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Monopoly
auf dem Wassermarkt (Teil 2)
Hermann Werle MieterEcho
10. Juli 2002
Berlinwasser steht das Wasser
bis zum Hals
Im letzten MieterEcho (Teil1)
berichteten wir über die Liberalisierung der Wassermärkte, die Folgen
für private Haushalte und Umwelt sowie den Kampf zweier Konzerne um die Vormachtstellung
auf dem Wassermarkt in Nordrhein-Westfalen. Dieses Kapitel des „Ruhrgebietsklüngel“
ist zu Gunsten der Essener RWE abgeschlossen. Mit Wirkung zum 1. Mai 2002 hat
die RWE Aqua GmbH mit 74,9 Prozent die Mehrheit an den Rheinisch-Westfälischen
Wasserwerken (RWW) übernommen. Per Salamitaktik ist hiermit die Privatisierung
eines der bedeutendsten Wasserversorgungsunternehmen Deutschlands vollzogen worden
und ein weiteres Mal haben Kommunen ihre Möglichkeiten auf die Grundversorgung
der Bevölkerung Einfluss zu nehmen verkauft. „Privatisierungs-Meisterstück“
Auch in Berlin stehen die Zeichen auf „Wasser marsch“ für die
Gewinne der Konzerne. Nach der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe,
könnte schon in naher Zukunft ein einzelner Großinvestor die Geschicke
der Berliner Wasserversorgung bestimmen. Im Juni 1999 erhielt ein Konsortium aus
RWE, Vivendi und Allianz vom Berliner Senat den Zuschlag für einen Teil der
Berliner Wasserbetriebe und die Verhandlungspartner und Privatisierungslobbyisten
wurden nicht müde, sich gegenseitig lobend auf die Schultern zu klopfen.
Zu einer „Erfolgsstory“ wollte der neue Vorstandschef der Berlinwasser
Holding AG und das frühere RWE Vorstandsmitglied, Thomas Mecke, die Wasserwerke
entwickeln. Die damalige Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing stilisierte die
Holding zu einem Modell mit „bundesweitem Pilotcharakter“ hoch während
Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner eine „hervorragende Ausgangsposition“
erkannte, um die „enormen Wachstumspotenziale“ im Ausland zu nutzen.
Der damalige Bürgermeister Eberhard Diepgen gratulierte den beiden Senatoren
noch während der Senatssitzung zu diesem „Privatisierungs-Meisterstück“.
Die Freude war deshalb so groß, weil es der großen Koalition mit der
Wasserprivatisierung ein weiteres Mal gelungen war, gegen den Widerstand von Umweltverbänden,
der PDS, Bündnis 90/Die Grünen, des DGB und der linken SPD-Minderheit
ihre 1990 begonnene wirtschaftsliberale Politik durchzusetzen. Mit dem Verkauf
der Wasserwirtschaft an private Konzerne wird ein Gut zur Ware, welches gemeinhin
als gesellschaftliches Eigentum begriffen wird. In diesem Sinne kommt der Verkauf
von kommunalen Wasserversorgern einem Dammbruch gleich. Denn warum sollten Wohnungswirtschaft,
Bildung und Gesundheit der staatlichen Verantwortung unterliegen, wenn schon die
Versorgung eines Grundbedürfnisses wie Wasserversorgung privaten Konzernen
überlassen wird?
Elmar Pieroth war 1990 als Finanzsenator angetreten, um genau diese staatlichen
Einflüsse auf das wirtschaftliche Geschehen einzuschränken, d.h. zu
deregulieren. „Es geht,“ äußerte er sich in der FAZ vom
25. November 1995, „um Ordnungspolitik und einen schlanken Staat.“
Seine Nachfolgerin, Annette Fugmann-Heesing, setzte diese Politik fort, argumentierte
jedoch in erster Linie mit Sparzwängen auf Grund leerer Haushaltskassen.
„Sie kam, sah und verkaufte“, stellte die Berliner Morgenpost am 16.
August 1997 fest: „Annette Fugmann-Heesing wird als Privatisierungssenatorin
in die Geschichte Berlins eingehen. Seit die SPD-Politikerin im Januar 1996 das
Finanzressort übernommen hat, ist das Tafelsilber nicht mehr sicher. Alte
Tabus und Grundsätze der Sozialdemokraten werden mit dem Rechenschieber über
den Haufen geworfen.“
Das Holdingmodell
Die Senatorin ließ tatsächlich Szenarien durchrechnen, die die Privatisierung
fast des gesamten Berliner Landesvermögens einkalkulierten. Bevorzugte Herangehensweise
dieser Planungen stellt die Salamitaktik dar, d.h. das stückweise Veräußern
kommunaler Unternehmen. Auf diese Weise ist es dem Senat bisher gelungen, Proteste
und Widerstand unter Kontrolle zu halten. „Vergessen wir nicht“, mahnten
Sprecher der Grünen im Juni 1998, „dass die GASAG in zwei Schritten
verkauft wurde: 48 Prozent 1993, 100 Prozent zu Jahresbeginn 1998. Und die BEWAG-Anteile
Berlins wurden erst gar nicht (1994), dann zur Hälfte (1995), schließlich
zur Gänze (1997) auf den Markt geworfen.“ Einen Bestandteil der schrittweisen
Totalprivatisierung kommunaler Versorgungsunternehmen stellt das von Fugmann-Heesing
favorisierte Holdingmodell dar. Im Fall der Berliner Wasserbetriebe wurden 49,9
Prozent der BWB-Anteile für 3,1 Milliarden Mark an das RWE/Vivendi-Konsortium
verkauft. Unter dem Dach der Berlinwasser Holding AG bleiben die BWB als Anstalt
des öffentlichen Rechts und Wasserversorger bestehen. Daneben existiert das
sogenannte Wettbewerbs- oder Risikogeschäft, zu dem diverse privatwirtschaftliche
Beteiligungen und Tochtergesellschaften wie die BerliKomm oder das Recyclingunternehmen
Schwarze Pumpe (SVZ) gehören. Dieses Modell entspricht dem der Berliner Bankgesellschaft
und birgt das gleiche Risiko, nämlich dass unter dem Holdingdach die Anstalt
öffentlichen Rechts die privatwirtschaftlichen Unternehmen subventioniert.
Lieferten die Berliner Wasserbetriebe noch 1997 beträchtliche Einnahmen an
den Berliner Haushalt, so musste 2000 mit ihren Einnahmen insbesondere die defizitäre
SVZ unterstützt werden. Das Land Berlin ging leer aus, während die privaten
Gesellschafter dank einer garantierten Kapitalverzinsung rund 139 Millionen Euro
einstrichen.
Eine verheerende Bilanz
Alles andere als eine „Erfolgsstory“ oder gar ein “Meisterstück“
stellt die Berlinwasser Holding dar. Sie ist vielmehr eine Geschichte von Subventionen,
Pleiten und Fehlplanungen. Die 2001 gegründete Tochtergesellschaft Avida
GmbH, mit der die Holding ins Multi-Utility-Geschäft einsteigen wollte, war
ein „Schlag ins Wasser“, wie die Berliner Morgenpost im Dezember 2001
titelte. Bereits nach wenigen Wochen musste die Gesellschaft wegen mangelnder
Nachfrage an Komplettangeboten von Strom und Telefon abgewickelt werden. Auch
die BerliKomm konnte nicht annähernd die prognostizierten Erfolgsergebnisse
erzielen. Laut Jochen Esser, dem finanzpolitischen Sprecher der Grünen, hat
der Telekommunikationsanbieter bis heute über 100 Millionen Euro Verluste
angehäuft und keine Aussichten aus eigener Kraft auf die Beine zu kommen.
Das größte Sorgenkind ist jedoch der Müllverwerter SVZ Schwarze
Pumpe. Im Juli 2000 meldete die Berlinwasser Gruppe den Verkauf der SVZ an den
US-amerikanischen Konzern Global Energy, mit dem „erhebliche finanzielle
Ressourcen für strategische Investitionen in die Kerngeschäftsfelder
des Konzerns“ freigesetzt werden sollten. Dummerweise blieb der US-Konzern
den ausgehandelten Preis von 107 Millionen Euro schuldig, so dass der Deal platzte.
Trotz dieser Panne wurde der Verkaufserlös im Geschäftsbericht für
das Jahr 2000 als außerordentlicher Ertrag verbucht und anteilig ausgeschüttet
sowie die SVZ-Kredite ausgebucht. Es verwundert also nicht, dass die Bilanz der
Holding für 2001 entsprechend verheerend ausfällt – allein das
SVZ schlägt mit 385 Millionen Euro negativ zu Buche. Um die drohende Insolvenz
der Holding zu verhindern, haben sich RWE/Vivendi und der Berliner Senat darauf
verständigt mit einer Bürgschaft in Höhe von 316 Millionen Euro
frisches Geld in das Unternehmen zu pumpen. Eine Hälfte davon – 158
Millionen Euro – wird der Berliner Senat aufbringen. Ein „verlorener
Zuschuss“, wie Jochen Esser bemerkt, der dem Senat vorwirft, kein durchdachtes
Konzept für die Wasserbetriebe zu haben. Eine durchdachte Konzeption haben
offensichtlich nur die privaten Investoren. Den Ankauf der Wasserwerke ließen
sich RWE/ Vivendi vom Land Berlin mit einer garantierten Kapitalverzinsung von
annähernd neun Prozent vergolden. So richtig schief gehen konnte aus der
Sicht der Investoren also nichts. Der fehlende Anreiz, so die Morgenpost, sei
das Manko der Berlinwasser Holding. Björn Hartmann von der Morgenpost sieht
in der Notlage eine Chance, nämlich die, dass sich der Senat doch endlich
von seinem Unternehmensbesitz trennen möge. Schließlich halte das Land
seine Anteile “unter anderem wegen der Idee, die Kontrolle darüber
zu behalten, wer die Bevölkerung versorgt – eine Vorstellung aus dem
19. Jahrhundert. Das Ergebnis: Der größte regionale Wasserversorger
Europas dümpelt vor sich hin und droht jetzt, unterzugehen.“ Herr Hartmann
möge entschuldigen, aber er hat nichts begriffen. Oder er weiß wovon
er schreibt und möchte seine Leser und Leserinnen auf den Leim führen.
Die Vorstellung aus dem 19. Jahrhundert, die sich heute noch in Gesetzen zur Selbstverwaltung
der Gemeinden wiederfindet, hatte unter anderem zum Ziel, dass die Bevölkerung
mit Wasser versorgt wird. Eine Verantwortung, die zu Recht dem Gemeinwesen übertragen
wurde und nicht gewinnorientierten Privatkonzernen. Die Verantwortung der Berlinwasser-Misere
dem Senat anzuhängen ist ebenfalls nicht schlüssig. Es sei denn, die
Kritik bezieht sich auf die große Koalition, die die Risiken der Privatisierung
fahrlässig auf den Schultern der Berliner Haushalte ablegte.
Entscheidung
nach den Wahlen
Von Wasserpreiserhöhungen bis zu 30 Prozent bis 2004 ist dieser Tage in den
Berliner Medien zu lesen gewesen. Der Vermögensausschuss des Berliner Senats
hat am 14. Juni 2002 die geplante Änderung des Gesetzes zur Teilprivatisierung
der Berliner Wasserbetriebe nicht vollzogen. Die preistreibenden Verhandlungsfragen
sind auf den Herbst vertagt worden. Es sollten u.a. Abschreibungsmöglichkeiten
der Berlinwasser Holding geändert und Konzessionsabgaben erhoben werden,
beides Maßnahmen, die direkt auf die Verbraucherpreise hätten abgewälzt
werden können.
Bis zum Herbst soll auch geklärt sein, wie die privaten Anteilseigner ihre
vom Land Berlin zugesagten Gewinne erzielen können.
Nach Informationen der Berliner Zeitung wird sich der Allianz-Konzern aus der
Holding zurückziehen und seine Anteile an RWE und Vivendi abgeben. Bleiben
die beiden Großversorger, die sich einem Geheimpapier zufolge auf das Kerngeschäft
der Wasserver- und -entsorgung konzentrieren wollen, wie die Zeitschrift Der Aktionär
berichtet. Neben dem Müllverwerter SVZ sollen auch die BerliKomm und andere
Tochterunternehmen abgestoßen werden, wodurch rund 1300 Arbeitsplätze
betroffen wären.
Da sich RWE und Vivendi im Auslandsgeschäft als Konkurrenten gegenüberstehen,
blockieren sie sich innerhalb der Berlinwasser-Holding. Eine zukunftsträchtige
Perspektive ergibt sich allein aus der Konstellation eines einzelnen privaten
Konzerns mit 74,9 Prozent Beteiligung und einer Minderheitsbeteiligung des Landes
Berlin von 25,1 Prozent. Von dieser wird es heißen, dass sie bei wichtigen
Entscheidungen die Mitsprache des Landes garantieren werde. Die besten Aussichten
auf den Zuschlag zur Komplettübernahme der Berliner Wasserversorgung hat
der Essener RWE-Konzern, für den sich das Geschäft mit dem Wasser zum
„Shooting Star“ im Konzern entwickelt hat. Der französische Vivendi-Konzern
steckt in einer substanziellen Krise und wird sich teilweise aus dem Wassergeschäft
zurückziehen, um sich zum Telekommunikationsriesen umzustrukturieren. Diese
Entscheidung fiel kurz nach den Parlamentswahlen in Frankreich, da Vivendi aufgrund
seines Engagements im kommunalen Wassergeschäft ein sensibles Thema im Wahlkampf
darstellte. Französische Politiker u.a. Präsident Jaques Chirac hatten
kurz vor der Parlamentswahl lautstark gegen den Verkauf Französischer Wasser-
und Müllentsorgungswerke protestiert.
Egal ob nach dem 22. September der Kanzler Stoiber oder Schröder heißen
wird, es wird dem SPD/PDS-Senat wieder sehr viel leichter fallen, unpopuläre
Entscheidungen zu treffen. Die künftigen Wasserrechnungen schreibt RWE und
die Zeche zahlen wir.
Monopol auf dem Wassermarkt von Hermann Werle. Veröffentlicht in MieterEcho
(Zeitung der Berliner MieterGemeinschaft) Mai 2002 / Nr. 290 – www.bmg.ipn.de/
Quellen:
- BGB: Deutscher Wassermarkt – Status Quo und Liberalisierungseffekte.
Bankgesellschaft Berlin AG. Berlin 2000.
- BGW: Vorläufiges Thesenpapier – Stand 21. Februar 2001. Berlin
2001. www.bundesverband-gas-und-wasser.de/bgw/indexflash.html
- BMWi: Optionen, Chancen und Rahmenbedingungen einer Marktöffnung für
eine nachhaltige Wasserversorgung – Endbericht. Berlin 2001.
- BUND: Pressemitteilung – BUND lehnt Privatisierung der Wasserversorgung
ab: Nutzung der Wasserreressourcen darf nicht ungezügelter Vermarktung unterworfen
werden. Berlin 2000. www.bund.net/aktuell
- Deutscher Bundestag: Antrag – Nachhaltige Wasserwirtschaft in Deutschland.
Drucksache 14/7177.
- Dombrowsky, Ines: Wasserprobleme im Jordanbecken – Perspektiven einer gerechten
und nachhaltigen Nutzung internationaler Ressourcen. WZB, Berlin 1994.
- Haas, Lucian: Lukrative Geschäfte mit dem „blauen Gold“. Frankfurter
Rundschau 1. Dezember 2001.
- Hames, Hanno: Rundbrief an die Deutschen Wasserversorger. Hamburg, 31. Juli
2001. www.hww-hamburg.de/html/nav/f_nav.phtml?woher=b5
- Heymann, Eric: Wasserwirtschaft im Zeichen von Liberalisierung und Privatisierung.
Deutsche Bank Research Nr. 176, Frankfurt/Main 25. August 2000.
- isw-wirtschaftsinfo: Bilanz 2001 – Ausblick 2002, Fakten und Argumente
zur wirtschaftlichen Situation. Institut für sozial-ökologische wirtschaftsforschung,
München März 2002.
- Klaphake, Axel/Scheumann, Waltina: Politische Antworten auf die globale Wasserkrise:
Trends und Konflikte. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Bonn, Nr.: B 48-49/2001,
Seite drei bis 13
- Kleine, Barbara: Hände weg von unserem Wasser - Keine Streichung des
Paragraph 103 GWB! Netzwerk gegen Konzernherrschaft und neoliberale Politik 2001.
www.geocities.com/kleineba/wasser.htm
- MBI: Pressemitteilung – MBI schalten die Kommunalaufsicht ein, weil
die kommunale Sperrminorität beim RWW-Verkauf ohne Not und gegen vorherige
Beschlüsse geopfert werden soll. Mühlheim 2002. www.mbi-mh.de/MBI-Arbeit/Presse/presse.html
- Norddeutsche Wasserversorger: Pressemitteilung – Norddeutsche Wasserversorger
kritisieren BGW-Verbandspolitik – Austritte aus dem Bundesverband angekündigt.
Hamburg 2001. www.hww-hamburg.de
- Pluge, Wolf: Wasserwirtschaft zwischen Daseinsvorsorge und Wettbewerb. Vortrag
des Hauptgeschäftsführers des BGW auf dem Kongress „Wasser Berlin“.
Berlin 2000. www.bundesverband-gas-und-wasser.de/bgw/indexflash.html
- Strack, Peter: Wasseraufstand in Cochabamba – An den Grenzen des Systems.
In: ila Nr.: 235, Bonn 2000, S. 41-43.
- Student, Dietmar: Volles Rohr – Der deutsche Wassermarkt: Ein Milliardengeschäft.
Manager-Magazin, 2002. www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,177041,00.html
- WEED: Privatisierung im Wassersektor – Entwicklungshilfe für transnationale
Wasserkonzerne; Lösung der globalen Wasserkrise? Bonn 2001.
Veröffentlicht in MieterEcho (Zeitung der Berliner MieterGemeinschaft)
www.bmg.ipn.de |
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