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Fichte-Sport­lerInnen protestieren gegen den Ausschluss vom Arbeiter- Turn- und Sportbund (ATSB) am 29. Juni 1929 im Poststadion. Fichte wird zu einem Zentrum der revolutionären Opposition im deutschen Arbeitersport und der sozialdemokratischen ATSB-Führung zu einem Dorn im Auge
Fichtesportler im Widerstand
Broschüre vom Gegeninformationsbüro 6. September 2005


Als Zeitzeuge des Nazi-Faschismus berichtet Erwin Schulz aus seiner Zeit im Widerstand.

1933 wurde auch der Arbeitersportverein Fichte von den Nazis verboten. Schon 1932 wurden viele aus unserer Gruppe Mitglieder des bürgerlichen Turnvereins MTT (Männerturnverein Tempelhof). Wir rechneten damit, dass wir unsere Legalität bei der zugespitzten politischen Situation verlieren würden. So hätten wir die Möglichkeit uns ganz legal zu treffen und unsere illegale Arbeit besser durchführen zu können. Im Februar fand in Mariendorf eine illegale Demonstration statt, an der wir uns beteiligten. Zu einer bestimmten Zeit sammelten sich die Teilnehmer – einige hielten sich in den Hauseingängen auf.

Nach einem Pfiff sammelten wir uns auf der Straße. Es wurden einige Losungen gegen die Hitler-Regierung gesprochen. Einer hielt eine kurze Ansprache. Dann gingen wir alle auseinander. Als später die Polizei kam waren wir alle schon verschwunden. Fotos von Sportveranstaltungen, Demonstrationen vernichtete ich, um bei eventuellen Verhaftungen nichts über die Personen aussagen zu müssen.

Zum 1. Mai 1933 forderte die Gewerkschaftsführung (AdGB) die Arbeiter auf, an der Kundgebung auf dem Tempelhofer Feld teilzunehmen. Wir waren über den Verrat der Gewerkschaftsleitung empört. Wir als Arbeitersportler fuhren zum 1. Mai mit unseren Rädern zum Schwarzen Fließ und feierten dort den Arbeiterkampftag. Ein Sportgenosse sprach über die Geschichte des 1. Mai.

Bei der Rückfahrt nach Berlin kehrten wir ein und sangen im Lokal unsere Wanderlieder. Das gefiel den Gästen. Einer von uns sammelte für die Sänger. Das Geld spendeten wir für inhaftierte, politische Gefangene – wenn das die SA-Leute gewusst hätten. So konnte man auch die Rote Hilfe unterstützen.

Wir hatten früher auch eine Esperanto Gruppe in Tempelhof. Unsere umfangreiche Korrespondenz in viele Länder vermittelte uns Kenntnisse über den Kampf der Arbeiter für ihre Interessen. Im Sommer 1933 fuhren wir zur Ostsee und setzten über zur dänischen Insel Moen. Unseren ausländischen Freunden schilderten wir die Situation im faschistischen Deutschland. Wir baten sie, schickt uns keine Informationen und kein Material. Das gefährdet uns. Wir bekamen keine Post mehr. Oder die Gestapo beschlagnahmte sie.

In der Kaiser-Wilhelm-Straße 73 wohnte ich bei meinen Eltern und meiner Schwester. Einmal in der Woche trafen wir uns um zu musizieren. Wir benutzten die Musikabende um Informationen, die wir von der Landesleitung der Roten Sportler erhielten, auszutauschen. Auch entwarfen wir Flugblätter, die auf die Rüstungsproduktion aufmerksam machten. Im Bezirk Tempelhof bereiteten die Metallbetriebe die Kriegsproduktion vor. Meine Schwester schrieb die Matrize. Niemand wusste, wer die Flugblätter vervielfältigte. Zu viel Wissen konnte Gefahr für jeden von uns bedeuten. Selbst meine Eltern ahnten nichts von unseren Vorhaben.

Als Leiter einer Fünfergruppe sorgte ich dafür, dass die Flugblätter weiter verteilt wurden. Die Flugblätter wurden von allen Beteiligten an einem Tag zu einer bestimmten Zeit verteilt. Bei diesen Aktionen wurde niemand verhaftet. In der Wohnung hatte ich nie illegales Material. Das hatte ich bis zur Verteilung in meinem Betrieb. Ich war zu der Zeit in einem Restaurant als Hausdiener tätig. Die Arbeit übernahm ich, um nicht zum Arbeitsdienst eingezogen zu werden.

Nachdem die Verbindung zur Landesleitung abgebrochen war, wurde diese wieder neu aufgenommen. Dem Instrukteur erzählte ich nichts von unserer früheren illegalen Arbeit.

Nach einigen Treffs wurde ich von ihm der Gestapo verraten. Ort und Zeit kannten nur er und ich. Er wusste nicht wie ich heiße und auch nicht wo ich wohnte. Belastungen erfolgten durch den Verräter. Ich verriet niemand. Fünf Jahre Zuchthaus wegen Vorbereitung zum Hochverrat.


Erwin Schulz

Erwin Schulz ist über 90 Jahre alt. Der Gewerkschafter und Arbeitersportler war im Widerstand, wurde politisch verfolgt und musste fünf Jahre in nationalsozialistischen Zuchthäusern zubringen.

Als 999er geriet auch er in Nordamerika in US-Gefangenschaft, von wo er über das Lager Mc Cain nach Fort Devens gelangte. Als engagierter Gewerkschafter erregte er Missfallen bei den US-Behörden und wurde in das Holzfällerlager Camp Stark (New Hampshire) abgeschoben.

Seine Repatriierung wurde offenbar bewusst hintertrieben. 1946 nach England überführt, musste er dort zunächst wieder monatelang ausharren, so dass sein Fall und die Situation einiger anderer Antifaschisten sogar das britische Unterhaus beschäftigte. Schulz lebte nach seiner Rückkehr in der DDR.


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 6. September 2005