made in Großbritannien? Warum sonst
produzieren Länder mit 90 Prozent des Weltkakaoanbaus nur fünf Prozent
der Schokolade in der Welt? Warum sonst werden Kakao anbauende Länder wie
die Elfenbeinküste und Ghana mit Besteuerung vom Markt gedrängt, wenn
sie versuchen, ihren Rohkakao in Schokolade zu veredeln? Warum sonst fordern reiche
Länder, die täglich über eine Milliarde Dollar für Agrarzuschüsse
ausgeben, dass arme Länder wie Indien alle Agrarsubventionen, einschließlich
der für Elektrizität, abbauen? Warum sonst stecken ehemalige Kolonien,
die über mehr als ein Jahrhundert lang von den Kolonialregimes ausgeplündert
wurden, in der Schuldenfalle genau dieser Regimes und zahlen ihnen 382 Milliarden
Dollar pro Jahr zurück?
Aus all diesen Gründen war die Entgleisung der Handelsabkommen in Cancun
so entscheidend für uns. Auch wenn unsere Regierungen versuchen, sich damit
zu rühmen, wissen wir doch, dass dies das Resultat des Kampfes von vielen
Millionen Menschen in sehr vielen Ländern über Jahre hinweg war. Was
uns Cancun lehrte ist, dass, um wirklichen Schaden anzurichten und radikalen Wandel
zu erzwingen, es für lokale Widerstandorganisationen von vitaler Bedeutung
ist, internationale Allianzen zu schmieden. Von Cancun lernten wir die Bedeutung
globalisierten Widerstands.
Keine einzelne Nation kann sich dem Projekt der korporativen Globalisierung aus
eigener Kraft widersetzen. Immer wieder haben wir erlebt, dass die Helden unserer
Zeit schrumpfen, wenn es um das neoliberale Projekt geht. Außergewöhnliche,
charismatische Männer, Giganten in Opposition, werden machtlos auf der globalen
Bühne, wenn sie Staatsoberhäupter werden. Ich denke hier an Präsident
Lula von Brasilien. Lula war der Held des Weltsozialforums letztes Jahr. In diesem
Jahr verwirklicht er eifrig die IWF-Richtlinien, reduziert Renten und entschlackt
seine Arbeiterpartei von Radikalen. Ich denke auch an Südafrikas Expräsidenten
Nelson Mandela. Innerhalb von zwei Jahren nach seinem Machtantritt machte seine
Regierung einen Kniefall vor dem Gott der Marktwirtschaft. Sie führte ein
massives Programm von Privatisierung und strukturellen Anpassungen ein, das Millionen
Menschen ohne Heim, arbeitslos, ohne Wasser und Elektrizität hinterlässt.
Warum passiert das? Es macht wenig Sinn, sich an die Brust zu klopfen und betrogen
zu fühlen. Lula und Mandela sind in jeder Beziehung großartige Menschen.
Aber im Moment, da sie von der Opposition ins Regierungslager wechselten, wurden
sie zu Geiseln eines ganzen Spektrums von Bedrohungen, die übelste davon
die Drohung mit Kapitalflucht, die jede Regierung über Nacht zu Fall bringen
kann. Anzunehmen, dass das persönliche Charisma und ein kampferfüllter
Lebenslauf das korporative Kartell anknackst, bedeutet nicht zu verstehen, wie
der Kapitalismus funktioniert oder wie Macht ausgeübt wird. Radikaler Wandel
wird nicht durch Regierungen ausgehandelt, er kann nur durch Menschen erzwungen
werden.
Wir müssen unsere Strategie des Widerstands diskutieren
In dieser Woche werden auf dem Weltsozialforum einige der besten Köpfe der
Welt Ideen darüber austauschen, was um uns herum geschieht. Diese Konversationen
schärfen unsere Vision über die Art von Welt, für die wir kämpfen.
Das ist ein vitaler Prozess, der nicht untergraben werden darf.
Dennoch besteht das Risiko, wenn auf Kosten wirklicher Aktion alle unsere Energien
auf diesen Prozess gerichtet werden, dass das WSF, das eine entscheidende Rolle
in der Bewegung für globale Gerechtigkeit gespielt hat, zu einem Guthaben
unserer Feinde wird. Wir müssen dringend unsere Strategien des Widerstands
diskutieren. Wir müssen reale Ziele ins Visier nehmen und wirklichen Schaden
anrichten. Gandhis Salzmarsch war nicht lediglich politisches Theater. Als in
einem simplen Akt von Ungehorsam Tausende Inder zum Meer marschierten und dort
ihr Salz gewannen, brachen sie das Gesetz der Salzsteuer. Das war ein direkter
Schlag gegen den ökonomischen Unterbau des britischen Empires. Er war real.
Während unsere Bewegung einige wichtige Siege errungen hat, dürfen wir
gewaltlosen Widerstand nicht zu ineffektivem, wohlgefälligem politischen
Theater verkümmern lassen. Er ist eine sehr kostbare Waffe, die ständig
geschärft und justiert werden muss. Es darf nicht erlaubt werden, dass sie
lediglich zum Spektakel, zu einer Fotomöglichkeit für die Medien wird.
Es war herrlich, als am 15. Februar vorigen Jahres zehn Millionen Menschen auf
einer eindrucksvollen Demonstration öffentlicher Moral, zehn Millionen Menschen
auf fünf Kontinenten gegen den Krieg in Irak marschierten. Es war wunderbar,
aber es war nicht genug. Der 15. Februar war ein Wochenende. Niemand musste einen
Arbeitstag verpassen. Feiertagsproteste stoppen keine Kriege. George Bush weiß
das. Die Selbstsicherheit, mit dem er die überwältigende öffentliche
Meinung missachtete, sollte uns allen eine Lehre sein. Bush glaubt, Irak kann
okkupiert und kolonisiert werden, wie es mit Afghanistan geschieht, mit Tibet
geschieht, mit Tschetschenien geschieht, wie es in Osttimor der Fall war und in
Palästina noch der Fall ist. Er glaubt, dass alles, was er zu tun hat, ist,
sich hinzuhocken und zu warten, bis die über Krisen berichtenden Medien,
die dieses Thema bis auf die Knochen ausgeschlachtet haben, es fallenlassen und
weiterziehen. Bald wird der Kadaver von den Bestseller-Charts rutschen, und wir,
alle Empörten werden das Interesse daran verlieren. So jedenfalls hofft er.
Diese unsere Bewegung braucht einen großen, globalen Erfolg. Es ist nicht
gut genug, Recht zu haben. Manchmal ist es wichtig, etwas zu gewinnen, wenn auch
nur, um unsere Entschlossenheit zu testen. Um etwas zu gewinnen, müssen wir
– alle, die sich hier und dort drüben bei Mumbai Resistance versammelt
haben – in etwas übereinstimmen: dass es nicht eine überlappende,
vorherbestimmte Ideologie braucht, in die wir unsere geschätzten, aufrührerischen
argumentativen Selbst hineinzwängen. Es bedarf keines bedingungslosen Untertanengehorsams
gegenüber der einen oder anderen Form von Widerstand, um alles andere auszuschließen.
Es könnte eine Minimalagenda sein.
Lasst uns den Blick auf Irak werfen
Wenn alle von uns wirklich gegen Imperialismus und gegen das Projekt des Neoliberalismus
sind, dann lasst uns den Blick auf Irak werfen. Irak ist die unvermeidliche Kulmination
von beidem. Zahlreiche Kriegsgegner haben sich seit der Gefangennahme Saddam Husseins
zurückgezogen. Ist die Welt nicht besser ohne Saddam Hussein? fragen sie
ängstlich.
Schauen wir der Sache ein für allemal ins Auge. Der Gefangennahme Saddam
Husseins durch die US-Army zu applaudieren und deshalb im nachhinein ihre Invasion
und Okkupation Iraks zu rechtfertigen, ist wie Jack the Ripper (den Schlächter)
anzubeten, weil er den Boston-Würger ausgeweidet hat. Und das nach einem
Vierteljahrhundert Partnerschaft, in der Schlächter und Würger ein gemeinsames
Unternehmen betrieben. Es war ein innerbetrieblicher Streit. Sie waren Geschäftspartner,
die sich wegen eines schmutzigen Deals entzweiten. Jack war der CEO, der Chief
Exekutive Officer.
Wenn wir also gegen den Imperialismus sind, sollten wir dann darin übereinstimmen,
dass wir gegen die US-Okkupation sind und dass wir glauben, dass die USA sich
aus Irak zurückziehen und dem irakischen Volk Reparationen für die Kriegsschäden
zahlen müssen? Wie beginnen wir mit unserem Widerstand? Beginnen wir mit
etwas wirklich Kleinem. Die Frage ist nicht, den Widerstand in Irak gegen die
Besatzung zu unterstützen oder zu debattieren, wer genau zum Widerstand in
Irak gehört (Sind sie alte Baath-Killer? Sind sie islamische Fundamentalisten?)
Wir müssen der globale Widerstand gegen die Besatzung werden.
Unser Widerstand muss mit der Zurückweisung der Legitimität der US-Okkupation
Iraks beginnen. Das bedeutet Handeln, um es dem Imperium unmöglich zu machen,
seine Ziele zu erreichen. Es bedeutet, Soldaten sollten sich weigern zu kämpfen,
Reservisten sich weigern, eingezogen zu werden. Arbeiter sollten es ablehnen,
Schiffe und Flugzeuge mit Waffen zu beladen. Es bedeutet auch, dass wir in Ländern
wie Indien und Pakistan die Pläne der US-Regierung zum Scheitern bringen
müssen, indische und pakistanische Soldaten zum Saubermachen nach Irak zu
schicken.
Ich schlage vor, dass wir auf einer gemeinsamen Abschlusszeremonie von Weltsozialforum
und Mumbai Resistance zwei wichtige Unternehmen auswählen, die von der Zerstörung
Iraks profitieren. Wir könnten jedes Projekt, in das sie involviert sind,
erfassen. Wir könnten ihre Büros in jeder Stadt und in jedem Land der
Welt lokalisieren. Wir könnten sie jagen, zur Schließung zwingen. Es
ist eine Frage, unsere kollektive Weisheit und Erfahrung aus vergangenen Kämpfen
für ein einzelnes Ziel einzubringen. Es ist eine Frage des Wunsches zu siegen.
Das „Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert“ strebt danach,
Ungleichheit fortzusetzen und amerikanische Hegemonie um jeden Preis, selbst wenn
er apokalyptisch ist, zu errichten. Das Weltsozialforum verlangt Gerechtigkeit
und Überleben. Aus diesen Gründen müssen wir uns als im Krieg befindlich
betrachten.
* Unser Südasien-Mitarbeiter Hilmar König übersetzte die Rede,
wie sie am 18. Januar in der Zeitung THE HINDU veröffentlicht wurde